Schanzer-Häusl (Böhmerwaldhof)

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Das Schanzer-Häusl im Freilichtmuseum Finsterau (Foto: Martin Ortmeier)

Das Schanzer-Häusl aus Riedelsbach, Gemeinde Neureichenau, Landkreis Freyung-Grafenau ist ein Einfirsthof mit scharschindelgedecktem Schopfwalmdach. Es wurde um 1826/40 erbaut und ist ein Böhmerwaldhaus.

Seit 2007 steht es im Freilichtmuseum Finsterau.

Beschreibung

Das Schanzer-Häusl ist ein Einfirsthof mit scharschindelgedecktem Schopfwalmdach. Es wurde in einer Streusiedlung am Rand des Böhmerwaldhauptkamms um 1826/40 erbaut. Die Stube ist in Blockbau errichtet. Keller, Kammer, Rauchkuchl und Stall sind in Natursteinmauerwerk ausgeführt. Im Museum ist das Anwesen wie am Ursprungsstandort an einem nach Süden geneigten Hang platziert, das Schopfwalmdach ist nach historischen Bildbelegen und Gefügebefund rekonstruiert.
Wegen der Hanglage ist im Stadel die Tenne von Norden her quer zum Firstverlauf als Obertenne angelegt (nach 1950). Für die Zufahrt ist über dem Tor das weit herabgezogene Dach leicht angehoben. Stall und Osen sind von der westlichen Giebelseite her erschlossen.

Dem Ensemble ist ein Bienenhaus zugeordnet. Ein einfacher Hausgarten, wie er an der Ostseite des Hauses belegt ist (angestrebt war eine Einfriedung mit Betonpfeilern und Maschendrahtzaun und eine Bepflanzung mit vorrangig der Selbstversorgung dienendem Salat und Gemüse), wurde zurückgestellt, weil im Museum die Pflege nicht sichergestellt werden konnte.[1] Die zugehörigen Hausäcker mit Kartoffeln, Kraut und langhalmigem Roggen wurden 2008 angelegt und nach der Ernte 2010 aus dem oben genannten Grund wieder aufgelassen.

Das Haus birgt eine urtümliche Rauchkuchl mit gemauertem Backofen und offenem Herd, in der Stube ist ein hellblau und weiß verkachelter Sesselherdofen rekonstruiert. Die karge Ausstattung berücksichtigt, dass kein Originalinventar erhalten geblieben war. Die Stube hatte zuletzt als Hühnerstall gedient. Die didaktische Erschließung[2] erfolgt durch mobile Kleinvitrinen, die zugleich die Ausleuchtung der Räume leisten. Raumleuchten sind darüber hinaus nur montiert, wo es die Sicherheit erfordert. Thematisiert werden Hausgeschichte, Familiengeschichte und Haustyp.

Im Dachboden sind zwei Kammern provisorisch abgetrennt, die für die älteren Kinder als Schlafplatz dienten. Diese singulären Zeitzeugnisse sind beim Wiederaufbau im Museum aus den Originalbauteilen wieder hergestellt worden.

Geschichte

Hof- und Familiengeschichte

Das Schanzer-Häusl im Jahr 1944 in der Streusiedlung Riedelsbach
Der Bauzustand zur Zeit der Dokumentation im Jahr 2000 (Foto: Josef Lang)

Die Geschichte des Schanzer-Häusls[3] umfasst weniger als 200 Jahre. Joseph Schanzer erwirbt im Jahr 1826 in Riedelsbach ein Grundstück, auf dem er zwischen 1826 und 1840 ein „Wohnhaus mit Stall und Stadl unter einem Dache“ erbaut. Das Anwesen mit dem Hausnamen „Peter-Monei“ fällt später durch Vererbung an Kathi Eckerl, geborene Schanzer. Diese vermacht Haus und Grundstück ihren Kindern Georg und Hedwig Eckerl.

1930 erfolgt ein Umbau am Haus, eine Stallerweiterung, in deren Zuge evtl. auch bereits das Dach von Scharschindeldeckung auf Ziegeldeckung umgestellt und der Schopfwalm beseitigt wurde. Der Dachumbau und der Einbau der Obertenne kann aber durchaus auch erst nach 1940 erfolgt sein. Die Geschwister Eckerl bleiben kinderlos. 1939 nehmen sie den dreizehnjährigen Nachbarsjungen Franz Schanzer auf und setzen ihn zu ihrem Erben ein. 1950 wird Franz nach Hedwigs Tod Eigentümer, 1952 heiratet er.
Die Eheleute Mathilde und Franz Schanzer bewohnen das Haus mit zuletzt zwölf Kindern, erst Weihnachten 1968 ziehen sie in einen Neubau nebenan, den die Familie Schanzer weitgehend in Eigenleistung erstellt hat.[4] Dort kommt der jüngste Sohn, das dreizehnte Kind, zur Welt. Die zehn Tagwerk große Landwirtschaft konnte die Familie nicht ernähren, Franz Schanzer ging zum Haupterwerb auf den Bau. Frau und Kinder versorgten das Vieh, vor und nach der Arbeit kümmerte sich auch Franz um Haus und Hof. Im alten Haus wurden nur noch Stall, Stadel und Stube genutzt.

