Petzi-Hof

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Blick über den Garten auf Wohnhaus und Austragshaus (Foto: Martin Ortmeier, 2014)
Der Petzi-Hof im Freilichtmuseum Finsterau: Ansicht von Westen (Photo: Martin Ortmeier 2018)

Die Translozierung des Petzi-Hofs in das Freilichtmuseum Finsterau ist in der Freilichtmuseumslandschaft eine einzigartige Maßnahme.[1] Übertragen wurde die gesamte Hofanlage aus Pötzerreut (Gemeinde Röhrnbach, Landkreis Freyung-Grafenau) mit sieben Gebäuden: Wohnhaus, Kuhstall, Ochsenstall, Inhaus, Austragshaus (rekonstruiert), Stadel (nur Außengefüge) und freistehender Backofen.

Der Petzi-Hof repräsentiert im Freilichtmuseum Finsterau die vollbäuerliche Wirtschaftsform. Als Darstellungszeitraum wurde das Jahr 1933 gewählt, denn danach hatte der Hof keine wesentlichen Erneuerungen mehr erlebt.

Das verformungsgerechte Bauaufmaß, die Ganzteiltranslozierung der Rauchkuchl des Wohnhauses (zirka 30 t) und die Rekonstruktion der zahlreichen unregelmäßigen Gewölbe haben neue Maßstäbe gesetzt. Die Translozierung begleiteten umfangreiche historische und volkskundliche Forschungsmaßnahmen[2]

Beschreibung

Das Ensemble

Der Petzi-Hof aus Pötzerreut ist ein geschlossener Vierseithof mit sieben Gebäuden: Wohnspeicherhaus, Stallgebäude für Kühe, Schweine und Hühner, Ochsenstall, Stadel mit Obertenne, Inhaus mit Stall und Stadel, Backofen und Austragshaus. Die Dächer haben Falzziegeldeckung, bei In- und Austragshaus ist das ursprüngliche Legschindeldach rekonstruiert. Der Bauzustand entspricht dem Zustand des Anwesens um 1933.

Der Petzi-Hof im Freilichtmuseum Finsterau: Für das Tonnengewölbe mit den zahlreichen Stichkappen hat Museumszimmerer Franz Plöchinger zur Rekonstruktion im Museum bereits am alten Standort in der Fletz die Gewölbelehren vorbereitet. (Photo: Martin Ortmeier 2018)
Die kalte dürftige Magdkammer im Wohnhaus des Petzi-Hofs lässt im Freilichtmuseum Finsterau die sozialen Verhältnisse auf einem niederbayerischen Bauernhof um 1933 nachempfinden. (Photo: Martin Ortmeier 2018)

Der Hausgarten, mit Wassergrand, granitenen Zaunsäulen, außerdem Zaunlatten mit Ölfarbanstrich, enthält zum Teil noch Originalpflanzen vom Petzi-Hof; die Straße am Petzi-Hof wurde 1984 in alter Steinsetztechnik errichtet[3]; im Süden ist ein Obstgarten angelegt, eine doppelstämmige Linde ist als Hausbaum gepflanzt, neben der Straße steht eine Reihe hochstämmiger Mostobstbäume. Die Weinstöcke (1927 oder 1928) an den Südfassaden des Stadels und des Wohnhauses stammen vom alten Standort und haben sich in Finsterau auf 930 m NHN bewährt.

Der Petzi-Hof ist im Museum so eingerichtet, wie er etwa um 1933 in Pötzerreut ausgestattet war. Aus dieser Zeit haben sich fast alle Möbel, Zeitungen und Kalender, Koch- und Vorratsgeschirr, Tisch-, Leib- und Bettwäsche und die landwirtschaftlichen Geräte erhalten. Auch die Öfen, die Türen und Fenster und die Kamine stammen aus dieser Zeit. Um 1933 wirtschaftete der Bauer Josef Petzi mit seiner zweiten Frau, zwei Töchtern und drei Dienstboten auf dem Petzi-Hof. Das Inhaus war von Häuslleuten bewohnt: Der Mann ging von morgens bis abends in den nahen Steinbruch arbeiten, Frau und Kinder mussten am Hof mithelfen.

