Erna Schützenberger

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Erna Schützenberger (* 1. Juni 1892 in Passau, getauft Ernestine Antonia Schützenberger; † 17. Juni 1975 ebenda) war eine Pionierin der Volkstanzpflege und Volkstanzforschung.

Leben und Wirken

Herkunft und Beruf

Sie war das elfte Kind des Schlossermeisters Ernst Friedrich Schützenberger und seiner Ehefrau Thekla, geb. Linsmaier. Nach dem Tod ihres Vaters 1906 übersiedelte ihre Mutter nach Zwiesel und brachte ihre Tochter im Passauer Waisenhaus unter. Sie besuchte die dreiklassige Handelsschule für Mädchen, die von den Englischen Fräulein im Josefsheim geführt wurde.

Im Februar 1911 trat sie in die Stadtverwaltung Passau ein, wo sie ihr gesamtes Berufsleben verbrachte. Beginnend als Kanzleisekretärin wurde sie später Obersekretärin des jeweiligen Bürgermeisters. Seit 1. April 1917 stand sie im Dienstverhältnis einer unwiderruflichen Beamtin.

Die Quickborngruppe

Im Jahr 1920 machte sie der Passauer Hochschulprofessor Dr. Ignaz Klug auf die katholische Jugendbewegung Quickborn aufmerksam. Hier fand sie die ersehnte Gemeinschaft Gleichgesinnter und gründete bereits 1921 in Passau eine Quickborn-Mädchengruppe. Mit ihrer Gruppe von knapp zehn Mädchen im Alter von etwa 15 bis 18 Jahren unternahm sie im selben Jahr ihre erste „Quickbornwanderung“ mit Reformgewändern und Blumen im Haar, mit Lauten musizierend, singend und tanzend durch die Naturlandschaft streifend.

In den 1920er Jahren wanderte sie mit ihrer Mädchengruppe an jedem freien Tag und bei jedem Wetter durch den Bayerischen Wald meist in der Umgebung von Untergriesbach und Hauzenberg. Die Tagesausflüge waren weitgehend abhängig vom Verlauf der Lokalbahnstrecken und von einer breiten Aktivität mit Singen, Tanzen, Theaterspielen und Musizieren bestimmt. Außerdem gab es Reisen zu anderen Quickborngruppen sowie Bundes- und Gautagen des Bundes Quickborn. Als Heim stand der Passauer Gruppe ein Stockwerk im sogenannten Römerturm der Innstadt-Befestigung zur Verfügung. Bei zahlreichen Wanderungen und Veranstaltungen begleiteten männliche Teilnehmer die Mädchengruppe, nicht zuletzt weil Schützenberger männliche Darsteller zum Theaterspielen suchte.

Öffentliche Auftritte

Der früheste greifbare Beleg für Tanzaktivitäten und Theaterspiel zur öffentlichen Darbietung findet sich am 15. Februar 1925. Damals veranstaltete die Jugendgruppe des Katholischen Frauenbundes Vilshofen eine Karnevalsunterhaltung, bei der die Passauer Quickborngruppe mitwirkte. Am 25. September 1927 boten die Passauer Quickbornmädchen in Grainet ein Aufführungsprogramm mit „Sang und Spiel“, wobei 14 Volkslieder vorgetragen wurden. Ebenfalls im Herbst 1927 trug die Gruppe in Vilshofen anlässlich des 6. Stifungsfestes des Katholischen Frauenbundes Lieder vor, führte zwei Singspiele auf und zeigte neun Volkstänze.

Eine zentrale Stellung in der Tanzkultur der Quickbornbewegung nahm der Reigentanz ein. Romano Guardini, der langjährige Bundesführer des Quickborn, grenzte den Reigentanz kategorisch von anderen Tänzen ab: „Mit dem wüsten Tanzwesen unserer Tage hat er nichts zu schaffen. In diesem herrscht die Begierde; der Reigen aber ist vollendete Herrschaft der Seele, Adel und Anmut…So ist der Reigen die Schule rechter geistiger Freiheit und Zucht.“[1] Weitere Verhaltensweisen, die von Quickborn bevorzugt wurden, waren das Schlafen auf dem Boden oder im Heu bzw. Zelt, verpönt waren dagegen Nikotin und Alkohol.

