Dorfkapelle aus Schwolgau

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Die Kapelle aus Schwolgau im Ensemble Kapplhof
Die Kapelle aus Schwolgau im Ensemble Sachl

Die Dorfkapelle aus Schwolgau stand verfallend bis 1996 an ihrem ursprünglichen Standort bei Büchlberg. Sie wurde ins Freilichtmuseum Finsterau transferiert und dort dem Ensemble Kapplhof zugeordnet.

So unscheinbar die kleine Kapelle äußerlich ist, so reich und farbenfroh ist sie im Inneren. Der einfache Holzbau, der 174 Jahre zuvor in Eigenleistung der bäuerlichen Dorfgemeinschaft errichtet worden war, schien unbedeutend, lediglich das geschnitzte und bemalte Arma-Christi-Kreuz über dem Altar besaß allgemeine Aufmerksamkeit. Nur dieses Kreuz war im Denkmälerinventar des Landes verzeichnet. Die Kapelle diente den Schwolgauern, die eine halbe Stunde Fußweg bis zu ihrer Pfarrkirche hatten, zur Andacht.

Architektur

Gefüge

Die Kapelle aus Schwolgau ist ein Holzständerbau über rechteckigem Grundriss, der Verschlag ist mit gesägten und besäumten Brettern von Nadelholz erstellt. Das steile Satteldach ist mit Biberschwanzziegeln eingedeckt, der Dachüberstand ist gering. An einer Giebelseite öffnet sich die Kapelle in einer derben Lattengittertüre, über der eine Oberlichte angebracht ist.

Die ornamental gesägten Vorkopfbrettchen und die grüne Fassung des umlaufenden Bretterverschlags stellen den einzigen Schmuck des Außenbaus dar. Das tragende Ständerwerk ist innen frei sichtbar.

Rekonstruktion und Fassung

Fast alle Balken und Bretter der alten Kapelle wurden zum Aufbau im Museum wiederverwendet. Wo im Fußbereich des Bauwerks oder unter den Dachtraufen das Holz durch Fäulnis bereits zu stark geschädigt war, wurde mit Neuholz angeschiftet, wo die Verschlagbretter an den Rändern schadhaft waren, wurden neue Späne angeleimt und beigefasst.

Die Innenraumfassung in kräftigen Farben geht wohl auf die Instandsetzung des Jahres 1875 zurück. Über den wenigen schmalen lehnenlosen Bänken und dem schmalen Altar schweben Sterne, die auf die blau gefasste Stülpschalung unter dem Dach aufgemalt sind, die Wände sind mit Schablonen- und etwas Freihandmalerei geschmückt.

Gut erhaltene Partien der Malerei wurden im April 1997 beim Wiederaufbau von Restaurator Sebastian Roser gefestigt und aufgehellt, Fehlstellen (vor allem an der Decke, die starke Nässeschäden aufwies) sind retuschiert, teils völlig neu gefasst.

Das Feldkreuz aus Perlesöd in der Kapelle aus Schwolgau
Die Vorkopfbretter mit den wertvollen Inschriften von 1934 sind geschützt hinter Glas.

Ausstattung

In der Kapelle erinnern Gedenktafeln an Persönlichkeiten, die sich um das Museum verdient gemacht haben: Kreisheimatpfleger Peter Dellefant, Bezirkstagspräsident Sebastian Schenk und Bürgermeister (der Gemeinde Mauth-Finsterau) Leopold Graf.

Die wertvollste Zierde der Kapelle ist der große geschnitzte und farbig gefasste Korpus Christi über dem schmalen Altartisch. Er stammt von einem Feldkreuz aus Perlesöd bei Freyung. Der Waldkirchener Restaurator Hilmar Hendrykovski hat auf geringen Resten einer alten Fassung eine neue Fassung aufgetragen.

Die Vorkopfbrettchen von 1934 sind am Baum durch neu angefertigte Stücker ersetzt. Die Originale mit den Bleistiftinschriften sind in schützenden Rahmenkästchen in der Kapelle aufgehängt.

Geschichte

Im Herbst 1996 war die Holzkonstruktion der Scholgauer Dorfkapelle durch Zeit und Witterung so stark geschädigt, dass im Dorf ein Neubau geplant wurde. Die Dorfgemeinschaft bot das Bauwerk zur Übertragung ins Freilichtmuseum an. Dokumentation und Translozierung geschahen in ungewöhnlich kurzer Zeit.[1] Schon im folgenden Jahr wurde mit den Dorfleuten von Schwolgau am neuen Standort eine erste Maiandacht gefeiert.

Aus der maroden Bretterhütte ist ein Haus mit Geschichte geworden. Denn beim Zerlegen des Bauwerks waren zwei mit Bleistift aufgetragene Bauinschriften zu Tage gekommen. Sie waren an der Rückseite der Vorkopfbretter über dem Eingang verborgen gewesen: Erbaut 1822/Renovirt 1875/Renovirt 1934/Georg Sicklinger/Zimmerer lautet die eine der beiden Inschriften. Die zweite Inschrift, wohl ebenso aus dem Jahr der zweiten Renovierung 1934, ist eine heimliche Liebeserklärung: Dorfschönheit/Berta Wolf/Bauerstochter/Schwolgau/Jungfrau. Auch diese Inschrift stammt wohl von dem Zimmerer Georg Sicklinger. Der Museumleiter hat 1997 eine weitere Bauinschrift hinzugefügt. Sie wird wohl erst bei einer erneuten Renovierung wieder zutage kommen.

Rund um die Kapelle soll im Freilichtmuseum Finsterau der Bestand an Häusern und Höfen noch verdichtet werden, so dass bei Kappl-Hof, Sachl und Tanzerhof, die jetzt dort bestehen, wie in Schwolgau ein kleiner Dorfverband zusammenwächst, dessen Mitte die Kapelle bilden soll.[2]

Literatur

  • Martin Ortmeier: Inwendiger Höhepunkt. Die Wiederherstellung der Holzkapelle aus Schwolgau im Freilichtmuseum Finsterau, in: Kulturarbeit und Kirche'. Festschrift Msgr. Dr. Paul Mai zum 70. Geburtstag (= Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. 39), Regensburg 2005, S. 585–591
  • Martin Ortmeier: Die Dorfkapelle aus Schwolgau, in: Ders.: Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte, Passau 2009, S. 98–101

Anmerkungen

  1. Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier erstellte das hauskundliche Konzept, außerdem Zeit- und Finanzplan und Ausstattungskonzept, der Vorsitzende des kommunalen Museumsträgerverbandes Bezirkstagspräsident Sebastian Schenk führte klug und zielstrebig die politischen Beschlüsse herbei, Restaurator Sebastian Roser erstellte die materialhistorische Befundung der Farbfassungen, Dipl.-Ing. FH Walter Kuhn ein verformungsgerechtes Bauaufmaß, Fotografenmeister Josef Lang die photographische Dokumentation, Museumszimmerer Franz Plöchinger wickelte Bauteilnummerierung, Abtragung, Bauteilinstandsetzung und Wiederaufbau ab.
  2. Die geplante Erweiterung des benachbarten Granitstalls zu einem hauslandschaftstypischen Natursteinbauernhof, der die Lücke zwischen Sachl und Granitstall geschlossen hätte, scheiterte 2017 unter dem Vorsitz von Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich aus politischen Gründen.