Schrot

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Der brüstungslose Schrot vor dem Giebel des Waldlerhauses in Auerspergsreut (Landkreis Freyung-Grafenau) ist die reine Ausformung als Wirtschaftsraum. Der Zargenmacher Josef Rosenauer hat den Schrot zum Luftrocknen der frischen Zargenrollen genutzt. (Bildarchiv Martin Ortmeier)
Auf dem „Hausschrot“ des niederbayerischen Vierseithofs nahe Kößlarn (Landkreis Passau) konnte der Bauer von der Diele aus seinen ganzen Hof trockenen Fußes begehen. (Bildarchiv Martin Ortmeier)

Die offene Laube (Balkon) am in Holzblockbau errichteten Bauernhaus wird Schrot (bairisch Schroud) genannt. Begriff und Bauform beschränken sich auf den altbayerischen Raum, wo der Kantholzblockbau bis in das ausgehende 19. Jahrhundert beheimatet war.

Geschichte

Der Kantholzblockbau alpenländischer Tradition, wie er sich in Teilen Bayerns, Österreichs und Böhmens als vorrangige Bauweise durchgesetzt und hoch entwickelt hat, findet seine repräsentativste Ausformung in einem Schrot, der sich über die ganze Hausbreite hinzieht. Die Brüstung dieses Schrots ist am Höhepunkt und in der Spätzeit seiner Entwicklung mit gedrechselten, geschnitzten oder ornamental gesägten Bauteilen ausgestattet. An einigen in älteren Lichtbildern dokumentierten Waldlerhäusern können wir primitive Frühformen des Schrots als Wirtschaftsraum belegen, im Rottaler Bauernhaus finden wir ihn als integraler Bestandteil des Blockbaus und in seiner ästhetischen Ausformung vollendet.

Der Schrot wurde zunächst von außen bedient, über Treppen, mobile Leitern oder Böcke oder von der Brücke eines Wagens aus, später auch über eine Türe aus dem Dachboden, später aus dem Flur des Obergeschosses. Dann allerdings musste einem Absturz vorgebeugt werden, ein Brüstungsriegel wurde angebracht. Nach Bedarf wurde zwischen diesem Riegel und dem Fußriegel ein Verschlag angenagelt oder in Nute eingesteckt. Ab diesem Punkt der Entwicklung – nämlich der Einführung eines Brüstungsfüllung zwischen Fuß- und Brustriegel des Schrots – eröffnete sich die Möglichkeit, über den praktischen Bedarf hinaus Schmuckelemente einzubringen. Die Brüstungsbretter wurden ornamental gesägt oder farbig gefasst, nach barocken Vorbildern wurden die Bretter manchenorts durch gedrechselte Baluster ersetzt. Vor allem Sägedekor nach Mustern des Historismus wurde im fortgeschrittenen neunzehnten Jahrhundert beliebt. Lyraornamente, Wappentiere, religiöse Symbole, Vierpässe und anderes Gotisierendes, außerdem Initialen und Jahreszahlen sind in Lichtbildern belegt.

Manche ländlichen Hausformen, die sich im neunzehnten Jahrhundert ausgeprägt haben, sind durch eigentümliche Varianten des Schrotes ausgezeichnet. Im Raum Dingolfing-Landau ist ein „umlaufender“, also von der Giebelseite bis über eine Traufseite weitergeführter Schrot vor dem Obergeschoss landschaftstypisch, meist zugleich mit einem giebelseitigen Oberbodenschrot, der seitlich mit Verschlägen versehen ist. Das Rottaler Bauernhaus hat gewöhnlich keinen traufseitigen Schrot, dafür zwei giebelseitige übereinander.

Mit der Ablösung des Blockbaus durch den Mauerbau, außerdem veränderten Wirtschaftsformen in der Landwirtschaft, verschwand auch der Schrot als luftiger Lagerraum ebenso wie als bauliches Gestaltungselement. An manchen gemauerten Häusern des fortgeschrittenen 19. Jahrhunderts ist ein Schrot noch belegt, er wurde aber sehr schnell abgelöst durch einen kleinen Balkon bürgerlichen Musters, gewöhnlich mit Stahlbrüstung. Enge, in die Mauerflucht zurückspringende gemauerte Lauben wurden ab 1900 Mode, aber sie haben sich weder als Repräsentationselement noch als Aufenthaltsraum und auch nicht als Wirtschaftsraum im hier untersuchten Verbreitungsgebiet bewährt.

An städtischen Quartiershäusern hatte der den Wohnräumen vorgelagerte Balkon am Stockwerksbau als Pawlatsche Erschließungsfunktion. Gewöhnlich war die Pawlatsche, mehrfach übereinander konstruiert, zugleich außenliegender Flur und Stiegenhaus. Vielfach war sie nur als Holzgerüst vorgesetzt an einen Mauerbau. Abtritte waren in Verschlägen untergebracht, wenn von dort aus über hölzerne Fallschächte ein Gerinne in der Gasse oder ein Quartiersbach erreicht werden konnte. In eng bebauten Dörfern der karnischen Alpen waren den mehrstöckigen gemauerten Häusern, in denen es auch Stockwerkseigentum gab, pawlatschähnliche hölzerne Laubengänge vorgebaut, die auch der Trocknung von Feldfrüchten dienten. Am Böhmerwaldhaus, dessen Charakteristikum das scharschindelgedeckte Schopfwalmdach ist, finden wir unter dem „Schopf“ den Schrot des eng verwandten Waldlerhauses durch seitliche Verbretterungen zu wind- und regengeschützten Lauben ausgebaut.

