Isidor Gistl

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Isidor Gistls Grab auf dem Friedhof in Frauenau.

Isidor Gistl (* 19. Februar 1868 in Schweinhütt; † 25. März 1950 in Frauenau) war ein niederbayerischer Glasfabrikant.

Leben und Wirken

Der Sohn des Tafelglasmachers, Glasfuhrmanns und Wirtshauspächters Isidor Gistl und seiner Ehefrau Theres, geb. Weber besuchte die Realschulen in Deggendorf und Regensburg. In der Glashütte in Oberfrauenau, die im Besitz der Familie Poschinger war, erlernte er das Glasgewerbe und die Betriebsleitung.

1884 ging er nach Regenhütte, wo er in der dortigen Glashütte Steigerwald als Direktor fungierte. 1888 trat er als Verwalter in den Dienst von Georg Benedikt von Poschinger und begann, Grundstücke in Frauenau zu kaufen, die ihm später beim Bau seiner eigenen Glashütte nützlich werden sollten. 1893 übernahm Gistl den Direktorenposten in der Steigerwaldglashütte Regenhütte. Ab 1901 war er auch Berater in der Glashütte Ludwigsthal.

1906 kehrte er nach Frauenau zurück und pachtete die 1848 von Johann Michael von Poschinger gegründete Moosauhütte, die heutige Glashütte Poschinger (bis 1924). Er baute den Betrieb erfolgreich aus, die Zahl der Beschäftigten steigerte sich unter seiner Führung von anfangs 100 auf 225 im Jahr 1914. Die Krystallgalsfabrik Frauenau I. Gistl war eine der wenigen, die während des Ersten Weltkrieges durcharbeiten konnte.

Nach Kriegsende kaufte er Grundstücke in Frauenau und errichtete 1923 nach den Plänen des Architekten Georg Pabst die Glashütte Gistl. Dabei nutzte er die besonderen Verhältnisse der Inflationszeit und druckte seit dem 25. August 1923 Notgeld, Geldscheine von 1,5 Millionen bis 5 Billionen Mark, mit denen er seine Arbeiter und Firmen bezahlte. Die 1925 an der Bahnstrecke Zwiesel-Grafenau fertiggestellte Glashütte Gistl galt als eine der modernsten Kristallglasfabriken Europas. Neben der Fabrik ließ Kommerzienrat Gistl auf über 2.000 Hektar 27 Wohnhäuser mit 200 Werkswohnungen bauen, dazu eine großzügige Gastwirtschaft und den Gistl-Saal, den damals größten Veranstaltungsbau des Bayerischen Waldes.

Gistl, der ein großer Mäzen der Gemeinde und der Pfarrgemeinde war, machte Frauenau zum Industriestandort. Die Weltwirtschaftskrise überstand Gistls Unternehmen trotz erheblicher Probleme. 1933/34 scheiterte sein Versuch, das insolvente Glashüttengut Buchenau zu kaufen, am Widerstand des Staates, der das Gut schließlich übernahm.

Ende der 30er Jahre beschäftigte er wieder 700 Personen. Der 3½ Zentner schwere »Glaskönig« strengte nach dem Zweiten Weltkrieg vergeblich einen Prozess vor dem Arbeitsgericht gegen seinen Graveurmeister Valentin Eisch an, als dieser 1946 seinen eigenen Glasveredelungsbetrieb in Frauenau gründete. Daraufhin versuchte er den Betrieb zu boykottieren.

Er war in erster Ehe seit 1890 mit Amalie Kaspar († 23. April 1927) aus Frauenau verheiratet, durch die er Vater von acht Kindern wurde, von denen drei früh verstarben. Per Zeitungsinserat suchte er nach einer Hausdame. Seine Wahl fiel auf Lucie Behrend aus Meißen[1], die er im Januar 1930 heiratete. Nach der späteren Scheidung heiratete er mit Pauline Bauer aus Frauenau seine dritte Ehefrau. Er starb unerwartet an einem Herzinfarkt.

Nach seinem Tod trat seine dritte Ehefrau Pauline die Nachfolge an. Sie konnte das Glasimperium noch ein paar Jahre zusammenhalten. Als sie am 4. Juli 1959 während eines Kuraufenthalts in Bischofswiesen verstarb, war keine Vorsorge für das Unternehmen getroffen. Eine Erbengemeinschaft mit 48 Erbberechtigten übernahm den Besitz. Die meisten Erben ließen sich ihren Anteil ausbezahlen - und das war schließlich der Anfang vom Ende der Gistl-Ära.

Heute sind die einstigen Produktionsstätten im Besitz des österreichischen Glasmagnaten Riedel. Das Gistl-Wirtshaus mit dem Gistl-Saal wurden von der Gemeinde erworben. Die Gistl-Villa befindet sich seit etlichen Jahren im Besitz des Künstler-Ehepaares Gretel und Erwin Eisch, die dieses markante Haus auch bewohnen.

Auszeichnungen

Literatur

  • Heidi Wolf: Ein Mann geht seinen Weg. Der Glaskönig Isidor Gistl und Von der Waldarbeiterin zur Unternehmerin. Therese Eisch in Frauenau, beide in: Wälder, Weite, Wildnis, Herausgeber Harald Grill, Günter Moser, Wolfgang Bäuml, Buch-und Kunstverlag Oberpfalz, Amberg, 2000, ISBN 3-924350-85-X
  • Hubert Ettl: Auf dem Weg in eine neue Zeit. Frühe Industrien im Bayerischen Wald, mit Textbeiträgen von Katharina Eisch, Winfried Helm, Martin Ortmeier, ISBN 3-929517-32-9
  • Heinrich Zens/Chr: Glaspionier mit enormer Dynamik. In: Passauer Neue Presse vom 25. März 2010 (S. 28)
  • Josef Blau: Die Glasmacher im Böhmer- und Bayerwald. II. Band: Familienkunde. München 1956, Reprint Morsak Verlag Grafenau 1984, ISBN 3-87553-223-6
  • Marita Haller: Ein Denkmal für einen Glaspionier. In: Der Bayerwald-Bote vom 8. Mai 2017 (S. 27)

Anmerkungen

  1. Name laut Wolf. Bei Blau, S. 81 heißt seine zweite Ehefrau Luzia Behrendt aus Neisse.