Gebietsreform

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Die in den 1970er Jahren in Bayern durchgeführte Gebietsreform brachte auch für Niederbayern erhebliche Veränderungen.

Voraussetzungen

Am 25. Januar 1952 trat eine neue Gemeindeordnung für Bayern in Kraft. Darin wird in Paragraph 11 bestimmt, dass eine Änderung nur vorgenommen werden kann, wenn die beteiligten Gemeinden einverstanden sind. Beim Vorhandensein von dringenden Gründen des öffentlichen Wohls sind Änderungen aber auch gegen den Willen der beteiligten Gemeinden möglich.

Zu Beginn der 6. Wahlperiode des Bayerischen Landtages 1967 strebten sowohl die regierende CSU als auch die oppositionelle SPD eine Reform der Kommunalverwaltung an. Die Vorstellungen der oppositionellen SPD gingen erheblich weiter als die Pläne der Regierungspartei CSU. Die SPD wollte die Auflösung der Regierungsbezirke und Landkreise, an deren Stelle Verwaltungsregionen geschaffen werden sollten. Die Gemeinden sollten in Verwaltungsgemeinschaften zu Größen von 5000 und 10000 Einwohnern zusammengelegt werden.

Die Regierungspartei dagegen wollte die bisherige Grundstruktur Bezirk – Landkreis – Gemeinden beibehalten, jedoch die Zahl der Landkreise und der Gemeinden deutlich verringern und damit die Einwohnerzahlen vergrößern.

Durchführung

Ministerpräsident Alfons Goppel kündigte in seiner Regierungserklärung am 25. Januar 1967 die Reform an und nannte sie die wichtigste innenpolitische Aufgabe dieser Legislaturperiode. Die Gebietsreform wurde von Bruno Merk (CSU) geleitet, der von 1966 bis 1977 Staatsminister des Innern war. Sein Amtsnachfolger Alfred Seidl schloss die Gebietsreform ab. Merk berief 1968 eine Arbeitsgruppe Kommunalverwaltungsreform ein. Am 16. April 1970 legte die Regierung den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vor.

Die Landkreisgebietsreform

Die Landkreise in Niederbayern und der Landkreis Altötting vor der Gebietsreform

Reduzierung der Landkreise

Im Rahmen der Neugliederung Bayerns in Landkreise und kreisfreie Städte, die am 15. Dezember 1971 beschlossen wurde und am 1. Juli 1972 in Kraft trat, wurden aus vorher 143 Landkreisen insgesamt 71 neue Landkreise. 23 von ehemals 48 kreisfreien Städten verloren ihre Kreisfreiheit. Zum Ausgleich erhielten sie begrenzte zusätzliche Rechte gegenüber den sonstigen kreisangehörigen Gemeinden und den Titel „Große Kreisstadt“.

Niederbayern hatte vor der Gebietsreform 22 Landkreise: Bogen, Deggendorf, Dingolfing, Eggenfelden, Grafenau, Griesbach, Kelheim, Kötzting, Landau a. d. Isar, Mainburg, Mallersdorf, Passau, Pfarrkirchen, Regen, Rottenburg an der Laaber, Straubing, Viechtach, Vilsbiburg, Vilshofen, Wegscheid und Wolfstein. Dazu kamen die vier kreisfreien Städten Landshut, Straubing, Passau und Deggendorf.

Insgesamt wurden die niederbayerischen Landkreise von 22 auf neun reduziert: Deggendorf, Dingolfing-Landau, Freyung-Grafenau, Kelheim, Landshut, Passau, Regen, Rottal-Inn und Straubing-Bogen. Von den vier kreisfreien Städten Landshut, Straubing, Passau und Deggendorf verlor Deggendorf seine Kreisfreiheit, während Passaus Oberbürgermeister Emil Brichta mit Erfolg für die weitere Kreisunmittelbarkeit Passaus eintrat.

Vom 1. Juli 1972 bis zum 30. April 1973 hieß der Landkreis Dingolfing-Landau Landkreis Untere Isar, der Landkreis Freyung-Grafenau Landkreis Freyung und der Landkreis Rottal-Inn Landkreis Rottal.

Grenzveränderungen

Die Landkreise in Niederbayern und der Landkreis Altötting seit der Gebietsreform

Niederbayern erhielt mit der Landkreisgebietsreform neue Grenzen. Der niederbayerische Landkreis Kötzting wurde aufgelöst, da sich die Landkreise Kötzting und Viechtach nicht über einen gemeinsamen Verwaltungssitz einigen konnten. Während der Landkreis Viechtach mit dem Landkreis Regen zusammengelegt wurde, kam der Landkreis Kötzting mit Ausnahme der Gemeinde Lohberg, die dem Landkreis Regen zugeteilt wurde, zum oberpfälzischen Landkreis Cham. Mit einer Normenkontrollklage vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erreichte Lohberg jedoch zum 1. Mai 1978 die nachträgliche Eingliederung der Gemeinde in den Landkreis Cham mit Ausnahme der Gemeindeteile Chamer Hütte (zu Bodenmais) und Brennes (zu Bayerisch Eisenstein)

Dagegen kamen mehrere Gemeinden aus dem oberpfälzischen Landkreis Regensburg zum neugebildeten Landkreis Straubing-Bogen. Dem bisherigen Landkreis Kelheim wurden nicht nur der Großteil des aufgelösten niederbayerischen Landkreises Mainburg und der nördliche Teil des Landkreises Rottenburg an der Laaber zugeordnet, sondern auch ein Teil des aufgelösten oberpfälzischen Landkreises Riedenburg, darunter die Stadt Riedenburg. Der ebenfalls zum Landkreis Mainburg gehörende Markt Au i.d.Hallertau gelangte jedoch zum oberbayerischen Landkreis Freising. Bruckberg, zuvor Teil des Landkreises Freising, kam hingegen zum niederbayerischen Landkreis Landshut. Große Teile des Landkreises Mallersdorf und zwei Gemeinden des Landkreises Rottenburg an der Laaber kamen zum Landkreis Regensburg und wurden damit oberpfälzisch.

