Stadtbrand 1662 (Passau)
Der Stadtbrand vom 27. April 1662 war einer der katastrophalsten Brände in der Geschichte von Passau. Als Folge dieses Brandes wurde die Passauer Altstadt seit 1664 von italienischen Handwerkern wiederaufgebaut. So ist das südländische Ambiente der Gassen zu erklären – und macht deutlich, warum Passau auch „Bayerisch-Venedig“ genannt wird.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Brandverlauf
Der Stadtbrand breitete sich aufgrund der engen, verwinkelten und vor allem auf Holz basierenden mittelalterlichen Bauweise in rasender Schnelle aus. Die Altstadt und der Stephansdom brannte beinahe zur Gänze nieder, genauso wie die Studienkirche. Die Innstadt und das Kloster Mariahilf, sowie der Neumarkt wurden ebenso ein Raub der Flammen. Einzig der westliche Teil des Neumarkts, der Anger und St. Nikola wurden nicht erfasst. Aus einem Situationsbericht, der vermutlich dem Domherrn Johann Georg Graf von Herberstein zuzuschreiben ist, geht hervor, dass die wechselnden Winde aus verschiedenen Richtungen für die rasche Ausbreitung des Feuers verantwortlich waren. Als eine Art Windkanal scheinen die Hauptstraßenrichtung in der Ost-West-Achse fungiert zu haben.
Opfer und Schäden
Bei diesem Stadtbrand starben vermutlich mindestens 200 Menschen – was etwa vier Prozent der damaligen Gesamtbevölkerung entsprechen würde. In den engen Gassen mit ihren dicht an dicht stehenden Häusern, mit ihren Holzdächern und Holzerkern breitete sich der Brandherd mit rasender Geschwindigkeit aus. Insgesamt wurden von 890 Gebäuden jedenfalls 643, mithin drei Viertel, durch das Feuer zerstört – darunter auch der Stephansdom. Ohne Schaden blieben 247 Gebäude. Gerettet wurden die Stadtkasse, das Stadtarchiv und die Pulvervorräte. In der Altstadt war kein Haus unbeschädigt geblieben, im Neumarkt sind 176 Häuser und in der Innstadt 71 verbrannt, nur die Ilzstadt wurde verschont.
Unter den zahlreichen Toten befand sich unter anderem auch Wolfgang Lehner, der Stadtpfarrer von St. Paul. Einem Augenzeugenbericht zufolge fand man von ihm nur noch seinen Esslöffel, den er stets bei sich getragen hatte.
Die ersten Sicherungsmaßnahmen nach der Katastrophe betrafen die Stadtmauern und Tore, um Plünderer abzuhalten. Das Domschiff wurde provisorisch abgestützt, brach aber bald endgültig zusammen. Spätere Chronisten haben zwar von Brandstiftung gemunkelt, doch seinerzeit ging die Obrigkeit solchen Gerüchten nicht weiter nach. Übereinstimmend wurde nur festgestellt, dass der Brand vom St.-Johannis-Spital seinen Ausgang genommen hatte.
Brand des Stephandsoms
Am Dom St. Stephan verbrannte zunächst das Holzwerk des Dachstuhls und seiner Turmbekrönungen. Durch die zersprungenen Fenster drang das Feuer in das Innere und zerstörte die Altäre sowie das spätgotische Chorgestühl. Die steinernen Gewölbe hielten stand, doch nach einer Musketensalve, welche die Bürgerwehr am Fronleichnamstag am Domplatz abschoss, brachen das Mittelschiffsgewölbe und ein Teil des Seitenschiffes zusammen. An der von Domdekan Hektor von Schadt angeordneten Schutträumung beteiligte sich die ganze Bürgerschaft. Ein Maurermeister namens Wolf Sakkra übernahm die Sicherung des Bauwerks und besonders der Vierungskuppel.
Folgen
Mit der Einsetzung von Wenzeslaus Graf von Thun als Fürstbischof anno 1664 begann der systematische Wiederaufbau von Stadt und Dom, wozu 1668 der italienische Baumeister Carlo Lurago berufen wurde. Dabei kam es bereits 18 Jahre nach dem verheerenden Brand – und damit noch bevor man die Stadt vollständig wiederaufbauen konnte – im Jahr 1680 zu einem erneuten Stadtbrand.
