Kristallglasmanufaktur Theresienthal

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Kristallglasmanufaktur Theresienthal. (Foto: Proft)
Die Mundglashütte Theresienthal kurz nach dem Bau 1836. (Repro: Haller)
Glasmacher in Theresienthal. (Foto: Proft)
Henriette von Poschinger (1844-1903). (Foto: Haller)
Glas aus Theresienthal. (Foto: Haller)
Glasmacher in Theresienthal. (Foto: Proft)
Henriette von Poschinger hat im versteckten Turmzimmer gerne gearbeitet. Zur Erinnerung steht noch heute ihre Staffelei vor dem Fenster. (Foto: Haller)

Die Kristallglasmanufaktur Theresienthal ist eine traditionsreiche Glashütte im Zwieseler Ortsteil Theresienthal, die hochwertige Kristallgläser, Vasen, Karaffen, Flaschen, Schalen und Sonderanfertigungen auf traditionelle Art in Handarbeit fertigt.

Geschichte

Gründung

Nach mehrjährigen Verhandlungen beantragte im September 1836 der aus Böhmen stammende Würzburger Glashändler Franz Steigewald jenes Thal in der Nähe von Zwiesel, Landgericht Regen, in welchem seine neu errichtete Krystallglas-Fabrik gelegen ist, „Theresien Thal“ nennen zu dürfen. Die Hütte erhielt er ein königliches Privileg und die Genehmigung, der Glashütte den Namen der Königin Therese geben zu dürfen.

Am 21. Januar 1837 wurde zwischen Franz Steigerwald und Michael Friedrich der Kaufvertrag über das Gesamtanwesen des Friedrich (Primbs) abgeschlossen, auf dessen Plan-Nummer mit dem Fabrikbau bereits begonnen war. Am 14. März wurde daraufhin eine Aktiengesellschaft der Crystall- und Glaswaaren-Fabrik Theresienthal gegründet, die am 1. Mai den Gesamtbesitz von Franz Steigerwald erwarb. Am 1. Juli trat Wilhelm Steigerwald, ein Bruder von Franz, als Mitaktionär in das Familiengeschäft ein und übernahm als Mitdirektor die technische Leitung des Unternehmens.

Mit einer kleinen Mannschaft, die überwiegend aus Böhmen gekommen war, hatte die Produktion 1836 begonnen, im Jahr 1839 waren bereits 191 Menschen beschäftigt und in der Siedlung, die sich im Theresien-Thal rund um die neue Arbeitsstätte gebildet hatte, zählte man 308 Bewohner. Steigerwald eröffnete zwei Jahre nach der Inbetriebnahme der Hütte auch ein edles Glasgeschäft in München. Die sogenannte Theresienthaler Niederlage befand sich an der Galeriestraße im Hofgarten und damit in unmittelbarer Nähe zur Residenz.

Erste Krise

Franz Steigerwald wurde im Mai 1841 von den Aktionären aus der Firma gedrängt und widmete sich fortan nur noch dem Vertrieb von Glas. Auch Wilhelm Steigerwald gab im November 1842 nach Streitigkeiten mit den Aktionären seinen Direktorenposten auf. Die Fabrik wurde daraufhin von mehreren Ausschussmitgliedern gemeinsam geleitet, die in München lebten und in Theresienthal Faktoren einsetzten. Diese waren nur am Profit interessiert, eine fachliche Kompetenz fehlte. Das führte zum Niedergang der Hütte und ein Jahr später war die Aktiengesellschaft zahlungsunfähig und es musste das Gant-Verfahren eingeleitet werden. Hauptgläubiger war dabei die Königliche Bank in Nürnberg, welche die bankrotte Manufaktur zunächst verwaltete und 1857 übernahm.

Neubeginn mit der Familie von Poschinger

Der Neubeginn kam, als am 23. November 1860 Johann Michael II. von Poschinger auf Oberfrauenau die Glasmanufaktur für 30.000 Gulden erwarb. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dieser Fabrik ihren früheren Glanz zu erhalten, formulierte er knapp und bescheiden in einem Brief an alle Kunden, die der jungen Manufaktur schon in ihrer ersten schwierigen Zeit die Treue gehalten hatten. Doch zwei Jahre nach der Übernahme kam der Hüttenherr bei einem tragischen Unfall mit der Kutsche ums Leben. Sein Sohn Michael übernahm als Erbe die Fabrik. Noch im selben Jahr 1863 heiratete der neue „Glasbaron“ Henriette Steigerwald, die Tochter von Wilhelm Steigerwald. Sie hatte unter anderem bei Franz von Lehnbach studiert und formte in der nun anbrechenden Glanzzeit Theresienthals mit ihren Entwürfen das Gesicht des Glases.

