Erhard Kutschenreuter

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Erhard Kutschenreuter. (Foto: Archiv Proft)
Erhard Kutschenreuter als junger Lehrer. (Foto: Archiv Proft)

Erhard Kutschenreuter (* 18. Juni 1873 in Schalding r.d.D.; † 6. Mai 1946 in Landshut) war Volksschullehrer, Komponist und Heimatforscher. Zu seinen bekanntesten Schöpfungen zählen der „Waldlermarsch“ und die Operette „Der Holledauer Fidel“.

Leben und Wirken

Kindheit und Jugend

Erhard Kutschenreuter kam am 18. Juni 1873 als neuntes Kind des Bahnmeisters Christian Kutschenreuter und seiner Ehefrau Anna, geb. Bill, in Passau-Schalding r.d.D. zur Welt. Als er neun Jahre alt war, starb sein Vater. Daraufhin wurde sein Onkel, der Lehrer und Chorregent Joseph Bill, zum Vormund bestellt, der sich um die weitere schulische und musikalische Ausbildung seines Mündels kümmerte. Nach dem Besuch der Realschule und der Präparandenschule in Passau absolvierte Kutschenreuter die Lehrerbildungsanstalt in Straubing. Er war dann zunächst Schulpraktikant bei seinem Onkel an der Volksschule St. Nikola in Passau. Doch überwarf er sich bald mit ihm und deshalb wurde er am 1. Dezember 1891 Hilfslehrer in Niederhöcking. Weitere Stationen waren Zenting, Pankofen, Sankt Englmar und Rainding (heute Ortsteil der Gemeinde Haarbach).

Schulverweser in Rudelzhausen

Zum 1. Dezember 1899 wurde er zum Schulverweser von Rudelzhausen in der Hallertau bestellt. In Rudelzhausen heiratete er am 30. Oktober 1900 die Bauerstochter Theres Maier, und am 10. September 1901 kam seine Tochter Theres zur Welt. Zu dieser Zeit veröffentlichte er im Eigenverlag seine ersten gedruckten „Vier neueste Salonmärsche“ für Klavier.

Neuschönau und der Waldlermarsch

Am 16. November 1902 kam er als Lehrer nach Neuschönau im Bayerischen Wald, wo am 15. Februar 1903 sein erster Sohn Franz Xaver zur Welt kam. Aus Freude darüber komponierte er noch am selben Tag einen Marsch, zu dem einige Monate später der junge Revierförster Max Mang (1871–1954) den Text verfasste. So war der „Waldlermarsch“ entstanden, der Kutschenreuters populärster Marsch wurde und der auch später in seinem erfolgreichsten Singspiel „Der Holledauer Fidel“ seinen Platz fand.

Erste Bühnenwerke

Zum 1. Februar 1904 wurde er als Lehrer nach Oberiglbach – heute Ortsteil des Marktes Ortenburg – versetzt. Am 4. Dezember 1907 wurde im Stadttheater Passau seine erste Operette „Der Hauptmann von Köpenick“ uraufgeführt, zu dem der Benefiziat Sebastian Wieser (1879–1937) den Text schrieb. Der Librettist hatte dabei jenen bekannten und vielbelachten Schildbürgerstreich verarbeitet, der sich 1906 tatsächlich zugetragen hatte und dem Carl Zuckmayer Jahre später, nämlich 1931, in seinem gleichnamigen Theaterstück ein bleibendes Denkmal gesetzt hat. Eine weitere Operette „Der Fremdling“ (Text: Heinrich Schießleder) wurde am 17. März 1910 im Wieninger-Saal in Vilshofen an der Donau vom „Operetten und Novitäten Ensemble Julie Hillebrand und Josef Kappl“ aus Wien unter Kutschenreuters musikalischer Leitung uraufgeführt.

Geratskirchen und Neukirchen bei Arnstorf

Am 1. Dezember 1910 wurde er nach Geratskirchen versetzt, am 10. Dezember desselben Jahres kam dort sein zweiter Sohn Erhard zur Welt. Schließlich wurde Kutschenreuter am 1. März 1913 als Lehrer nach Neukirchen bei Arnstorf versetzt. Am 8. Juli 1917 starb seine erste Frau, ein knappes Jahr später, am 30. April 1918, heiratete er die Lehrerstochter Berta Hoppichler. Am 1. April 1920 wurde er zum Hauptlehrer befördert.

