An der Böhmischen Grenz’

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Die Hauptdarsteller - Foto: Carmen Keller

An der Böhmischen Grenz’ ist ein niederbayerisches Singspiel von Siegfried Jaennichen (Text) und Erhard Kutschenreuter (Musik), das am 22. Februar 1930 in Vilsbiburg seine Uraufführung erlebte. Offensichtlich weil der Textdichter bei den Nazis in Ungnade gefallen war, durfte dieses Stück später nicht mehr gespielt werden. Anlässlich des Zwieseler Stadtjubiläums 2004 erlebte dieses Stück ein Comeback.

Handlung

Das Stück spielt im Wirtshaus „zur Rutschn“ im Bayerischen Wald direkt an der Grenze zu Böhmen. Im Mittelpunkt steht das Wirtstöchterchen Reserl, das in den Grenzer Franzl verliebt ist. Weil aber das Wirtshaus hoch verschuldet ist, scheint eine Heirat aussichtslos. Dafür macht aber der böhmische Schuster Powidl dem Reserl den Hof, doch sie weist ihn brüsk zurück. Darüber tief in seiner Ehre gekränkt und schwer verärgert, kauft er aus seinen Ersparnissen die Hypotheken auf, die auf dem Anwesen lasten, und lässt es pfänden. Woher der Powidl sein Vermögen hat, wird aber bald deutlich, denn Powidl wird ausgerechnet vom Grenzer Franzl als Anführer einer Schmugglerbande gefasst. So kommt es schließlich doch noch zu einem glücklichen Ende zwischen den beiden Verliebten. Für besondere Farbtupfer im Stück sorgen die mannstolle Bedienung Nandl (eine komische Paraderolle) und ein sich ewig im schönsten Sächsisch zankendes Sommerfrischler-Ehepaar aus Leipzig.

Musik

Der Chor - Foto: Carmen Keller

Nach einem sitimmungsvollen Vorspiel leitet der Komponist zu einem schneidigen Marsch der ersten Chorszene über. Für das Liebespaar schuf Kutschenreuter schuf dankbare Gesangsnummern. Beim Ständchen des Powidl verwendet er den Rhythmus eines böhmischen Zwiefachen. Köstlich sind die Ensembles mit den sächsischen Sommerfrischlern und der Kellnerin, äußerst bühnenwirksam die Chöre der Schmuggler und der Grenzer im dritten Akt. Auch den Auftritt einer fünfstimmigen böhmischen Blasmusik hat der Komponist vorgesehen. Schließlich bringt das Marsch-Finale nochmals das gesamte Ensemble auf die Bühne.

Reales Vorbild

Den Schauplatz der Handlung, das Wirtshaus „Zur Rutsch’n“ hat es tatsächlich gegeben. Es befand sich in Haidmühle direkt an der Böhmischen Grenze und hatte einst einen guten Ruf gehabt. Librettist Siegfried Jaennichen hatte dieses Wirtshaus ganz gewiss gekannt, denn er war fast fünf Jahre Volksschullehrer in Haidmühle und hatte den Landstrich an der böhmischen Grenze und seine Bewohner lieb gewonnen und war auch später noch oft zu Besuch. Und er hat diesen Landstrich in seinem pfiffigen Singspiel-Text verewigt.

Comeback des Singspiels

Der Dirigent Aurel von Bismarck - Foto: Carmen Keller

Als die Stadt Zwiesel 2004 ihre 750-Jahr-Feier und zugleich das 100jährige Jubiläum der Stadterhebung beging, hatte sich der Zwieseler Hans Proft in den Kopf gesetzt, dieses Singspiel, dessen Aufführungsmaterial er im Nachlass des Komponisten im Zwieseler Waldmuseum gefunden hatte, erneut auf die Bühne zu bringen. Seine Nachforschungen über die Entstehung des Stückes haben ihn zu einen wahren Kutschenreuter-Experten werden lassen, der sich nicht nur mit diesem Stück, sondern den gesamten Leben und Schaffen des Komponisten beschäftigte und schließlich sogar eine umfangreiche Biografie in Buchform heraus brachte.

Er konnte für sein Vorhaben kompetente Mitstreiter zu gewinnen und so wurde mit dem "Zwieseler Kutschenreuter-Ensemble" ein komplettes Theaterensemble zusammengestellt, das unter der Regie von Gerd Riffeser das Stück erarbeitete. Der Gymnasiallehrer und erfahrene Theatermann hatte bereits 1974 in Zwiesel eine Schultheatergruppe gebildet, die zum Aushängeschild für das Zwieseler Gymnasium geworden ist und war schon deshalb „erste Wahl“. Es verstand es auch, die einzelnen Rollen mit seinen ehemaligen Schülern aber auch anderen Theaterbegeisterten ideal zu besetzen. Der Kantor der evangelischen Gemeinde Zwiesel, Aurel von Bismarck (er ist tatsächlich ein Verwandter des „Eisernen Kanzlers“) formte den von ihn geleiteten Männergesangverein Rabenstein zusammen mit den „Rabensteiner Sängerinnen“ zum gewandten und stimmsicheren Theaterchor und leitete auch das Orchester, das aus dem Stamm des Kammerorchesters Da Silva gebildet wurde.

Besuch der Hauptdarsteller am Originalschauplatz. In der Mitte der letzte Wirt des Gasthofs "Zur Rutsch'n" - Foto: Archiv Proft

Es war eine glückliche Fügung, dass sich die Theaterspieler für ein Probenwochenende in die Jugendherberge von Haidmühle zurückgezogen hatten. Sie besuchten dabei auch das einstige Wirtshaus an der Grenz’ und lernten dabei auch den letzten Wirt des inzwischen geschlossenen Wirtshauses kennen. Er war natürlich einer der besonderen Ehrengäste bei der Theaterpremiere am 16. Oktober 2004 im Zwieseler Jankasaal, zu der auch die Enkelin des Komponisten und der Enkel des Textdichters nach Zwiesel gekommen waren. Und die Leitung des Zwieseler Waldmuseums stellte für die Premiere ein ganz besonders wertvolles Objekt zur Verfügung, den Taktstock des Komponisten, mit dem nun der Dirigent die Premiere leitete.

Dabei erlebte das Singspiel ein glänzendes Comeback. Das Publikum war begeistert und die Anerkennung auch in der überregionalen Presse sehr groß. „Grenzenlos gut für des Waldlers Herz“ titelte der Bayerwald-Bote und auch das PNP-Feuilleton zollte Lob. „Dass sich die Bretter biegen“ – so war die Kritik einer weiteren überregionalen Zeitung übertitelt. Rund 1.500 Besucher haben die fünf Vorstellungen besucht, die bis auf eine restlos ausverkauft waren.

Es wäre zu wünschen, dass sich auch andere Theatergruppen und Bühnen dieses köstlichen Singspiels annehmen.

Literatur

Siehe auch