Wenzel Hollar

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Wenzel Hollar in einer zeitgenössischen Radierung nach Jan Meyssens.

Wenzel Hollar (* 13. Juli 1607 in Prag; † 25. März 1677 in London), auch Wenceslaus oder Václav Hollar genannt, war ein böhmischer Zeichner und Radierer. Anfang Juni 1636 verbrachte Hollar im Rahmen einer Mitteleuropa-Expedition drei Tage in Passau und fertigte in seiner Funktion als Reisezeichner vom geankerten Schiff aus sowie vom Kloster- und vom Mariahilfberg aus mehrere Handzeichnungen der Stadt Passau an. Die Stadtansichten zählen zu den detailliertesten und wichtigsten Dokumenten des 17. Jahrhunderts und dokumentieren die Stadt Passau detaillegetreu vor dem verheerenden Stadtbrand von 1662.

Leben und Wirken

Anfangsjahre

Hollar wurde im Jahr 1607 in Prag als ältester Sohn des Johann Hollar von Prachen und dessen Frau Margharetha, geb. Löw von Löwengrün und Bareyt, geboren. Johann Hollar war Kammerbeamter, dann Registrator und schließlich Depositor an der königlichen Landtafel. Über 30 Jahre lang diente er vier böhmischen Herrschern: Rudolf II., Mathias, Friedrich von der Pfalz – dem Winterkönig – und Ferdinand II. Der Sohn Wenzeslaus war zum Juristen bestimmt. Er sollte die glänzende Laufbahn des Vaters einschlagen, zeigte aber schon sehr früh außerordentliches Talent im Miniaturenzeichnen und Illuminieren.

Ob er katholisch oder evangelisch war ist eine Streitfrage. Vermutlich gehörte die Familie der katholischen Kirche an, da sein Vater sonst keine Karriere in kaiserlichen Diensten hätte machen können. Und er hätte wohl auch kaum 1677 auf dem katholischen Friedhof St. Margarete, Westminster, beerdigt werden können. Seine Muttersprache war sicher tschechisch, wie die Beschriftung vieler früher Blätter beweist. Dann wählte er lateinische, auch deutsche und später englische Beschriftungen. Er selbst bezeichnete sich als „Bohemus“.

Lehrjahre und erste Reisen

Als Zwanzigjähriger verließ er Prag und begab sich zum damals künstlerisch und technisch besten Verlagshaus, Matthäus Merian in Frankfurt am Main. Nach den Lehrjahren, in denen er aber schon die anspruchsvollsten Veduten auf Reisen zunächst zeichnete und dann in Radierungen umsetzte oder von Kupferstechern stechen ließ, ging er 1629 nach Straßburg, wo er schon selbstständig für den Verleger Heyden arbeitete und drei Jahre blieb. 1630 radierte er das Straßburger Münster. 1632 übersiedelte Hollar nach Köln. Hier arbeitete er wieder für Merian, aber auch für andere, insbesondere für Hogenberg. Er bearbeitete nun die verschiedensten Themen. Landschaften und Architektur genügten ihm nicht mehr. Er wagte sich an Figuren und zeichnete z.B. einen weiblichen Akt, der ihm viele Jahre später als Vorlage für eine Nymphe diente, so wie er viele Dinge, die er mit seiner Feder zeichnete, erst nach Jahren auf die Kupferplatte radierte, eben wenn die Zeit für die Vervielfältigung und Veröffentlichung gekommen war.

Bekanntschaft mit dem Earl of Arundel

In Köln wurde im Jahr 1636 Lord Thomas Howard, Earl of Arundel and Surrey, auf Wenzel Hollar aufmerksam. Dieser nahm den Zeichner mit auf seine aktuelle Reise, die ihn durch halb Mitteleuropa und unter anderem auch nach Passau bringen sollte. Auftrag des Lords, legatus extraordinarius des englischen Königs Karl I., war, von Kaiser Ferdinand für den ältesten Sohn des geschlagenen böhmischen Königs Friedrich von der Pfalz, des Winterkönigs (†1632), die Pfalz zurückzuerbitten. König Karls Schwester war die Frau des Winterkönigs.