Die Marxensölde im Freilichtmuseum Massing trägt am traufseitigen Schrot die Inschrift 1885, die Initialen BM – für den Eigentümer Bartholomä Maier– und das bayerische Wappen. (Photo: Martin Ortmeier)
Das Böhmerwaldhaus in Sankt Oswald hatte unter dem sogenannten Schopfwalm einen Schrot, dessen Brüstungsriegel für das Beschicken des Dachbodens unterbrochen war. (Bildarchiv Martin Ortmeier)
Der Schrot am Kappl-Hof aus Trautmannsried weist die regionstypische Mittelsäule auf. (Photo: Martin Ortmeier)

Beschreibung

Der Schrot ist eine (nicht unterbaute) Altane (Balkon) an einem Wohnhaus oder einem Wirtschaftsbau, er ist eine offene Laube vor einem Obergeschoss. Er dient der Erschließung oberer Geschosse, also der dort untergebrachten Vorrats- und Wohnräume, außerdem als luftige regengeschützte Lagerfläche, zum Aufstellen von Bienenkästen oder -körben und Vogelbauern und zum Einbau von Taubenverschlägen.

Nur am Holzblockbau gibt es den Schrot im oben beschriebenen Sinne. Denn die Tragbalken dieses Balkons, der an der Süd- oder/und Westseite – nach örtlicher Möglichkeit halt an einer der Sonne zugewandten Seite – einem Obergeschoss vorgesetzt ist, sind verlängerte Vorköpfe überkämmter Wand- und Deckenbalken des Blockbaus. Der Kastenverband des Blockbaus gibt diesen Konsolen die erforderliche Statik. Der Blockbau aus vierkant behauenen Nadelholzstämmen und das schwach geneigte, mit Legschindeln eingedeckte Satteldach sind der wesentliche Rahmen des bautechnischen Gefüges der hier behandelten Bauten. Spätestens im 17. Jahrhundert sind beide technisch vollkommen ausgebildet.

Am Rottaler Bauernhaus sind die systematischen Zusammenhänge der Bauteile, das perfektionierte Gefüge des Blockbaus gut ablesbar: Die Konsolen der Schrote springen an den Ecken und bei den Zwischenwänden aus der Naht der Schrote und Eckverzinkungen hervor, die aussteifenden Säulen des „Hausschrots“ vor dem Obergeschoss sind an den Konsolen des „Oberbodenschrots“, der dem Giebelfeld vorgebaut ist, befestigt. Eine (gelegentlich beschnitzte) mittige Schrotsäule kennzeichnet das Bauernhaus in den niederbayerischen Regionen Altlandkreis Bogen und (teilweise) Landkreis Regen.

Begriff

Der Name Schrot leitet sich ab vom Begriff schroten/schröten, welcher schneiden/abschneiden bedeutet. Der Schrot am Blockbau ist also eigentlich die Stirnholzschnittfläche, die sich von den Zwischen- und Umfassungswänden an der Fassade des Blockbaugefüges abzeichnen. Dieser Schrot ist im systematischen Blockbau wie eine senkrechte Naht sichtbar. Gelegentlich wurde er ornamental oder motivisch ausgebildet, dann ist von einem Klingschrot die Rede.

Der Schrot im Begriff für die nicht unterbaute Altane (Balkon) meint also den Raum vor der Fassade, der dort verfügbar wird, wo ein Gefügebalken nicht wandbündig abgeschnitten ist und auch länger vorkragt als ein Balkenvorkopf, sodass mit Brettern eine Brücke daraufgelegt werden kann. Richtig wäre es also, von einem Vorschrot (bairisch: Füaschroud) zu sprechen, wie es im inneren Bayerischen Wald noch bis in die 1980er Jahre bei Landzimmerern zu hören war; also: Füaschrout in Analogie zu Füafetzen (derbe Vorbindeschürze) und Füabenk (lose Vorbank am Stubentisch im Gegensatz zur festen wandseitigen Umlaufbank).

In der Wander-Ausstellung „Pracht – Prunk – Protz. Luxus auf dem Land“ der ARGE Ausstellung Süddeutscher Freilichtmuseen wurde der Schrot 2008 erstmals systematisch beschrieben und an Bauteilrelikten aufgezeigt.

Literatur

  • Ludwig Degen: Motive zu ornamentalen Zimmerwerken dargestellt für Bauhandwerker und als Vorlegeblätter für technische Schulen, VIII. Heft, Eine Kegelbahn und ein Landhaus mit Details (enthält auch Muster für Brüstungsbretter). München, um 1875
  • Martin Ortmeier: Glump und Gloria. Die Rekonstruktion eines niederbayerischen Kleinbauernhauses. In: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Volkskunde. Bd. 29, S. 134-150. Passau 1987
  • Martin Ortmeier: Bauernhäuser in Niederbayern. Passau 1989
  • Martin Ortmeier (Hg.): Bauernhäuser in Südböhmen – Jihočeská lidová architectura. Passau 1992
  • Martin Ortmeier: Die schönsten Bauernhäuser des Rottals. Zeugnisse bäuerlicher Vergangenheit. Waldkirchen 2002
  • Martin Ortmeier: Der Schrot am Bauernhaus. Vom luftigen Wirtschaftsraum am Blockbau zum Schaubalkon. In: Martin Ortmeier (u.a., Hg.). Pracht – Prunk – Protz. Luxus auf dem Land, S. 151-166, Finsterau 2009