Zimmermannsmalerei

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IHS-Symbol von 1712 am Troadkasten des Kappl-Hofs (Foto: Martin Ortmeier)

Als Zimmermannsmalerei werden an historischen Holzbauten nichtflächige Farbaufträge auf Zimmerwerk bezeichnet.

Häufig sind mit Rötelfarbe Zierformen des Holzgefüges von Gebäuden hervorgehoben. Aufwändigere Malerei zeigt Werkzeuge des Zimmererhandwerks, Zirkelschlagornamente oder religiöse Symbole. Manchmal sind Motive des Brauchtums, der regionalen Geschichte oder Kultur in Szene gesetzt. Jahreszahlen und Initialen des Bauherrn sind häufig.

Beschreibung

Seit dem späten 18. Jahrhundert wurden am Blockbau geeignete Gefügeteile über den erforderlichen Zweck hinaus mittels Säge, Reifmesser und Stemmeisen (Stechbeitel) verziert. Vor allem die Balkenvorköpfe der Pfetten und deren Kopfbüge, die unter dem Dachvorschuss gut sichtbar und zugleich vor Bewitterung geschützt sind, wurden abgefast und an den Enden wie ein Fries profiliert. Fasen oder einzelne Profile und am Fuß der Profilierung gelegentlich Guttae wurden mit Rötelfarbe abgesetzt. Der Rötel, der für Zimmerarbeiten zum Einfärben der Schlagschnur ohnehin vorrätig war, wurde mit Leinöl oder Kasein gebunden.
Die Bindung der Farbe mit Kasein hatte zur Folge, dass an den Stellen, die mit Farbe bedeckt war, die Abwitterung des Holzes verzögert geschah, sodass sich Zahlen, Initialen oder Motive noch im Relief abzeichnen, wenn die Farbe bereits fast restlos verloren ist.
Neben Rötel (rotem Ocker) kamen „Amberger Gelb“ (gelber Ocker), Bleiweiß und Ruß zum Einsatz.

An den bereits erwähnten Gefügedetails des Dachstuhls, außerdem an der vor allem am Rottaler Bauernhaus mit seiner weit überstehenden Traufe gebräuchlichen Flugpfette ([Spatzenbam]) finden sich u.a. Reiter, Soldaten und Ortsveduten mit Kirche. Staubläden (Bretter unter dem Dachvorschuss) sind mit Jahreszahlen und schematisch dargestellten Zimmererwerkzeugen wie Balkenhobel, Winkel, Zirkel, Bundaxt, Breithacke (Zimmererbeil) und Zimmererklampfe geziert.

Geschichte

Kryptogramm von 1770 über der Schrottüre des Schusteröderhofs (Foto: Theodor Heck, um 1950)
Aufwendige Balkenauszier und szenische Malerei am Gefüge des Rottaler Bauernhauses „beim Hirschberger“ in Moosvogel bei Massing (Foto: Theodor Heck, um 1950)

Verzierungen mit Rötel sind vermutlich stets eine Leistung des beauftragten Zimmermanns gewesen. Aufwändigere Malerei war wohl durch Interessen des Bauherrn und besondere Fertigkeit und Neigung des Handwerkers bedingt. Für das Beilen der Balken, das Aufrichten des Blockbaus, das Vorbereiten des Abbundes und Errichten des Dachstuhls haben den Zimmerer (mit stark wechselnder Anzahl von „Zimmererknechten“) viele Wochen – mit Kost am Hof – auf einer Baustelle gebunden. Ein Abschluss der Arbeiten mit ein Zierdraufgabe und symbolischen Leistungen war danach angemessen und zugleich Werbung für das Handwerk.

Nicht für alle Zimmererarbeiten wurden Fachhandwerker herangezogen. Der „Mittermayr zu Riedertsham“, der zwischen 1822 und 1850 einen ganzen Vierseithof nebst Kapelle errichtet hat, vermerkt zum Bau des Backofens: „Was die Zimmerarweit betrift hab ich alls selbstgemacht“; beim Wohnhausbau sind aber in den Kostenaufstellungen für April 1823 Wochenlöhne für „4 Zimmer Knecht“ aufgeführt, im Mai sind es 13 und 15 Zimmerleute.[1]

Es kann sein, dass sich der Begriff und evtl. auch die Praxis der Zimmermannsmalerei auf den Raum Ostbaiern beschränkt. So ist zu verstehen, dass er auch im südlichen Böhmen und im oberösterreichischen Innviertel, das bis 1780 zu Bayern gehört hat, zu finden ist.