Arundel war ein bedeutender Kunstmäzen und wohl der größte Kunstsammler seiner Zeit in England. Er besaß unter anderem Gemälde von Jan van Eyck, Dürer, Mantegna, Raffael, Corregio, Leonardos Zeichnungen, Entwürfe von Pokalen und andere Kunstgegenstände. Die Bekanntschaft mit Arundel sollte für Hollars weiteres Leben entscheidend sein.

Wie Arundel auf Hollar aufmerksam geworden ist, ist nicht überliefert. Vielleicht hat er ihn in der Hogenbergschen Offizin, die er sicher aufsuchte, kennengelernt. Jedenfalls engagierte Arundel ihn als Reisezeichner und beauftragte ihn, während ihrer Reise alle bemerkenswerten Orte, Städte und Landschaften zu zeichnen und später Radierungen nach diesen Skizzen anzufertigen. Zu diesem Zeitpunkt war Hollar auf der Höhe seiner Schaffenskraft und hatte schon eine reiche Berufserfahrung hinter sich.

Expeditionsreise durch Mitteleuropa

Beginn

Die Reise mit Arundel begann von Köln ab auf von Pferden gezogenen Schiffen, den Rhein hinauf durch Kriegsgebiet an zerstörten Brücken vorbei. Über Frankfurt, Würzburg, Nürnberg, Regensburg und Straubing verlief die Reise in Richtung Passau; hier verbrachte man drei Tage und fuhr am 4. Juni 1636 weiter.

William Crowne, der Chronist der Reise, und Wenzel Hollar scheinen sich nicht gut verstanden zu haben. Sie verständigten sich nicht über eine gemeinsame Benennung der durchfahrenen Orte und es kam nach der Reise auch zu keinem illustrierten Buch, obwohl das nahegelegen hätte. Einige Blätter, die Hollar nach der Reise radierte, scheinen für eine Veröffentlichung in Buchform vorbereitet gewesen zu sein, da sie alle dasselbe Format und dieselbe Umrandung haben.

Zeichnungen

Hollar zeichnete ungeheuer schnell und teilweise auf dem fahrenden Schiff. Manchmal lavierte er mit der Zeichentusche, ab und zu aquarellierte er zart farbig in blau, grün oder rosa. Wenn angelegt wurde, zeichnete er gerne ein Motiv mehrfach, aus verschiedenen Perspektiven oder mit unterschiedlichem Genauigkeitsgrad als Umrissskizze und genauer mit allen Einzelheiten, wie bei den Blättern von Donaustauf und Rannariedl. Auf einem Blatt, das die Reiseschiffe zeigt, bildete sich Hollar selbst ab, stehend zeichnend und auf dem Dach der Schiffskabine. Die Umsetzung auf die Kupferplatte mit der Radiernadel nahm er erst nach Beendigung der Reise im Atelier vor. Hollar zeichnete unglaublich präzise und war doch inspirierter Künstler. Seine Auffassung von Städten und Landschaften war eine ganz ideale, aber er vereinte damit die genaueste Wiedergabe der Realität.

Dreimal zeichnete Hollar Donaustauf und einmal radierte er es. Er zeichnete Wiedt, Pfatern und radierte es später; Wüntzen (Oberwinzer), Deggendorf mit Brücke und den Arundelschen Schiffen im Vordergrund, Niederaltaich, eine nicht mehr auffindbare mehrtürmige Burg, die er „Püllingen“ bezeichnete sowie reine Donaulandschaften mit dem Schiffszug, wobei er nie die St. Georgsflagge Arundels vergaß. Bezaubernd ist die Ansicht Vilshofens von Osten. Die hohe Stadtmauer, die gotischen Türme, der Zusammenfluss von Donau und Vils, Schiffe auf dem Wasser und Vögel am Himmel geben ein poetisches Bild tiefsten Friedens, während die Ansicht von Westen die kriegszerstörte Donaubrücke im Vordergrund zeigt.