Der Holledauer Fidel

Am 14. April 1920 erlebte sein bekanntestes Singspiel „Der Holledauer Fidel“ die Uraufführung im Stadttheater Passau. Der Text dazu hatte Kutschenreuter ursprünglich selbst verfasst, doch lies er ihn von dem Passauer Finanzbeamten und Heimatdichter Franz Josef Scherrer (1890–1946) für die Uraufführung umarbeiten. Diese volkstümliche Operette fand rasche Verbreitung in ganz Niederbayern und weit darüber hinaus. Bereits 1938 kam es zur 3.000. Aufführung in der Passauer Nibelungenhalle, die Kutschenreuter selbst dirigierte. Der „Holledauer Fidel“ wurde schon in Österreich, Italien, Spanien, in der Schweiz und von deutschen Einwanderern auf der Insel Sumatra aufgeführt und wird vielerorts auch heute noch gespielt.

Dietersburg

Am 1. Mai 1920 wurde er nach Dietersburg versetzt. Er schuf dort erstmals ein Kindersingspiel „Ein Frühlingsmärchen“ zum Text des Sparkassenbeamten Richard Meisl (1897–1974). Am 23. Juli 1922 wurde es in Dietersburg erstmals aufgeführt. Eine weitere Operette, die auch heute noch öfters gespielt wird, ist „Die Donauliesl“ die am 26. Mai 1923 im Konzert-Saal von Vilshofen zur erfolgreichen Uraufführung kam. Das Libretto hatte, wie schon beim „Holledauer Fidel“, Franz Josef Scherrer verfasst. Zum Libretto von Josef Bauer (1880–1954), Ökonom und von 1908 bis 1918 Reichstagsabgeordneter, schrieb Kutschenreuter das Singspiel „Der Schwur des Kreuzhofbauern“, das am 13. April 1924 in Dietersburg uraufgeführt wurde.

Frühpensionierung und Umzug nach Velden (Vils)

Am 16. November 1924 wurde er nach Rattenbach – heute Ortsteil der Gemeinde Rimbach – versetzt und am 1. März 1927 aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig pensioniert. Kutschenreuter übersiedelte daraufhin nach Velden (Vils), wo er als Musiklehrer und freischaffender Komponist lebte. Anlässlich der Stadterhebung von Vilsbiburg schrieb er die Musik zum Festspiel „Vilsbiburg“, dessen Text der Benediktinermönch und Studienprofessor P. Bonifaz Rauch (1873–1949) vom Kloster Metten, schrieb. Die Uraufführung war am 22. September 1929 in Vilsbiburg.

Vilsbiburg

Die Reihe der volkstümlichen Operetten setzte er mit dem Stück „An der Böhmischen Grenz’“ fort, das am 22. Februar 1930 in Vilsbiburg erstmals aufgeführt wurde. Das Libretto hatte Siegfried Jaennichen (18841968), Oberlehrer in Kirchberg bei Eggenfelden, verfasst. Der anhaltende Erfolg seines „Holledauer Fidel“ veranlasste dem Komponisten, der am 15. Januar 1931 nach Vilsbiburg übersiedelte, zu einer Fortsetzung. „Der Holledauer Fidel Teil II“ (Text: Franz Josef Scherrer) wurde am 6. April 1931 unter Kutschenreuters Leitung in Dorfen uraufgeführt. Obwohl die Uraufführung ein großer Erfolg war, ist es dem zweiten Teil nicht gelungen, auch nur annähernd an den Erfolg des ersten Teils heranzukommen.

Die letzte Uraufführung einer Operette erfolgte am 16. September 1933 in Rohr in Niederbayern. „Die Handwerksburschen“ hieß das Stück mit dem Text von Marie Crüger (1867–1945) aus Plattling. Am 18. November 1934 wurde schließlich in Vilsbiburg Kutschenreuters zweites Kindersingspiel „Wintermärchen“ (Text: Richard Meisl) erstmals gespielt.