Die Gebäude

Die Nordwestecke des Hofes nimmt das Wohnhaus ein. Das Erdgeschoss ist mit Ausnahme der Stube vollständig aus Feldsteinen gemauert, das obere Stockwerk ist zu drei Vierteln in Blockbau errichtet. Nur die Westseite wurde bei einem Umbau im Jahr 1867 als Schaufassade in verputztem Ziegelmauerwerk ausgeführt. Josef Riedl hieß damals der Besitzer, er hat sich mit seinen Initialen im granitenen Türsturz über dem Hauseingang verewigt. Der Blockbau von Stube und Obergeschoss, der sich über alle Umbauten hinweg erhalten hat, stammt aus dem Jahr 1704. Das Wohnhaus des Petzi-Hofs zählte in den bayerischen Freilichtmuseen zu den ersten aus konservatorischen Gründen temperierten Bauten[4]

Die letzen Bewohner des Petzi-Hofs in Pötzerreut: Ludwig Kainz und Philomena Rodler (Foto: Martin Ortmeier/Gerti Dilling, 1984)
Der ehemalige Knecht Ludwig Kainz am „Herrentisch“ in der Stube (Foto: Martin Ortmeier/Gerti Dilling, 1984)

Den „malerischen“ Eindruck verdankt der Hof dem Schrot, der entlang der Süd- und Ostseite des Wohnhauses angebracht ist. Von der Ausstattung sind besonders beachtenswert: die kirschholzfurnierten Möbel der „schönen Kammer“, die Rauchkuchl im Kern des Wohnhauses (1987 im Ganzen übertragen), Herd, Geschirr und Mobiliar der Stube, zudem die authentische Ausstattung der „Menscherkammer“ und der Magdkammer.
Rechts vom Tor, im Süden des Anwesens, liegt das niedrige, langgestreckte Inhaus. Es war 1818 als Austragshaus errichtet worden, diente aber die meiste Zeit als Wohnung für sogenannte In- oder Häuslleute. Zuletzt war ein Kriegsgefangener, der in den vierziger Jahren als Zwangsarbeiter am Petzi-Hof tätig war, in einem pro forma verschließbaren Holzverschlag in der Stube untergebracht. Danach wurde das Haus nur noch als Werkstatt benutzt. Der Sesselofen in der Stube und die Werkstatt sind Rekonstruktionen anhand von Vergleichsbeispielen. Der Sesselofen ist ein besonderes Stück. Nach Befunden an der Wand und im Boden und nach Vergleichsbeispielen aus dem inneren Böhmer- und Bayerischen Wald wurde dieser für das 18. und 19. Jahrhundert typische Herdofen rekonstruiert. Nicht allein das Äußere des gemauerten und zum Teil gekachelten Ofens wurde nachgebildet, sondern auch sein funktionstüchtiges Innenleben mit den verwinkelten Zügen und Röhren.
An der anderen Seite des Tores schließen der Backofen und das jüngere Austragshaus an. Dieses Haus wurde um 1847 gebaut, weil im alten Austragshaus noch ein lediger Bruder des Altbauern wohnte.
Das Nordgebäude birgt Kuh-, Hühner- und Schweinestall. Ochsenstall und Stadel bilden die Ostseite des Hofes. Vor dem Wohnhaus und den Ställen verläuft eine mit unregelmäßigen Granitplatten gepflasterte, erhöhte Gred.
Vom Stadel sind nur die Außenhaut und die Auffahrt zur Hochtenne transloziert, im Inneren birgt er ein modernes, klimatisiertes Depotgebäude[5].

Im Winkel zwischen dem Kuhstall und dem Schweinestall befand sich ein zirka 10m tiefer verlandeter Brunnen. Seine Sohle wurde 1987 vom Museum archäologisch sondiert.