Der oberbayerische Landkreis Altötting wuchs 1972 durch die Angliederung der Gemeinde Tyrlaching vom aufgelösten oberbayerischen Landkreis Laufen.

Die Kommunalgebietsreform

Die Gemeindegebietsreform von 1972 bis 1978 verringerte die Zahl der bayerischen Gemeinden von 6.962 im Jahr 1970 auf 2.052 im Jahr 1978. Sie trat am 1. Mai 1978 nach mehreren Beschlüssen und Verordnungen in Kraft. Mehr als 900 der Gemeinden waren zudem nun Mitgliedsgemeinden in Verwaltungsgemeinschaften. Abgeschlossen wurde die Reform durch das Gesetz zum Abschluss der kommunalen Gebietsreform vom 1. Januar 1980, in dem noch kleinere Korrekturen vorgenommen wurden.

Besonders die kommunale Gebietsreform führte oft zu heftigen Diskussionen vor Ort. Auf eine Phase der freiwilligen Zusammenschlüsse folgten Zusammenlegungen "von Amts wegen". Das Ziel war die Schaffung größerer und leistungsfähigerer Gebietseinheiten. Dabei wurden auch bevölkerungsreiche und finanzstarke Kommunen zwangseingemeindet, darunter Grubweg in die kreisfreie Stadt Passau und der Markt Pleinting in die Stadt Vilshofen. Im Falle Grubwegs wurde bereits am 10. Mai 1972 per Regierungsverordnung die Eingemeindung verfügt, und auf die Verfassungsbeschwerde Grubwegs hin verkündete der Senat des Verfassungsgerichtshofes am 6. Mai 1972, dass die Anordnung der Regierung „aus übergeordneten Interessen“ rechtens sei. Im Falle Pleintings begründete die Bayerische Staatsregierung die am 1. Mai 1978 vollzogene Zwangseingemeindung in einem Schreiben mit den Worten: „Erst durch die Eingliederung der finanzkräftigen Gemeinde Pleinting erhält die Stadt Vilshofen die zur Wahrnehmung der ihr als Mittelzentrum zukommenden Aufgaben nötigen Finanzmittel.“

Der ursprünglich angestrebte Richtwert von wenigstens 5.000 Einwohner je Gemeinde war in vielen Fällen nicht erreichbar. Viele Gemeinden hatten auch nach Abschluss der Reform weniger als 3.000 Einwohner, einige sogar unter 1000 Einwohner.

In einigen Fällen gelang es durch den Widerstand von Bürgern, eingemeindete Orte wieder in die Selbstständigkeit zu führen. Am 1. Mai 1978 wurde im Zuge der Gebietsreform die Gemeinde Irlbach zwangsweise in die Nachbargemeinde Straßkirchen integriert. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. April 1978 bestätigte zunächst die Eingemeindung, doch der Bayerische Verfassungsgerichtshof befand am 3. November 1983, die Eingemeindung nach Straßkirchen sei verfassungswidrig und erklärte Irlbach seine Gemeindehoheit.

Eine zusätzliche Möglichkeit der organisatorischen Straffung und Kosteneinsparung ergab sich durch die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften. Auch diese Organisationsform stieß auf den Widerstand mancher der betroffenen Gemeinden, und einzelne hatten damit auch Erfolg. Drachselsried bildete ab 1. Mai 1978 mit Arnbruck die Verwaltungsgemeinschaft Zellertal, die aber mit Wirkung zum 1. Januar 1980 wieder aufgehoben wurde. Von 1978 bis 1990 gehörte die Gemeinde Patersdorf zur Verwaltungsgemeinschaft Ruhmannsfelden. Seit 1. Januar 1990 ist die Gemeinde wieder selbstständig. Die Gemeinde Rattenberg wurde nach mehreren vergeblichen Versuchen im vierten Anlauf zum 1. Januar 1994 aus der Verwaltungsgemeinschaft Konzell/Rattenberg entlassen. Die Gemeinde Grainet schied aus der am 1. Mai 1978 mit Hinterschmiding und Philippsreut gebildeten Verwaltungsgemeinschaft Hinterschmiding bereits am 1. Januar 1980 wieder aus.

Nach Auffassung von Befürwortern der Gebietsreform wurde durch sie die Verwaltung und Leistungskraft der Kommunen sowie deren Infrastruktur verbessert, was letztlich auch die positive wirtschaftliche Entwicklung Bayerns befördert habe. Kritiker verweisen dagegen auf mangelnde Bürgernähe aufgrund der Neugliederung bei Eingemeindungen sowie auf die Verringerung der bürgerschaftlichen Mitwirkung durch die Verminderung der Mandatszahlen infolge der Gemeindeauflösungen.

Literatur

  • Franz Mader: Die Geschichte der Eingemeindungen nach Passau, in: Der Passauer Wolf, Band 7, Passau: Stadtarchiv 1997, ISBN 3-929350-29-7

Weblinks