Rottaler Pferd

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Bauer und Sohn mit ihren besten Zugpferden (auf einem Hof im oberen Rottal, um 1935)

Das Rottaler Pferd ist ein mittelschweres Warmblutpferd, das im 19. Jahrhundert im Rottal, einem landwirtschaftlichen Gunstgebiet im tertiären Hügelland Niederbayerns gezüchtet und dort vielfach als Zugtier für Feldgerät und Fuhrwerk, außerdem als Reit- und Kutschpferd verwendet wurde.

Beschreibung

Die Rasse, benannt nach dem ursprünglichen Zuchtgebiet, dem niederbayerischen Rottal, wird als „edles kräftiges Warmblut“ beschrieben. Wesentliche Merkmale[1] sind: Stockmaß 160–165 cm, „schwungvolle, raumgreifende Gänge“ und „umgänglich und charakterlich einwandfrei, robust, stark (…) und leistungsbereit“. Angestrebt werden „möglichst gedeckte Farben mit wenig Bein- und Kopfabzeichen“.

Geschichte

Rottaler Stuten und Heißen (Fohlen) gemeinsam mit Kühen auf einer Rott-Weide im Altlandkreis Pfarrkirchen, um 1925

Die Herausbildung des Rottaler Pferdes als Rasse geschah im Wesentlichen im 19. Jahrhundert. Drei Voraussetzungen begünstigten diese Entwicklung:

I. Das Rottal mit intensiver bäuerlicher Landwirtschaft hatte Bedarf an leistungsfähigen Zugtieren. Als mittelschweres Pferd war es auch „begehrt bei den Fuhrleuten der schnell wachsenden Städte, beim nimmersatten Militär und bei den reichen Gäubodenbauern, denn es war als Reittier ebenso gut geeignet wie zum Ziehen von Wägen. Als handsam und wenig schreckhaft galt es zudem, sodass es auch zum Holzreißen geführt wurde. Jüngere Tiere wurden auch dem Gäuwagl vorgespannt.“[2] D.h., es gab eine rege Nachfrage, sodass gute Verkaufserträge in die landwirtschaftlichen Betriebe flossen.

II. „Das Rottal mit seinem kleinstrukturierten Landschaftsprofil hatte nahezu perfekte Voraussetzungen für die Pferdezucht. An der Rott, auf den Flächen, die gelegentlich überschwemmt sind, fanden Pferde und Rinder Weidefläche, in den lichten Hainwäldern an den Ufern des Flusses und der zufließenden Bäche hatten sie reichlich Unterstand bei Regen und praller Mittagssonne. An den sachten Hängen des Flusstals,“ insbesondere auf den Flächen geringerer Bonität, die sich für den Weizenanbau weniger eignen, „konnte für die Tiere Heu geworben und Hafer geerntet werden. Die großen Höfe, die in der Lage waren, sich ausreichend Dienstboten zu leisten, sodass sich der Bauer der Pferdezucht widmen konnte, stehen bis heute frei auf den Anhöhen“[3] inmitten ihrer aus dem Mittelalter herrührenden Blockflur. Viele Bauernhöfe im Rottal waren wirtschaftlich in der Lage, nicht allein genügsame Ochsen, sondern Pferde aus den eigenen Erträgen zu ernähren.

III. Der im Zuge der Aufklärung modernisierte bayerische Staat förderte die bäuerliche Pferdezucht durch das Bereitstellen von Zuchthengsten, außerdem durch Beratung und Körungen. In Landshut unterhielt er für die Zuchthengste ein staatliches Landgestüt, Beschälstationen „waren seit 1768 in Weihmörting und Hörgertsham, seit 1769 in Griesbach, seit 1827 in Pocking, seit 1829 in Schwaibach, Eholfing, Weng , Gern und Aldersbach.“[4] Die Stuten wurden von den Bauern gehalten.

Nach 1955 starb das Rottaler Pferd weitgehend aus. In Niederbayern und der Oberpflaz wurden 1950 noch 102.748 Pferde gezählt, 1966 waren es (einschließlich der Kaltblüter) noch 12.447[5] Die „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen“ stuft es als stark gefährdete Nutztierrasse ein.

„Die Rottaler Zucht beruht auf die Erhaltung der original Rottaler Mutterlinie, ausgehend vom Rottaler Stutbuch, erstmals aufgelegt im Jahre 1907, erneuert 1994.“ Aktuell ist die „Zucht des Rottalers (…) eine Erhaltungszucht. Das Stutbuch wird durch den Regionalverband Niederbayern-Oberpfalz betreut, anerkannt werden alle bis 1963 ins Stut- bzw. Hengstbuch eines bayerischen Regionalverbandes eingetragenen Abstammungen.“[6]

Ideologie

Gängige Meinung über die Herkunft des Rottaler Pferdes ist: Es „wurde auf der Grundlage ungarischer Beutepferde mit arabischer Blutführung seit dem 10. Jahrhundert mit verschiedensten Einkreuzungen gezüchtet.“[7] Bereits 1968 hat Franz Stelzenberger richtiggestellt: „Diese Deutung stimmt sicher nicht (…), daß die erbeuteten Ungarnpferde die Grundlage für die Rottaler Pferdezucht gebildet hätten. Natürlich werden die Bauern die Beutepferde in ihre Ställe und Weiden geführt haben, ob sie ihnen aber beim nächsten Beutezug nicht wieder aus den Ställen herausgeholt worden waren, vermag auch niemand zu beweisen.“[8] Im Zuge des Spanischen Erbfolgekriegs haben die österreichischen Besatzer in den Jahren 1704 bis 1706 im Rottal ausnahmslos alle Pferde requiriert, sodass danach völlig neu ein geeigneter bäuerlicher Pferdebestand aufgebaut werden musste.