Am 11. November 1873 vernichtete ein Brand den Vorbau der Glasfabrik, wobei viel Glas verlorenging. Die Feuerwehr verhinderte ein weiteres Umsichgreifen des Feuers. 1897 übergab Michael von Poschinger die Fabrik an seinen Sohn Egon, der den Betrieb 1922 an seine beiden Söhne Egon und Hans von Poschinger weitergab. Gemeinsam leiteten die beiden Brüder den Betrieb, schufen das vielgerühmte Strohglas und führten das Werk auch während der Kriegsjahre über das Jahr 1945 hinaus.

Die Glanzzeit Theresienthals

Berühmte Gestalter entwerfen die Kollektionen; Theresienthal gewinnt zahlreiche Preise auf internationalen Ausstellungen. Bereits 1840 wurden die Gläser auf der „Allgemeinen Industrie-Ausstellung“ in Nürnberg ausgezeichnet – für „Schönheit und Gefälligkeit der Formen“ sowie „Mannigfaltigkeit und Eleganz der Ausstattung“. Auf der Weltausstellung 1867 in Paris erhält Theresienthal die Bronze-Medaille. Siebzig Jahre später, auf der Pariser Weltausstellung 1937, gewinnt Theresienthal die „Medaille d’Or“ für ein Glasservice.

Illustre Kunden bestellen bei Theresienthal: Ludwig II. lässt sein Schloss Linderhof mit einem Glasservice ausstatten. Russlands Zarenhof bestellt das edle Kristallglas, das in monatelangen Fußmärschen von Glasträgern mit Holzkraxen auf dem Rücken geliefert wurde. Und Frankreichs letzte Kaiserin Eugenie erwirbt in ihrem englischen Exil eine Uhr als besondere Kostbarkeit: Zifferblatt, Zahnräder, Zeiger – alles komplett aus Glas.

Die Liste der internationalen Geschäftspartner von Theresienthals liest sich wie ein exclusives "who is who" der Branche mit Luxusgütern: Graham & Zenger in New York, Thomas Goode & Cie., Henry Mayer & Cie. und Lazarus Rosenheer in London, Ibach & Croce in Neapel, G. Zernollin in Paris, Frostmann & Spunde in Riga, Wessel in Rom und Lobmeyr in Wien. Im späten 20. Jahrhundert kamen Tiffany in New York, Selfridges in London und zahlreiche japanische Abnehmer dazu.

Wie schon der Erste Weltkrieg war auch der Zweite Weltkrieg eine schwierige Zeit, da Kelchgläser als Luxusware galten und die Produktion sich ganz der Kriegswirtschaft unterordnen musste. Die Glasmacher, die nicht eingezogen wurden, fertigten Glasprismen für die Sehschlitze von Panzern.

Der große Glasbedarf nach dem Krieg brachte einen erneuten Aufschwung. 1951 starb Hans von Poschinger kinderlos. Sein Anteil ging auf seine Frau Beatrice, nach deren Tod auf ihren Bruder Ludwig Donle über. Um 1955 wurde der Schornstein in der Mitte der Glashütte abgebrochen und an seine jetzige Stelle versetzt. 1963 verkaufte Ludwig Donle seinen Anteil an Max Gangkofner.

Ende einer Ära und erneute Krise

Erst 1973 endete die Ära der Familie von Poschinger in Theresienthal, als Egon von Poschinger die Leitung an Max Gangkofner übergab. Gangkofner, der damalige Direktor der renommierten Glasfachschule Zwiesel, führte mit neuen Ideen die Manufaktur weiter. Er beteiligte die Porzellanfabrik Hutschenreuther mit fünfzig Prozent. Zehn Jahre später wurde Theresienthal vollständig von Hutschenreuther übernommen und das Unternehmen erhielt den neuen Namen Theresienthaler Krystall- und Pozellanmanufaktur. Als sich 1997 Hutschenreuther von dem in die Krise geratenen Betrieb trennte, erwarb Ralph Wenzel die Traditionshütte, musste jedoch 2000 Insolvenz beantragen. Ein Schweizer Investor zeigte Interesse, doch nach erneuter Insovenz 2001 wurde schließlich die Produktion ganz eingestellt. Die Versteigerungstermine 2002 und 2003 blieben ohne Ergebnis.

Es war die ehemalige Belegschaft, die sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden wollte. Sie hatten gesorgt, dass die Öfen intakt blieben, weil die Temperatur behutsam und vorsichtig nach unten gefahren wurde, sie hielten den Werksverkauf aus dem Lagerbestand am Laufen, pflegten Gebäude und Maschinen und sorgten sich um die Wiederinbetriebnahme ihres Unternehmens.