Übertragung ins Museum

Das Schanzer-Häusl im Freilichtmuseum Finsterau, im Hintergrund der Hochwald nahe der böhmischen Grenze (Foto: Martin Ortmeier)
Der gekachelte Herdofen in der Stube (Foto: Martin Ortmeier)

Ein Bauernhaus des Typs Böhmerwaldhaus stand im Entwicklungs- und Ausbauprogramm (1987) des Freilichtmuseums Finsterau. Im Oktober 1999 eröffnete sich die Möglichkeit, eines der wenigen im inneren Bayerischen Wald erhaltenen Häuser dieser Art zu bergen, das kleinbäuerliche Wohnstallstadelhaus mit dem Hausnamen „Schanzer-Häusl“ aus Riedelsbach. 2000 erfolgten Dokumentation und Abbau in Riedelsbach, außerdem die Einlagerung im Freilichtmuseum Finsterau. [5] Höhepunkt der Bergung war am 17. Mai 2000, als die Blockbaustube des Riedelsbacher Hauses samt Bohlen-Balkendecke von ihren Fundamenten gehoben und unzerlegt nach Finsterau transportiert wurde. Die Ortsdurchfahrt von Oberndorf bei Freyung und die Zufahrt zum Museum überwand die mehr als fünf Meter breite Ladung nur mit wenigen Zentimetern Spielraum.[6]

Der Wiederaufbau verzögerte sich[7], 2005 bis 2007 gelang er schließlich.[8]

Ein nüchterner Glaskubus (unter der Tennbrücke) für die Museumstechnik und eine Filmprojektion im Ausstellungsbereich (im Osen des Stadels)[9] und eine Erschließungstreppe sind in den Stadel eingebaut. 2015 wurden in den Stadel Teile der Sonderausstellung „Alles aus Holz – Geschichten von der Hausindustrie im Bayerischen Wald“[10] dauerhaft eingebracht, 2020 wurden in der Stube Ansätze zu einer historischen ganzheitlichen Raumausstattung unternommen.

Literatur

  • Martin Ortmeier: Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte. Passau 2009 (Dietmar Klinger Verlag), ISBN 978-3-232949-87-6, S. 38–47
  • Martin Ortmeier: Fördermaßnahmen im Freilichtmuseum Finsterau 1984–2018. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 60 (2018), S. 193–204

Anmerkungen

  1. 2020 wurde ein Gärtchen mit einer didaktisch begründeten Bepflanzung angelegt.
  2. Quelle zur didaktischen Erschließung: Archiv des Freilichtmuseums Finsterau: Az. F 7.2.13.6.3
  3. Siehe dazu Martin Ortmeier, ’'Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte’’, 2009, S. 82–89
  4. Zur jüngeren Familiengeschichte siehe: Martin Ortmeier, Herent und drent. Alte Bilder aus dem Bayerischer Wald und dem Böhmerwald, Regenstauf 2018, ISBN 978-3-95587-061-4, S. 74–75
  5. Publikation des Freilichtmuseums Finsterau unter „Forschung und Bildung“: „Ein Böhmerwaldhof fordert das finanzielle und personelle Engagement des Museums [1]
  6. Photodokumentation von Josef Lang im Archiv des Freilichtmuseums Finsterau: Az. F 7.2.13.5
  7. Zu den Bemühungen um eine Finanzierung und öffentliche Förderung siehe: Martin Ortmeier, Fördermaßnahmen im Freilichtmuseum Finsterau 1984–2018’’, 2018, S. 197–198.
    Erst als im Zuge der bayerischen Verwaltungsreformen unter Staatsminister Erwin Huber 2005 die Landwirtschaftsämter bei den Bezirksregierungen aufgelöst wurden, erfolgte nach jahrelangem vergeblichen Anrennen binnen weniger Wochen ein positiver Förderbescheid durch die Regierung von Niederbayern.
  8. Historisch-analytisches Aufmaß Walter Kuhn Dipl.-Ing. FH – Photodokumentation Josef Lang – Bauhistorische Beratung Ing. David Mičan – Konzept, Platzierung, Entwurf Glaskubus, Ausstattung, didaktische Erschließung und Förderwesen: Dr. Martin OrtmeierBauleitung Fritz Kilger und Franz Plöchinger
    Förderung der Abtragung aus LEADER II-Mitteln der Europäischen Union und der (bayerischen) Landesstelle für die Betreuung der Nichtstaatlichen Museen; Förderung des Wiederaufbaus und der didaktischen Erschließung unter dem Titel „Auf dem Weg zu den Böhmerwaldhöfen“ aus LEADER+-Mitteln der Europäischen Union und aus Mitteln des Kulturfonds‘ Bayern
  9. Entwurf Dr. Martin Ortmeier, Realisierung Andreas Hart und Schüler der Fachschule für Glasbautechnik Vilshofen
  10. Die Ausstellung fand 28. Juni–31. Oktober 2014 im Freilichtmuseum Finsterau statt; Kurat-Kooperative: Jasmin Beer M.A., Johanna Fendl M.A., Rosemarie Frank, Konrad Obermeier, Dr. Martin Ortmeier