Ansichten von Passau

Drei kleine und drei großformatige Federzeichnungen von Passau fertigte Wenzel Hollar in nur wenigen Tagen an, aus denen er später Radierungen gestaltete.

  • Eine winzige genau ausgeführte Federzeichnung, 3,5 cm hoch und 5,2 cm breit in schwarz, zart grau, grün und rosa aquarelliert, das Oberhaus und Niederhaus darstellend.
  • Ein seitenverkehrter Abklatsch (Vorbereitung zur Radierung), 4,2 cm hoch und 4,7 cm breit, ebenfalls das Oberhaus und Niederhaus mit Salvatorkirche darstellend, trägt die unidentifizierbare Beschriftung „Wierssy“.
  • Eine Ansicht von Osten vom Schiff aus, 2,7 cm hoch und 6,8 cm breit, schwarze Feder über schwarzem Stift, zart grau, grün und rosa aquarelliert, zeigt das türmereiche mittelalterliche Bild Passaus. Zu sehen sind hinter spitzgiebeligen Bürgerhäusern der gotische Dom, die Türme von Niedernburg, der Rathausturm aber auch das den Geist der Renaissance atmende Gymnasium Leopoldinum, mit dessen Bau 1615 begonnen wurde.

Diese beiden Zeichnungen fügte Hollar nach der Reise zu der wohl schönsten graphischen Darstellung Passaus zusammen. In der 6 cm hohen und 13,8 cm breiten Radierung setzt er, bei völliger topographischer Genauigkeit, der kleinteiligen Stadt und Veste einen kräftigen klaren Kontrapunkt in Gestalt einer einsamen Holzhütte gegenüber. Ufer und Wasser, der bewölkte Himmel und die Hell-Dunkelbearbeitung verleihen dem Blatt eine unvergleichliche Poesie. Von den drei großen Zeichnungen hat Hollar später nur die Ansicht vom Klosterberg aus radiert. Von der kleinen Ansicht der schwimmenden Stadt gibt es noch eine Version, in der die Stadt noch weiter zurücktritt und der Vordergrund durch hinzufügen eines Baumes und eines Mannes ein Eigenleben erhält.

Wenn wir hier rekonstruieren können, was Wenzel Hollar in den wenigen Tages des Passauer Aufenthaltes geschafften hat, so erstaunt man nicht, wenn man erfährt, dass er in seinem ganzen Leben etwa 2700 Blätter zeichnete.

Weiterer Reiseverlauf

Nach Passau führte die Reise weiter auf der Donau entlang über Rannariedl und Marsbach nach Linz. Hier traf Arundel mit dem Kaiser zusammen und die Reisegesellschaft hatte einen längeren Aufenthalt. Der Empfang des Lords durch den Kaiser war glänzend. Zwischen Audienzen und Empfängen fand auf dem Hauptplatz eine Hinrichtung von sieben Rebellen statt, die sowohl Crowne sehr beeindruckte als auch Hollar, der sie aufs sorgfältigste zeichnete. Hier dürfte Arundel das Anliegen seines Königs vorgetragen haben und Wenzel Hollar das seine. Hollar wurde nämlich auf dieser Reise geadelt. Für sich und seine Brüder erwarb er das Recht, sich künftig „Prachenberger von Löwengrün und Bareyt“ zu nennen.

Im Anschluss daran zogen die Schiffe durch die Wachau in Richtung Wien weiter. Mit Kutschen reiste man dann durch Böhmen nach Prag. Hier zeichnete Hollar seine vielleicht schönste Stadtansicht, die er tschechisch beschriftete und erst Jahre später in Antwerpen radierte. Weiter ging die Reise über Pilsen nach Regensburg. Anfang August fanden hier die Festlichkeiten zur Kaiserkrönung Ferdinand III. statt, der die Delegation beiwohnte. Es ist anzunehmen, dass Hollar hier den ersehnten Adelsbrief erhielt. Arundels Mission hingegen war kein Erfolg beschieden. Die Angelegenheiten der Pfalz wurden erst im Westfälischen Frieden geregelt. Umso erfolgreicher war das künstlerische Ergebnis der Reise, die von Regensburg über Nürnberg nach Würzburg – ab da wieder mit dem Schiff – nach einem Jahr heim nach London ging.