Für Oberösterreich stellt Andrea Euler im Katalog des „Sumerauerhofs“ fest: „Zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert brachten Zimmerleute im Innviertel und besonders im (daran östlich anschließenden) westlichen Hausruckviertel (um Wels, Offenhausen, Grieskirchen) Malereien an den hölzernen Bauteilen der Höfe an. Vor allem die ums Haus laufenden Staubläden boten Gelegenheit zu ornamentalen und szenischen Malereien oder Sinnsprüchen. Die wohl beliebtesten Objekt für Zimmermannsmalerei waren die Stadeltore, die meist mit dem ‚laufenden Hund‘, mit bäuerlichen Sinnbildern und zuweilen auch mit den Zimmermannswerkzeugen versehen wurden.“[2]

Mit der oberbayerischen Lüftlmalerei hat die Zimmermannsmalerei keinen Zusammenhang.

Bedeutende Bauten

Blumengebinde (Tulpen) über der Schrottüre des Heilmeierhofs (Foto: Martin Ortmeier)
Hochzeitspaar auf einem Vorkopfbrettchen und „laufender Hund“ am Friesbrett des Schrots vor dem Obergeschoss des Heilmeierhofs (Foto: Martin Ortmeier)

Der Heilmeierhof im Freilichtmuseum Massing ist in Niederbayern ein herausragendes Beispiel für Zimmermannsmalerei[3] aus der Dingolfinger Gegend. Die Inschrift über der giebelseitigen Oberbodentüre belegt eine Entstehung im Jahr 1795. In farbiger Kaseinmalerei sind auf den Balkenvorköpfen, die den zwei Gebäudeseiten umlaufenden Hausschrot tragen, und auf deren Vorkopfbrettchen brauchtümliche Motive wie ein Hochzeitspaar oder eine Dorfkirche und Blumen in vielen Variationen zu finden. Der sogenannte laufende Hund, ein Zirkelschlagornament, ziert das Fußbrett der Schrotbrüstung. An den Verschlagbrettern der Oberbodenlaube sind Mai-Buschen aufgemalt. Am Ursprungsstandort des Hauses, in Pilberskofen, war ein Nachbaranwesen mit ebensolcher Malerei versehen.

Bemalte Rottaler Bauernhäuser standen in Schmidham bei Ruhstorf und Hinterskirchen bei Beutelsbach (datiert 1785).[4]

Ein gut erhaltenes Beispiel reicher Zimmermannsmalerei findet sich an einem Troadkasten in Kanau 6 bei Waldkirchen im Bayerischen Wald[5]: „Flachsatteldachbau in Holz-Blockbauweise, mit Giebelschrot und Bemalungen, bezeichnet 1788“; die Rötel-Bemalung mit Symbolen und Silhouetten von Zimmererwerkzeug befindet sich an der Untersicht der Staubläden.

Zu einem Innviertler Vierseithof (bezeichnet 1791) in Razing 1 bei St. Roman ist notiert[6]: „Der Staubladen und die Pfetten sind mit Zimmermannsmalerei verziert.“ Für einen Vierseithof in Schießdorf 5 bei Münzkirchen ist vermerkt[7]: „die Zimmermannsmalerei am Dachwerk stammt aus dem Jahr 1839“.

Der Troadkasten des Kappl-Hofs aus Trautmannsried bei Drachselsried ist inschriftlich 1712 datiert. Bemerkenswert ist das ornamental gestaltete christliche Segenssymbol „IHS“ über der Türe zum Getreidespeicher.

In das Hofgeviert (ein oberösterreichischer Vierkanthof) des Sumerauerhofs in St. Florian bei Linz, in dem das „Freilichtmuseum Sumerauerhof“, eingerichtet ist, wurde 1982/83 der „Mitterleitenstadel“ aus Pichl bei Wels transloziert[8] Der Stadel ist wegen seiner reichen Bemalung „ein Hauptobjekt in der Präsentation der Zimmermannsmalerei“[9]

Quellen

  • Südliches Niederbayern: Martin Ortmeier: Die schönsten Bauernhäuser des Rottals. Zeugnisse bäuerlicher Vergangenheit. Waldkirchen 2002, ISBN 3-89682-073-7, S. 33: „Wer es sich leisten konnte, der schmückte sein Bauernhaus mit Farben undFormen. Zunächst wurden notwendige Bauelemente dekorativ ausgestaltet (…), Türstürze mit Schnitzwerk und aufgemalten Jahreszahlen und Initialen geschmückt. (…) Der erstrangige Ort für die Ausgestaltung des Hauses war über das ganze neunzehnte Jahrhundert hinweg der Schrot. (…) Die Schmuckformen vor 1800 waren bescheidener: ausgezierte Kanten der Türstürze und Schrotkonsolen, gelegentlich mit Rötel eingefärbt, manchmal kaseingebundene Zimmermannsmalerei an wettergeschützten Stellen.“
  • Böhmerwald: Josef Blau: Böhmerwälder Hausindustrie und Volkskunst, Band 1, Wald- und Holzarbeit, Prag (Calve) 1917/18 (= Beiträge zur deutsch-böhmischen Volkskunde, Band 14,1), S. 185–186: „Der Zimmermann versteht es, wie der Tischler die Einrichtung, Balken, Leisten, Tore und Wände auf verschiedene Art zu schmücken; durch das Ausschneiden, Benageln, Bemalen (Rötelmalerei: Jahreszahlen, Blumen und Blätter), Schnur- und Zirkelkünste.“
  • Das „Freilichtmuseum Sumerauerhof“ in St. Florian bei Linz (eine Einrichtung des Landes Oberösterreich) wirbt u.a. mit der Präsentation einer Sammlung von Zimmermannsmalerei[10]
  • Das „Freilichtmuseum Finsterau“ hat aus dem Bayerischen Wald zwei Garnituren Staubläden (aus Mitterleinbach – Inv.-Nr. F 85/268 – und Höhenberg) mit Zimmermannsmalerei in der Sammlung.