Erfahrung im Umgang mit Pferden, Nachzucht und Einsatz in Wald, Feld und Transport hatten die Bauern des Rottals stets. Diese allgemeine Praxis und Übung, verbunden sicherlich stets mit bäuerlichem Prestigedenken, wurde im 20. Jahrhundert, als der Pferdebestand wegen des Einsatzes von Traktoren deutlich zurückging und das Rottaler Pferd nicht weiter gezüchtet wurde, ideologisch überhöht: „Der Rottaler Bauer war seit Jahrhunderten dem Roß zugetan. Das Roß war in diesem Tal zu Hause. Die Bauern hatten einen ausgesprochenen Roßverstand“.[9]

Das Rottaler Ross (1966) von Hans Wimmer am Stadtplatz von Pfarrkirchen (Foto: Martin Ortmeier) 2021

Der aus dem Rottal stammende Bildhauer Hans Wimmer hat dem Rottaler Pferd 1966 in Pfarrkirchen ein Denkmal aus Bronze gesetzt. Waren zuvor Herrscher und Feldherren auf öffentlichen Plätzen zu Pferd als denkmalwürdig erachtet gewesen, wurde nun dem Tier selbst, als Symbol bäuerlichen Selbstverständnisses, ein Denkmal gesetzt.
„Und da steht also ein Roß auf dem Stadtplatz in Pfarrkirchen, auf einem mächtigen Ziegelsockel, 28 Zentner Bronze schwer, überlebensgroß. Einmalig in seiner herrischen Kraftäußerung und doch gebändigt in zuchtvoller Verhaltung. Es will hinausschreiten, hinunterstechen von seinem drei Meter hohen Sockel auf den Stadtplatz und dann diesen abtraben, daß die Pflastersteine dröhnen. Aber nein, es beherrscht sich, hält im letzten Augenblick inne, hebt nur noch die rechte Vorderhand, und da bremst eine Bronzeplatte diesen letzten Schritt. Auf dieser Tafel aber steht ein Spruch des 1964 verstorbenen Dichters Richard Billinger: ‚Mit dem Roß und Pferde | Gott gelobet werde.‘“.[10]

Quellen

  • Ausstellung „Das Rottaler Pferd“ 1999 im Freilichtmuseum Massing (Kurat: Dr. Martin Ortmeier, Beratung Dr. Arno Scherling)[11]

Literatur

  • Franz Stelzenberger: Ross und Rottal. Passau (Neue-Presse-Verlag), o.J. (1968). Signatur Staatliche Bibliothek Passau: S/Mlf 431 und 750/LC 22100 S824
  • Laurenz Schulz: Das Rottaler Pferd. Vielseitig und dennoch vom Aussterben bedroht. In: Herbert May und Markus Rosenberg (Hgg.). Tierisch nützlich. Der Mensch und sein Vieh. Petersberg 2023, ISBN 978-3-7319-1349-8, S. 132–143

Weblinks

Anmerkungen

  1. Quelle: Website des „Förderkreis und Freunde des Rottaler Pferdes e.V.“, abgerufen 07.07.2022, 16:44
  2. Martin Ortmeier: Seinerzeit auf dem Land. Alte Bilder von Frauenalltag und Männerwelt in Ostbaiern. Regenstauf 2018, S. 123
  3. Martin Ortmeier: Seinerzeit auf dem Land. Alte Bilder von Frauenalltag und Männerwelt in Ostbaiern. Regenstauf 2018, S. 123
  4. Franz Stelzenberger, a.a.O., S. 47
  5. Franz Stelzenberger, a.a.O., S. 44
  6. Website des „Förderkreis und Freunde des Rottaler Pferdes e.V.“, abgerufen 07.07.2022, 16:44
  7. Artikel in Wikipedia; abgerufen 2022-07-09, 20:36
  8. Franz Stelzenberger, a.a.O., S. 44
  9. Franz Stelzenberger, a.a.O., S. 45. Stelzenberger erinnert, dass im bäuerlichen Niederbayern nicht von Pferden die Rede war, sondern stets von Ross und Rössern, gesprochen im Singular wie im Plural „Roos“, das Fohlen heißt der „Heißen“, und der Plural ist auch hier gleichlautend.
  10. Franz Stelzenberger, a.a.O., S. 45
  11. Zur Ausstellung „Das Rottaler Pferd“ von 1999 hat das Freilichtmuseum Massing Akten – auch Reproduktionen historischer Photographien – unter dem Zeichen M 4.3.34 abgelegt.