Barackenlager (Töging)

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Das Barackenlager in Töging am Inn. (Foto: Lang)
Lagerleben in den frühen 1950er Jahren: Viele der Flüchtlinge hielten sich Federvieh. (Foto: Lang)

Das Barackenlager in Töging am Inn war zu Beginn der 1940er Jahre ein Lager für Fremdarbeiter. Dies waren Arbeitskräfte, die im Ausland angeworben bzw. mit vielversprechenden Angeboten angelockt oder aber als Zwangsarbeiter verpflichtet wurden. Ab 1942 kamen Kriegsgefangene, vor allem aus Russland und Frankreich, hinzu. Zu dieser Zeit beherbergte das Lager bis zu 1.200 Menschen aus 14 Nationen, darunter Griechen, Kroaten, Italiener, Ukrainer.

Lage und Aufbau

Das Lager befand sich unweit der heutigen Kläranlage am Innkanal. Es bestand aus einer provisorisch angelegten Siedlung aus einstöckigen Holzhütten. Die Hütten waren hufeisenförmig angelegt, mit eigenem Wege-System verbunden und hatten elektrischen Strom.

Geschichte

Kriegsgefangenenlager

Ab 1942 lebten in dem Töginger Lager Kriegsgefangene. Seither war das gesamte Industrieareal bis 1945 von einem Schleier der Geheimhaltung umgeben: Man hatte Angst, dass entscheidende Informationen dem Feind in die Hände fallen könnten. So mussten „Passierscheine“ ausgefüllt werden, wenn jemand von einer Abteilung zur nächsten gehen wollte. Der Bereich des Barackenlagers war von einer noch höheren Geheimhaltungsstufe betroffen gewesen, weil dort Flugabwehr-Stellungen angesiedelt waren.

Die in den Baracken lebenden Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen wurden zur Arbeit herangezogen. Sie waren laut Zeitzeugen jedoch gut ernährt und von den einheimischen Arbeitern recht kollegial behandelt worden. Einige haben es sogar zu angesehenen Stellungen in Büros gebracht. Dies war freilich nur den Fremdarbeitern möglich. Die Russen und Franzosen mussten dagegen schwere körperliche Arbeit verrichten. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges verließen die Fremdarbeiter und Gefangenen das Barackenlager.

Auffanglager

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstand dann daraus ein Auffang- und Durchgangslager des Landkreises Altötting für aus den von der Roten Armee eroberten Gebieten im Osten vertriebene Deutsche. Ab wann das Lager für diesen Zweck genutzt wurde, steht nicht zweifelsfrei fest, auch nicht die Zahl der Bewohner. Allerdings sind Integrationsbemühungen schon 1947 dokumentiert: Anfang des Jahres wurden die Flüchtlinge in den Baracken von den Töginger Dreikönigssängern besucht, die damals erstmals nach dem Krieg wieder mit Pferden durch die Straßen zogen. Das ist durch eine Zeitungsnotiz überliefert.

Ab 1947 wurde das Lager als Wohnlager für Beschäftigte der Vereinten Aluminiumwerke (VAW), die in den Flüchtlingslagern in Südbayern angeworben worden sind, genutzt. Bei der VAW gab es ab Kriegsende einen von den Amerikanern angeordneten totalen Produktionsstopp und eine Demontage-Anordnung. 1947 begann man nach und nach wieder mit dem Einschmelzbetrieb und allmählich auch wieder mit der Aluminium-Elektrolyse. Die Demontage-Anordnung wurde erst 1950 aufgehoben. So wurden viele Arbeitskräfte aus dem Potenzial der meist arbeitslosen Flüchtlinge angeworben und im etwas „ausgebauten“ Barackenlager untergebracht.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 1950ern wurde auch bei den Lagerbewohnern der Drang nach menschenwürdigen Wohnungen groß. Die VAW unterstützte ihre Arbeiter beim Bau von Eigenheimen in der Stammarbeitersiedlung, so bauten sich viele der Flüchtlinge im Ort ein Haus. 1957 wurde das nicht mehr benötigte Lager abgetragen. Heute erinnert nichts mehr an das Lager. Das ganze Areal ist dicht von Bäumen, Büschen und Brennnesseln bedeckt, im Umfeld befinden sich die Töginger Kläranlage und ein Betonwerk.

Lagerleben

Im Auffanglager lebte man recht einfach: Es gab eine Baracke mit einer Toilette und einen Waschraum, die von allen Bewohnern genutzt werden musste. Weil es innerhalb des Lagers kaum Verkehr gab, durften die Kinder ungezwungen spielen, während die Erwachsenen arbeiteten.

Die Gebäude waren äußerst hellhörig. Entsprechend ermahnte eine Hausordnung von 1948: „In den Unterkünften ist von 23 bis 6 Uhr jede geräuschvolle Beschäftigung zu vermeiden. (...) Lautes Schreien, Singen, Pfeifen, Gepolter und Türenwerfen ist im Interesse der Schichtarbeiter auch tagsüber zu unterlassen.“ Die Hausordnung mahnte zur unbedingten Sauberkeit, für Diebstähle wurden drakonische Strafen angedroht. Das Regelwerk verbot die Haltung von Hunden, Katzen oder Hühnern. Wie Fotos zeigen, wurde dies gerade im Bezug auf Federvieh nicht von allen beachtet.

Galerie

Literatur