Literatur

  • Oskar von Zaborsky-Wahlstätten: Sinnbildliche Malereien an altbayerischen Holzhäusern, In: Bayerisch-Südostdeutsche Hefte für Volkskunde. Mitteilungen der Bayerischen Landesstelle für Volkskunde / Amtliches Nachrichtenblatt der Wörterbuchkommissionen der Akademien der Wissenschaften in München und Wien, 14. Jg.1941, Heft 1, S. 14–15
  • Max Kislinger: Alte Bauernherrlichkeit, Linz 1957
  • Torsten Gebhard: Zimmermannsmalereien aus Niederbayern und ihre oberösterreichischen Parallelen, in: Festschrift für Franz C. Lipp, Wien 1978, S. 107 ff.
  • Franz Grieshofer: Bemalte Bauernhäuser im Innviertel. Zeichnungen, Aquarelle und Fotos aus der Sammlung in Schloß Walchen, OÖ, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde (hgg. vom Verein für Volkskunde in Wien), Neue Serie Band XXXIII, Gesamtserie Band 82, Wien 1979, S. 304–308
  • Martin Ortmeier. Das „Rottaler Bauernhaus“ . In: Niederbayern. Bauernhäuser in Bayern. Dokumentation Band 5 (Hg. von Baumgartner, Georg und Helmut Gebhard). München 1995, S. 89-96
  • Martin Ortmeier: Der Schrot am Bauernhaus. Vom luftigen Wirtschaftsraum am Blockbau zum Schaubalkon. In: Martin Ortmeier (u.a., Hg.). Pracht – Prunk – Protz. Luxus auf dem Land, S. 151-166, Finsterau 2009
  • Mathias Ueblacker. Der Vierseithof des Mittermayr zu Riedertsham. Zu Buchführung und Bauunterlagen des Johann Mayer von 1822 bis 1850. Mit einem Beitrag aus den Sandbacher Geschichtsblättern, Heft 3, 1988 / und einer erläuterten Transkription zur Chronik von Johann Mayer „Beschreibung Oder Gründliche Denkmall, der Unglücks Fälle, Auf dem Pfadt Meines Lebens“ . München 2012, ISBN 978-3-86222-110-3
  • Andrea Euler: Freilichtmuseum Sumerauerhof der Oberösterreichischen Landesmuseen. Vierkanthof in St. Florian bei Linz. Denkmalhof, Bauernmöbel-Sammlung, Ausstellung Historische Höfe in Oberösterreich, Ausstellung Anbau – Ernte – Drusch, Ausstellung Zimmermannsmalerei, Schlitten-Sammlung. Linz (Land Oberösterreich, Oberösterr. Landesmuseen) 2012 (= Kataloge der Oberösterreichischen Landesmuseen, N.S. 135), ISBN 9783854742678, S. 36–37 (und Abbildungen S. 35 und 39)

Anmerkungen

  1. Ueblacker, a.a.O., S. 23 und 25
  2. Andrea Euler, a.a.O., S. 36
  3. Die Malerei wurde beim Wiederaufbau im Museum 1974 von einem Kirchenmaler ausgebessert. Eine Dokumentation mit Befundung und Maßnahmenbeschreibung liegt nicht vor.
  4. Abb. in: Martin Ortmeier, Die schönsten Bauernhäuser des Rottals. Zeugnisse bäuerlicher Vergangenheit. Waldkirchen, 2002, S. 34 und S. 55
  5. Liste der Baudenkmäler in Waldkirchen [1]
  6. Liste der denkmalgeschützten Objekte in St. Roman [2]
  7. Liste der denkmalgeschützten Objekte in Münzkirchen [3]
  8. Andrea Euler, a.a.O., S. 39–40: „Da die überaus reiche Bemalung auf den Stützbalken, Staubläden, Streben, Lüftungsfenstern und den Toren schon in den 1940er Jahren das Interesse des damaligen Kustos der Volkskundeabteilung der Oberösterreichischen Landesmuseen Franz C. Lipp geweckt hatte, wurde er rechtzeitig vor dem geplanten Abbruch verständigt, um den Ankauf und eine Abtragung veranlassen zu können.“
  9. Andrea Euler, a.a.O., S. 40, die im Erdgeschoss des Stadel eingerichtet ist.
  10. Digitales Schulportal schule.at [4]