Geschichte

Hofgeschichte

Als „malerischer Vierseithof“ wurde der Petzi-Hof im Entwurf zur offiziellen Denkmalliste bezeichnet. Er war einer der letzten großen Höfe des Bayerischen Waldes, der ohne große Eingriffe der jüngsten Vergangenheit in seinem überkommenen Zustand erhalten geblieben ist.

Das Natursteinmauerwerk des Ochsenstalls wurde in alter Handwerkstradition wiedererrichtet. (Foto: Martin Ortmeier, 1986)
Die massive Rauchkuchel wurde im Ganzen geborgen und 1987 in Finsterau in das vorbereitete Erdgeschoss des Wohnhauses eingesetzt. (Foto: Martin Ortmeier, 1987)

Seit den späten dreißiger Jahren lag er gleichsam in einem Dornröschenschlaf<Zur frühen Hofgeschichte siehe: Georg Baumgartner und Martin Ortmeier, Freilichtmuseum Finsterau (= Bayerische Museen. Bd. 3, Hg. von der Abteilung Nichtstaatliche Museen am Bayerischen Nationalmuseum). München 1986</ref> Der alternde Bauer Josef Petzi wollte nicht übergeben, die Hoffnung, dass die älteste der drei Töchter heiraten würde, hatte sich jedoch zerschlagen.
Sie war 44 Jahre alt, als sie, nach dem Tod des Vaters, 1942 den Hof übernahm. Da war sie bereits zu sehr in den Jahren, außerdem ohne Zukunftsperspektive, als dass sie noch die Umstellung auf eine moderne, technisierte Landwirtschaft hätte wagen wollen. Deshalb blieb der ganze Bauernhof so erhalten, wie er vor der Technisierung in der Landwirtschaft landauf, landab zu sehen war. Sogar das alte, von einem gemauerten Bogen überspannte Tor, das anderswo den großen Ladewägen weichen musste, stand bis zuletzt. Die Stallungen aus dem frühen 18. Jahrhundert, mit hölzernen Decken und kleinen Fenstern, massiven Standabtrennungen aus monolithen Granitplatten, aber natürlich ohne befahrbare Futterbühne, konnten bis zuletzt ihren Dienst tun.

Von den Erben kaufte das Freilichtmuseum Finsterau 1983 Hofgebäude und Inventar. Die Dokumentation und Inventarisierung wurden 19831986 im Werkvertrag geleistet[6]. Abtragung in Pötzerreut und Wiederaufbau in Finsterau erfolgten Gebäude für Gebäude 19851988[7]

Datierungen

Türgericht aus Granit am Wohnhaus, mit Inschrift 18 JR 67 (Foto: Martin Ortmeier, 2010)
Wassergrand aus Granit, datiert 1864 (Foto: Martin Ortmeier, 2010)

Wohnspeicherhaus (1704 dendrochronologisch ermittelt, Umbau inschriftlich 1867 an einem steinernen Türgericht), Stallgebäude (18. Jahrhundert) für Kühe, Schweine und Hühner, Ochsenstall (18. Jahrhundert), Stadel (1927 laut amtlichem Baueingabeakt), Inhaus mit Stall und Stadel (inschriftlich am Firstvorkopf 1818), Backofen und Austragshaus (ca. 1847 laut Katasterplan).
Bauzustand und Ausstattung der Häuser und der gesamten Hofanlage (einschließlich Stadel) entsprechen zirka 1933.

Im Jahr 1864 wurde der Schöpfbrunnen im Hof stillgelegt. Über eine Wasserleitung wurde nun aus einer neu gefassten Quelle Wasser direkt in den Hof geleitet. Die Leitung versorgte den großen Granitwassergrand im Hof mit Fließwasser und die sog. Wasserkuchel in der Fletz des Wohnhauses.

