Kirche St. Johannes der Täufer (Passau)

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Die Spitalkirche St. Johannes
Die „Bischof-Heinrich-Gotik“. (Foto: Geisler)
Eine der vielen Figuren im Kirchenraum. (Foto: Geisler)

Die Kirche St. Johannes der Täufer ist eine Spitalkirche in Passau. Sie gehört zum Seniorenheim St.-Johannis-Spital und liegt sehr zentral im Herzen Passaus am Rindermarkt. Die sorgfältig restaurierte Kirche ist ein Juwel mit vielen Reliefs, Figuren und Epitaphen.

Geschichte

Im Jahr 1198 gründete das Passauer Domkapitel in der Vorstadt ein Hospital, getragen von der St.-Johannis-Spital-Stiftung. Die Hospitalgründung und damit wohl auch die Benennung der Urkapelle nach Johannes dem Täufer im Jahr 1198 wird belegt durch eine Schenkungsurkunde vom 29. März 1200 des Babenberger Herzogs Leopold VI. von Österreich. Der vom späteren Passauer Bischof Ulrich II. erzogene Leopold war der erste fürstliche Förderer des am Johannitervorbild orientierten Passauer Spitals. Die Kirche wurde von 1206 bis 1215 unter Bischof Manegold im frühgotischen Stil erbaut. Über das Aussehen der Urkapelle und Vorläuferkirche gibt es keine urkundliche Nachricht. 1278 übernahm die Stadt das Spital, welches als Seniorenheim bis heute besteht.

Das heutige Erscheinungsbild der Spitalkirche reicht nicht über das mittlere 14. Jahrhundert zurück. 1478 wurde die nördliche Kapelle angebaut und wohl zu Anfang des 16. Jahrhunderts der Turm an der Südwestecke erneuert. Im 17. Jahrhundert wurde die Kirche nach dem Stadtbrand von 1662 barockisiert. Diese Renovierung zog sich über viele Jahrzehnte hin. Fromme Stiftungen sorgten für eine immer reichere Ausstattung. So besaß sie zuletzt elf Altäre, von denen einem späteren Bericht zufolge jeder in einem anderen Stil gebaut war.

1839 wurde auf Anweisung des Domkapitels die reiche barocke Einrichtung („alberne und ärgerliche Dinge“) mit Ausnahme der fünf großen Altäre entfernt. Bischof Heinrich von Hofstätter ließ die Kirche von 1860 bis 1864 renovieren und weihte sie am 21. Juni 1864 neu. Hofstätter wählte die aufzustellenden Bildwerke selbst aus. Er vermischte in üppigen, neugotischen Schreinarchitekturen spätgotische-fränkische Plastik mit Werken von Münchner Bildhauern des 19. Jahrhunderts. „Im reichen gothischen Style, prachtvoll renoviert und vollständig eingerichtet und ausgestattet steht sie als neue Zierde unserer Stadt wieder offen [...] und führt uns die schönsten und edelsten Werke der mittelalterlichen kirchlichen Bildnerei vor Augen, wie sie im 15. Jahrhundert in Blüthe stand“, heißt es in einem zeitgenössischen Text. Von 1980 bis 1984 wurde die Kirche komplett restauriert und so eingerichtet, wie sie heute bekannt ist.

Eine Teil-Innensanierung erfolgte 2011/2012. Seit Mai 2013 wird die Kirche für rund 500.000 Euro saniert. Die Arbeiten begannen zunächst an Fassade und Dach, später im Inneren. Zudem wurde das Inventar, etwa Altäre und Figuren, gereinigt.

Künstlerische Besonderheiten der Kirche

Charakteristisch für die Kirche ist die Verbindung von erhalten gebliebenen einheimischen gotischen Originalen und Kopien von auswärtigen gotischen Vorbildern. Zu den Originalstücken gehört ein um 1400 datiertes Steingussrelief über der Tür zum Spitalhof. Es zeigt die Halbfiguren des Schmerzensmanns zwischen Maria und Johannes. Insgesamt sind sechs Reliefbilder aus dem Leben des hl. Johannes dem Täufer zu sehen, auf einem Altarflügel und Halbreliefs findet sich Johannes der Evangelist. Szenen aus dem Leben des Kaisers Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde sind zu sehen, ebenso wie der hl. Sebaldus. An den Wänden finden sich viele Epitaphe aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert. Das Buch „Die Inschriften der Stadt Passau“ verzeichnet an die 100 Epitaphe.

Die zeitgenössischen Skulpturen schufen die Münchner Bildhauer Fidelis Schönlaub und Joseph Knabl nach den Vorstellungen des Bischofs. Das Ideal Bischof Heinrich von Hofstätters war die Gotik. Er schmückte die Kirche mit Gipsabgüssen der bedeutendsten deutschen Bildhauerwerke von Tilmann Riemenschneider, Veit Stoß oder Adam Krafft. Aus anderen Passauer Kirchen ließ er Grabsteine aus Rotmarmor nach St. Johann überbringen, die an den Innenwänden Aufstellung fanden. Auch die Symmetrie war Hofstätter sehr wichtig. So ist es vielleicht zu erklären, dass die schöne Fassade mit zwei Türen versehen ist. Das ist bei Kirchen ungewöhnlich und stimmt auch gar nicht mit den Funktionen im Innenraum überein. Aber es fällt selten jemandem auf, dass nur die westliche Türe wirklich funktioniert. Die östliche Tür aus Eichenholz, mit reich gearbeiteter Türumrahmung aus Granit, mit schmiedeeisernen Beschlägen und Klinken versehen, ist eine Attrappe. Hinter dem Holz der zwei Türflügel folgt keine Öffnung, sondern das Mauerwerk der Kirchenfassade.

Gottfried Schäffer nannte die Auszierung der St.-Johannes-Kirche „Bischof-Heinrich-Gotik“. Sie steht für den nationalbewussten Frömmigkeitshabitus des mittleren 19. Jahrhunderts. Die Einrichtung der Spitalkirche ist eine der wenigen, in denen die Bischof-Heinrich-Gotik erhalten geblieben ist.

Literatur