Es fällt auf, dass der sichere Wasserweg schönere Zeichnungen ermöglichte – auch vom Main und vom Rhein gibt es wundervolle Blätter –, während es von den Reiseabschnitten, die mit Kutschen über Land gingen, der ständigen Bedrohung wegen weniger Zeichnungen gibt.

Arundel behielt Wenzel Hollar in seinen Diensten, wie Henrik van der Borcht, einen jungen Niederländer, den der Lord in Frankfurt engagiert hatte. Dieser betreute später die Sammlungen Arundels in London.

Aufenthalt in England

Wenzel Hollars Talent entwickelte sich in Englang zu voller Blüte. Seine Vielseitigkeit kam ihm zustatten, hatte er doch zuerst den Auftrag, die Kunstgalerie des Lords zu zeichnen und zu radieren. Auch wurde er zum Zeichenlehrer des Prinzen von Wales berufen. Hier heiratete er 1641 Mistress Tracy, Kammerfrau von Lady Arundel, die selber eine tüchtige Radiererin gewesen sein soll und vor allem feines Pelzwerk und Muffe – es entstanden auch Trachten und Modezeichnungen –, meisterhaft beherrschte. In diesen Londoner Jahren entstanden Allegorien, Portraits, Darstellungen von Muscheln und Käfern, exakte Stadtpläne, Landschaften und es wurden Bücher gestaltet. Hollars Lieblingsthema aber blieb das Wasser, das Meer. Er zeichnete Städte und Landschaften am Wasser und immer wieder alle Arten von Schiffen, ja ganze Seeschlachten.

1643 musste Arundel nach Verurteilung und Enthauptung Karl I. nach Antwerpen fliehen. Einen Teil seiner Kunstschätze nahm er mit. Hollar war kurze Zeit beim Herzog von York in Diensten und folgte 1643 Arundel nach Antwerpen. Der reiselustige Lord fuhr nach Italien, wo er 1647 in Padua starb.

Letzte Jahre

1652 kehrte Hollar nach London zurück und war wie früher aufs vielseitigste tätig. 1665 verlor er bei einer Pestepidemie seine Frau Tracy und den zweiundzwanzigjährigen Sohn James. Er heiratete zum zweitenmal. Im Jahr 1666 brannte London. Ob er hierbei sein Hab und Gut verlor ist nicht bekannt, jedenfalls radierte er unverdrossen London vor und nach dem Brand. Als 61jähriger hatte er noch den Mut, sich als „scenographis regis“ einer Expedition nach Tanger anzuschließen, bei der er eine Seeschlacht mit Seeräubern erlebte und mit knapper Not mit dem Leben davon kam. 1672 reiste Hollar nach Nordengland und zeichnete Dome, Städte und Landschaften.

1677 starb Wenzel Hollar im Alter von 69 Jahren in London.

Hollar-Sammlungen

Schon sehr früh wurde Hollars Kunst geschätzt und es gab begeisterte Sammler. So entstand die älteste Sammlung von Radierungen durch die Initiative des Markgrafen Friedrich von Baden-Durlach noch zu Hollars Lebzeiten. Sie befindet sich heute im Karlsruher Kupferstichkabinett. Im 18. Jahrhundert wurden die bedeutendsten Hollar-Sammlungen in der königlichen Bibliothek auf Schloss Windsor und im British Museum zusammengetragen. Erst im 19. Jahrhundert erhielt das Kupferstichkabinett Berlin durch Schenkung zahlreiche Hollarblätter und legte das Nationalmuseum Prag seine Bestände an. Die meisten Verehrer hatte Hollar in England, und so kommt es, dass sich die schönsten Handzeichnungen bayerischer Motive in englischen Sammlungen befinden.

Literatur

Weblinks

Dies ist ein ausgezeichneter Artikel.
Diesem Artikel wurde am 22. Juli 2010 das Prädikat „Ausgezeichneter Artikel“ verliehen.