Didaktische Erschließung

Die Räume sind, mit Rücksicht auf die Ganzheitlichkeit der Darstellung und Ausstattung, zurückhaltend mit Erläuterungstexten versehen. Im dunklen Kornkasten des Obergeschosses ist seit 2005 eine Tonbildschau eingerichtet, die unter zeitgeschichtlichem Aspekt über die jüngere Geschichte des Petzi-Hofs informiert.[8]

Literatur

  • Georg Baumgartner und Martin Ortmeier, Freilichtmuseum Finsterau, München u.a. (Verlag Schnell & Steiner) 1986 (=Bayerische Museen, Band 3), ISBN 3795407524
  • Martin Ortmeier: Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte. Passau 2009 (Dietmar Klinger Verlag), ISBN 978-3-232949-87-6, S. 38–47
  • Martin Ortmeier: Verstreute Quellen zur Gründungsgeschichte des Freilichtmuseums Finsterau. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 57 (2015), S. 219–226
  • Martin Ortmeier: Fördermaßnahmen im Freilichtmuseum Finsterau 1984–2018. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 60 (2018), S. 193–204

Anmerkungen

  1. Gewöhnlich werden in Freilicht- und Freilandmuseen komplexe Hofanlagen aus Bauten verschiedener, wenn auch eng verwandter Provenienz komponiert.
  2. Das Kurat hatten die Museumleiter Dr. Georg Baumgartner (1982–1983) und Dr. Martin Ortmeier (1984–1988) mit Fachberatung durch Michael Korte Dipl.-Ing. Univ. und Dr. Kilian Kreilinger (Abteilung nichtstaatliche Museen am Bayerischen Nationalmuseum).
  3. Martin Ortmeier, Straßenbau in historischer Technik. Bericht über ein Unternehmen des Freilichtmuseums Finsterau. In: Martin Ortmeier und Susanne Preußler. Steinreich ... Granit im Bayerischen Wald. (= Ausstellungskatalog des Freilichtmuseums Finsterau). Landshut, S 53-61
  4. Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier hat entgegen der Empfehlung der Fachberatung statt einer Gesamttemperierung eine Teiltemperierung (Stube, Kammer, Menscherkammer und im Obergeschoss die Schöne Kammer) durchgesetzt. Sie hat sich uneingeschränkt bewährt.
  5. Martin Ortmeier, Das temperierte Zentraldepot im Freilichtmuseum Finsterau. In: Museum heute. Fakten – Tendenzen – Hilfen. H. 5 (1993), S. 12–17
  6. Das Museum verfügte nicht über eigenes Fachpersonal. Bauaufmaß: Michael Korte Dipl.-Ing. Univ. – Inventarisierung: Evi Hamburger und Susanne Löschke unter Anleitung von Dr. Georg Baumgartner
  7. Konzept, Rekonstruktion, Platzierung, Ausstattung: Dr. Martin Ortmeier – Fachberatung: Konservator Dr. Kilian Kreilinger, Bayerisches Nationalmuseum Abteilung Nichtstaatliche Museen – Bauleitung: Hermann Lichtnecker Dipl.-Ing. FH (ab 1985), unter Mitarbeit von Fritz Kilger und Franz Plöchinger – Bauleitung In- und Austragshaus und Gewölbetechnik: Dr. Martin Ortmeier
  8. Tonbildschau „Der Petzi-Hof“, 2005, © Freilichtmuseum Finsterau – Konzept, Text und Regie: Martin Ortmeier – Realisierung: Dionys Asenkerschbaumer und Winfried Helm – Bildquellen: Archiv des Freilichtmuseums Finsterau, Fotografenmeister Josef Lang, Fotografin Gerti Dilling, Martin Ortmeier und Nachlässe von Adolf Haas und Dr. Maximilian Mayer – Musik: Philipp Ortmeier (Komposition Hörbeispiel „Petzi-Hof-Trio“, ort34), Stefan Pfuhler (Viola), Hartmut Caßens (Violoncello), Gerhard Baier (Akkordeon). Enthalten sind Video-Sequenzen, die 1986 von Manfred Gründler und Josef Lang am alten Standort des Petzi-Hofs erstellt worden sind.