Russendenkmal (Passau-Ingling)

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Die Inschrift der Gedenkstele ist in Deutsch und Russisch eingraviert (Typographische Gestaltung von Winfried Helm)

Das sogenannte Russendenkmal von Passau-Ingling wurde 2020 von einer bürgerlichen Initiativgruppe errichtet. Die Gedenk-Stele aus Corten-Stahl trägt den Namen Denkmal für die Ende April 1945 in Ingling ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen. Es steht nahe dem Ort am Rand des Neuburger Waldes, wo in den letzten Tagen des Aprils 1945 mehrere hundert kriegsgefangene sowjetische Soldaten ermordet wurden.

Geschichte

Aus Regensburg wurden am 20. März 1945 1.223 russische Kriegsgefangene zur Unterbringung und zum Arbeitseinsatz nach Passau überstellt. Am 16. Mai 1945 wurden am Rand des Neuburger Waldes bei Ingling, wo der Inn die Stadtgrenze Passaus erreicht, 107 Leichen exhumiert, nachdem dort ein Massengrab angezeigt worden war. Es gibt keinen Zweifel, dass es mehr Getötete als aufgefundene Leichen gab. Vermutlich wurden über 300 der überstellten Kriegsgefangenen dort ermordet.

Es gab einen unmittelbaren Tatzeugen, den 1912 geborenen Ukrainer Nickolai Bestushov, der einer von zwei kriegsgefangenen Soldaten war, denen die Flucht gelungen ist.

Initiative

Seit 2009 informierte neben dem Eingang zum Adalbert-Stifter-Gymnasium eine Tafel pauschal an die in Passau zu Tode gekommenen Kriegsgefangenen. Der Passauer Heimatforscher Heinz Kellermann hat mehrfach zu den Ereignissen des späten Aprils 1945 publiziert. Er hat immer wieder auf ein angemessenes und den historischen Tatsachen entsprechendes Gedenken gedrängt. 2019 hat Alois Feuerer StD a. D. das Anliegen Heinz Kellermanns aufgegriffen und eine kleine Gruppe Interessierter zusammengerufen. Am 23. September 2019 hat sich mit Alois Feuerer, Dr. Winfried Helm, Hubert Huber, Dr. Martin Ortmeier und Toni Schuberl MdL die „Initiativgruppe zur Errichtung eines Denkmals für die Ende April 1945 in Ingling ermordeten russischen Kriegsgefangenen“ in Passau konstituiert.

Am 30. Oktober 2020 wurde das Denkmal im Beisein von Repräsentanten der christlichen Kirchen, des Kulturreferenten der Stadt Passau, Dr. Bernhard Forster, des städtischen Kulturamtsleiters Horst Matschiner, außerdem Vertretern der Universität Passau und der Deutsch-russischen Gesellschaft in einem schlichten Festakt enthüllt.

Das Gedenken

Der – nach intensiver Diskussion und geschichtsfachlicher Prüfung – realisierte Text lautet: HIER WURDEN ENDE APRIL 1945 SOWJETISCHE KRIEGSGEFANGENE ERMORDET. 107 TOTE WURDEN AUFGEFUNDEN. WIR KENNEN IHRE NAMEN NICHT, ABER SIE SOLLEN NICHT VERGESSEN SEIN
ERRICHTET DURCH BÜRGERINNEN UND BÜRGER IM JAHR 2020

Die Übersetzung ins Russische verantworten die wissenschaftliche Lektorin Dr. Liubov Gordienko und Dr. Winfried Helm: ЗДЕСЬ В КОНЦЕ АПРЕЛЯ 1945 ГОДА БЫЛИ УБИТЫ СОВЕТСКИЕ ВОЕННОПЛЕННЫЕ. ОСТАНКИ 107 ИЗ НИХ БЫЛИ НАЙДЕНЫ. МЫ НЕ ЗНАЕМ ИХ ИМЕНА, НО ОНИ НЕ ДОЛЖНЫ БЫТЬ ЗАБЫТЫ
ПАМЯТНИК СООРУЖЁН ПО ИНИЦИАТИВЕ ОБЩЕСТВЕННОСТИ В 2020 ГОДУ

Weil bisher weder die Tatzeit noch die Zahl der Opfer genau ermittelt werden konnte und weil ohnehin die Namen der Ermordeten nicht dokumentiert sind, ist der Text offen formuliert. Vermieden wurden angesichts der grausamen Tat alle dramatisierenden Formulierungen und eine namentliche Würdigung der rohen Täter, die nie belangt wurden.

Gestaltung

Nahe am Ort des Massakers erinnert seit 2020 ein schlichtes Denkmal an das Schicksal kriegsgefangener Soldaten (Photo: Martin Ortmeier)

Die Initiative machte sich zur Aufgabe, eine Gedenk-Stele „in zeitgemäß moderner Formensprache“ (Alois Feuerer) zu errichten. Der Künstler Hubert Huber hat unentgeltlich Entwurf und technische Ausführung geleistet, Winfried Helm hat die Typographie gestaltet, Martin Ortmeier hat Textentwurf und Redaktion beigesteuert. Die Maße des Denkmals sind 50 x 240 x 50 cm, zur Ausführung kam Corten-Stahl in der Materialstärke 2 cm. Mit 240 cm Höhe ist das Denkmal nicht hoch aufragend, aber würdig.

Die Stadt Passau hat sich bereit erklärt, die Pflege des Gedenkortes regelmäßig zu leisten.

Literatur

  • Heinz Kellermann: Die Russenmorde in Passau und das Gedenken. Zum 75. Jahrestag am 26. und 28. April 2020, Passau (Selbstverlag) 2019
  • Martin Ortmeier: Das Russendenkmal soll Gestalt haben, in: Passauer Kunst Blätter, Nr. 66 (2020), S. 19–22
  • Heinz Kellermann: Die Endphase des Zweiten Weltkriegs in Passau. Zum 75. Jahrtag, Passau (Selbstverlag) 2020
  • Kürzel „fal“: Todesmarsch zum Neuburger Wald. In diesen Tagen jähren sich die Erschießungen von russischen Kriegsgefangenen in Ingling zum 75. Mal, in: Passauer Neue Presse, 25. April 2020, S. 32
  • Johannes Munzinger: Namenslos aber nicht vergessen. Im April 1945 wurden in Passau über 300 sowjetische Kriegsgefangene ermordet – Jetzt erinnert ein Denkmal an sie. In: Passauer Neue Presse, 31. Oktober 2020, S. 21
  • Martin Ortmeier: Bericht über die Initiative zur Errichtung eines Denkmals für die 1945 in Passau-Ingling ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen, in: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte, Geographie und Kultur Ostbaierns. 63/2021, S. 313-320, ISSN 1862-3212