Beispiellose Rettung des Traditionsunternehmens

Auf diese Eigeninitiative und den Verantwortungssinn wurde schließlich die Eberhard von Kuenheim Stiftung, eine Stiftung der BMW AG, aufmerksam. Im Sommer 2003 begann sie gemeinsam mit zahlreichen Partnern die Voraussetzungen für den Neustart der traditionsreichen Glasmanufaktur zu schaffen. Im Juli 2004 wird die gemeinnützige Stiftung Theresienthal gegründet, die für den langfristigen Erhalt der Glasmacherkunst und des Kulturguts Theresienthal Sorge tragen soll. Die Öfen wurden wieder angeheizt: der Mythos Theresienthal kann weiterleben.

Seit April 2006 ist Theresienthal wieder in Besitz eines Einheimischen: Max Freiherr von Schnurbein - geboren in Zwiesel - wurde neuer Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Kristallglasmanufaktur Theresienthal GmbH. Die Stiftung Theresienthal als bisherige Eigentümerin hält eine Sperrminorität an der Manufaktur, um so langfristig die Bewahrung der Marke und des Geschäftsbetriebes in Zwiesel sicherzustellen.

„Die Unzerbrechlichen“

Die beispiellose Rettung des Traditionsunternehmens fand auch Niederschlag in dem Dokumentarfilm „Die Unzerbrechlichen“ von Dominik Wessely (2006). Der Regisseur erzählt dabei nicht nur eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte sonderns zeigt spannend, unterhaltsam und hautnah die Fortschritte und Rückschläge der Männer aus Theresienthal auf ihrem oft mühsamen Weg zurück in den Markt. Der Film macht den Zuschauer mit den Protagonisten vertraut, die, obwohl sie nicht immer dieselbe Sprache sprechen, dennoch das gleiche Ziel verfolgen, macht die persönlichen Geschichten hinter der Unternehmensgeschichte spürbar und die Bedeutung, die die Insolvenz und der Neustart für die Beteiligten haben. So ist dieser Film ein Lehrstück über Eigeninitiative und ein Plädoyer für partnerschaftliches Engagement geworden. Er wurde mit dem Dokumentarfilmpreis des Goetheinstituts (Duisburger Filmwoche 2006) und dem Berndt-Media-Preis (17. Kinofest Lünen 2006) ausgezeichnet. Der Film wurde auch bereits mehrmals im Fernsehen (Arte, Phönix) gezeigt.

Produkte und Design

Glas aus Theresienthal ist keine Massenware, sondern es wird nach wie vor individuell durch Handarbeit gefertigt.

Der Aufstieg Theresienthals begann im Historismus: Es entstanden mittelalterlich anmutende Trinkgläser, insbesondere „Römer“, prachtvolle Neorenaissance-Pokale oder reich verzierte Tafelaufsätze, die sich am Barock orientierten. Franz Keller-Leuzinger und Rudolf von Seitz setzten hier gestalterische Akzente. Sanft geschwungene Linien, schimmernde Motive der Pflanzenwelt, natürliche Ornamente in zarten Farben bestimmten den Jugendstil Theresienthals – die Entwürfe hierzu kamen etwa von Hans Christiansen oder Bruno Mauder. Die Neue Sachlichkeit führte Theresienthal zur strengen Linie, eröffnete jedoch gleichzeitig eine neue Welt der Sinnlichkeit: Mit ihren schlanken Stielen und ihren dünnwandigen Kelchen beeindrucken die federleichten Strohgläser dieser Zeit bis heute.

Auch die Zukunft Theresienthals entsteht aus dem Schatz der jahrhundertealten Formen und Vorlagen: eine Kollektion, die aus der Tradition geboren in die Zukunft reicht. Sie orientiert sich an den großen Epochen und kreativen Phasen Theresienthals. Wiederentdeckte Formen aus Historismus, Jugendstil und Neuer Sachlichkeit werden nur behutsam dem Stilempfinden angepasst, denn zeitloses Glasdesign verliert nie seinen Glanz. Eines wird aber immer so bleiben, wie es von Anfang an war: der unbedingte Qualitätsanspruch, mit dem in Theresienthal die Kunst des Glasmachens betreiben wird – damals wie heute.

Glasmuseum

Im Theresienthaler Glasmuseum, as in dem benachbarten Schlösschen untergebracht ist, befinden sich meisterhafte Glasobjekte aus der traditionsreichen Theresienthaler Kristallglasmanufaktur.

Bildchronik

Im Jahr 2008 erschien im Ohetaler-Verlag die Bildchronik „Theresienthal in alten Fotos mit Linie Rabenstein und Schachtenbach“. Auf 200 Seiten und mit über 300 Fotos und Kartenmaterial haben Marita Haller und Gerhard Pscheidt die Geschichte der ehemals „königlich-bayerischen priviligierten Crystallglasfabrik“ geschildert.

Literatur

Weblinks