Letzte Lebensjahre in Landshut

Am 14. April 1937 zog Kutschenreuter nach Landshut, wo er seinen Lebensabend verbrachte und am 6. Mai 1946 an den Folgen eines Gehirnschlags verstarb.

Persönlichkeit

Ganz offensichtlich wurde Kutschenreuters Musikalität in die Wiege gelegt. Bereits als kleiner Bub hatte er sich ein Gedicht ausgedacht und dazu eine Melodie geschrieben. Sein späterer Vormund, der selbst Organist und Chorregent in Passau war, ließ ihm eine umfassende musikalische Ausbildung angedeihen. Dazu kam der Musikunterricht an der Lehrerbildungsanstalt in Straubing, der seinerzeit dem eines Konservatoriums ebenbürtig war.

Als Volksschullehrer hatte Kutschenreuter auch die Aufgaben des Organisten und Chorregenten an den Schulorten zu übernehmen. Obwohl nach dem Ersten Weltkrieg diese Pflicht in Bayern gesetzlich abgeschafft wurde, blieb er zeitlebends dieser Tätigkeit treu. Er schuf dabei auch zahlreiche kirchenmusikalische Kompositionen.

Kutschenreuter liebte die Geselligkeit und den abendlichen Biertisch. Als Lehrer hatte er manche Schwierigkeiten, sein Künstlertum mit seinen Dienstpflichten in Einklang zu bringen, was gelegentlich zu Zwistigkeiten mit der Obrigkeit und zu Sanktionen führte.

Aber er beobachtete sehr genau Land und Leute. Weil er an so vielen Orten in Niederbayern beruflich gewirkt hatte, galt er als profunder Kenner seiner niederbayerischen Heimat. Mehrere heimatkundliche Abhandlungen in verschiedenen Zeitschriften zeugen davon.

Kutschenreuter war auch tief mit der niederbayerischen Volksmusik verwachsen, die er sehr förderte. Er war Mitorganisator und Preisrichter beim ersten Niederbayerischen Volkssingen am 20. Juni 1931 in Landshut, das seinerzeit über den Rundfunk in ganz Deutschland ausgestrahlt wurde. 1938 veröffentlichte er eine bahnbrechende Harmonikaschule für zweireihige diatonische Instrumente.

Der Rundfunk war es auch, der Kutschenreuters Musik sendete und weit über die heimischen Grenzen bekannt und populär machte. 1931 produzierte der Bayerische Rundfunk sogar den „Holledauer Fidel“ für den Hörfunk. Kutschenreuter komponierte auch mehr als 60 Märsche, dazu noch Walzer, Polkas und Tänze, was ihm den Titel „Niederbayerischer Marschkönig“ einbrachte.

Im Nachlass des Komponisten befinden sich noch weitere Singspiele und andere Kompositionen, die bislang noch nicht aufgeführt wurden:

  • „Die Hirmonhopser von Bischofsmais“ (Text: Richard Meisl)
  • „Die Glückskinder“ (Text: Michael Geiger)
  • „Das schöne Annamirl“ (Text: Franz Josef Scherrer)
  • „Der Antichrist“ mit den Sätzen: Ouvertüre – Im Paradis – Der Brudermord. Dabei könnte es sich um die Musik für ein geplantes Mysterienspiel handeln (Textdichter unbekannt)

Der Nachlass des Komponisten befindet sich seit Herbst 1973 im Zwieseler Waldmuseum.

Literatur

  • Karl-Heinz Reimeier: Erhard Kutschenreuter, der „Niederbayerische Marschkönig“, Morsak, Grafenau, 1989, ISBN 3-87553-317-8
  • Hans Proft: Immer froh und heiter bleibt der Kutschenreuter. Verlag Karl Stutz, Passau, 2004, ISBN 3-88849-206-8

Weblinks

Dies ist ein ausgezeichneter Artikel.
Diesem Artikel wurde am 22. Juli 2010 das Prädikat „Ausgezeichneter Artikel“ verliehen.