Zum Wiederaufbau der Bürgerstadt wurden 1662 und 1681 (also jeweils nach den beiden Bränden) strenge Bauvorschriften erlassen. Sie schrieben die „Salzburger und Linzer Form der Dächer“ vor. Damit waren Giebeldächer hinter hochgezogenen Fassaden und Brandmauern gemeint, die einen eventuellen Brandfall auf ein Haus beschränkten und die Umgebung unbehelligt ließen. Die so genannte Inn-Salzach-Bauweise mit ihren barocken Fassaden und dem italienischen Erscheinungsbild bestimmt seitdem das Stadtbild. Wobei es sich um eine barocke Überformung handelte, denn in der Regel sind die Gewölbe und Außenmauern aus gotischer, zum Teil aus romanischer Zeit erhalten geblieben. In der Wissenschaft noch nicht geklärt ist, von wem diese zukunftsweisenden und für die Stadtplanung so bedeutenden Bauverordnungen formuliert wurden, ob sich die Stadt oder die Regierung als Urheber des in italienischem „Barocco“ erstrahlenden Stadtbilds rühmen kann.
Gedicht zum Stadtbrand
Der Passauer Dreiflüsseschreiber Paul Uhl verfasste folgendes Gedicht zum Passauer Stadtbrand von 1662:
- Nun spreche ich – ich bin das Feuer!
- – Das Dach aus Schindeln? – Das ist gut!
- Ich springe auf die Nachbarhäuser,
- vernicht’ die Mauern mit der Glut.
- Und mit dem Winde, meinem Helfer,
- da zünde ich die Altstadt an,
- die Innbrück’ und den Dom genauso –
- weil aufhalten mich niemand kann!
- Die Funkenschar, die lass’ ich fliegen,
- zur Innstadt rüber. – Und schon bald
- brennt Haus um Haus dort, und dann hol’ ich
- Mariahilf – und auch den Wald…
- Mir ist nichts heilig, ich vernichte
- die Nonnen, Priester, Mann für Mann,
- das Kloster, Kirchen, Heiden, Christen,
- die Sünder, Brave, Kinder
- dann…
- Nach Tagen wurde erst berichtet:
- Zweihundert Menschen waren tot,
- der größte Teil der Stadt vernichtet
- und weithin war der Himmel
- rot!
Jubiläum 2012
Dem Stadtbrand von 1662 widmete sich 2012 auch eine der über 200 Veranstaltungen der Jubiläumsfeierlichkeiten zu 350 Jahre Barockstadt Passau: In Erinnerung an den 27. April 1662 fand am 27. April 2012 zwischen 14 und 16 Uhr eine Gedenkfeier am Rathausplatz statt. Dabei wurde in einem Kessel vor dem St.-Johannis-Spital, von wo aus sich der Stadtbrand einst ausgebreitet hatte, symbolisch ein Feuer gelegt. Weil dies gegen 14 Uhr nachmittags geschah, läuteten um diese Zeit die Glocken des Doms und der Altstadtkirchen. Die Königlich privilegierte Feuerschützen-Gesellschaft Passau feuerte Schüsse ab, die daran erinnern sollten, wie die Kanonenschüsse von der Veste Oberhaus die 7.000 Passauer einst vor dem Feuersturm warnten.
Siehe auch
Literatur
- Herbert Schindler: Der St. Stephans-Dom in Passau. Ein Denkmal der europäischen Kunstgeschichte. In: August Leidl (Hg.): Der Passauer Dom. Festschrift zur Vollendung der ersten Gesamtinnenrenovierung seit dem barocken Wiederaufbau, Passau 1980
- PNP: Passau – ein Phoenix aus der Asche. In: Passauer Neue Presse vom 07.04.2012 (S. 24)
- PNP: Heute vor 350 Jahren brannte Passau. In: Passauer Neue Presse vom 27.04.2012 (S. 18)
- Franz Danninger: Böller erinnern an 350 Jahre Stadtbrand. In: Passauer Neue Presse vom 25.04.2012 (S. 19)
- Elke Zanner: Feuer! In: Passauer Neue Presse vom 28.04.2012 (S. 18)
Weiterführende Literatur
- Herbert W. Wurster: Phönix aus der Asche. Brand und Barockstadt – Passau 1662. In: Franz-Reiner Erkens (Hrsg.): Nur Eitelkeit auf Erden? Das Zeitalter des Barock an der bayerisch-österreichischen Donau. Veröffentlichungen des Instituts für Kulturraumforschung Ostbaierns und der Nachbarregionen Nr. 67, Passau 2013 (S. 8-24)
- Herbert W. Wurster: Das Bild der Stadt Passau. Von den Anfängen bis zum Untergang der mittelalterlichen Stadt im Brand von 1662. In: Herbert W. Wurster, Max Brunner, Richard Loibl, Alois Brunner (Hrsg.): Weißes Gold. Passau – Vom Reichtum einer europäischen Stadt. Katalog zur Ausstellung von Stadt und Diözese Passau im Oberhausmuseum Passau 6. Mai bis 1. Oktober 1995, Passau 1995 (S. 139-166)
Weblinks
- Kleine Chronik der Innstadt (mit Infos zu den Stadtbränden der Jahre 1662 und 1809)