Hinwendung zum Volkstanz

Obwohl die Passauer Quickborngruppe noch bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1938 durch die Nationalsozialisten bestand, zeigte sich schon lange zuvor eine Wandlung des Zeitgefühls. Diese Wandlung verkörperte sich auch an Erna Schützenberger, die im Sommer 1927 mit ihrer Quickborner Wandergruppe einer Gruppe des sudetendeutschen Wandervogels begegnete. In den folgenden Jahren fand sie Kontakte zu wichtigen Vertretern des Finkensteiner Bundes sowie zur benachbarten österreichischen Wandervogelbewegung und damit zu den in diesen Kreisen gepflegten bayerisch-österreichischen Volkstänzen. 1929 nahm sie erstmals an einer Singwoche des Finkensteiner Bundes in Altdorf bei Nürnberg teil. Tief beeindruckt, gelobte sie, wie sie später schrieb, ihre Zeit fortan dieser Singbewegung zu widmen und in Niederbayern solche Singwochen zu veranstalten. Ab 1930 besuchte sie mehrere Singwochen, im Jahr 1932 wurde sie selbst Mitglied des Finkensteiner Bundes.

Als die Nationalsozialisten den Finkensteiner Bund 1933 auflösten, wurde sein Arbeitsprogramm unter dem Dach des neu gegründeten „Arbeitskreises für Hausmusik“ fortgeführt. Im selben Jahr wurde Schützenberger Leiterin der Mittelstelle Niederbayern und veranstaltete in Saldenburg gemeinsam mit dem Österreicher Robert Treml ihre erste niederbayerische Singwoche. Bis 1937 veranstaltete sie jährlich Singwochen, dann pausierte sie auf Druck der Nationalsozialisten bis 1946.

Schützenbergers Protokollheft für die Jahre 1936 und 1937 weist nach, dass im Repertoire dieser Tanzproben die Reigen stark zurückgetreten sind zugunsten von Volkstänzen aus verschiedenen deutschen Landschaften. Ihren eigenen Aufzeichnungen zufolge begann sie um 1930 mit der Aufzeichnung von Volkstänzen, die sie auf Wanderungen im Unteren Bayerischen Wald kennengelernt hatte. Insgesamt dokumentiert sie 28 Tänze bis 1959, davon mindestens 16 allein bis 1932 aus der Gegend um Nottau, Breitenberg, Oberfrauenwald und Salzweg.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Schützenbergers Engagement in der katholischen Jugendbewegung und ihr distanziertes Verhältnis zu den Nationalsozialisten riefen zunehmend deren Misstrauen hervor. Zwischen 1933 und 1935 war sie beim nationalsozialistischen Bund deutscher Mädel (BDM) als Musikreferentin tätig und betreute mehrere BDM-Schulungslager. Damit folgte sie Überlegungen innerhalb der Jugendbewegung und der christlichen Kirchen, die nationalsozialistische Kulturarbeit christlich zu unterwandern, was sich insgesamt als Fehleinschätzung erwies. Wegen des von ihr nicht autorisierten Druckes einer nationalsozialistisch eingefärbten Fassung ihres Tanzheftes für den BDM hatte sie ab 1935 Schwierigkeiten mit den nationalsozialistischen Parteistellen und Institutionen. Als die Quickborngruppe 1938 mit allen katholischen Jugendbünden verboten wurde, führte sie den Tanzkreis im privaten Rahmen als Singkreis in häuslichen Treffen fort. Ebenfalls 1938 wurde Schützenberger von ihrem Posten als Obersekretärin abberufen und zu einer leitenden Kraft in der Stadtkämmerei ernannt.

Nach Kriegsende wurde sie nicht zuletzt wegen ihrer Mitarbeit an dem BDM-Tanzheft auf eine minderwertige Stelle in der Stadtverwaltung zwangsversetzt. Dies führte 1949 zu ihrem Rückzug aus dem Beruf. Ein Engagement zugunsten des NS-Systems war ihr jedoch nicht nachzuweisen.

Die Nachkriegszeit

Bereits 1946 organisierte sie die erste Nachkriegs-Singwoche auf der Saldenburg und begründete im Herbst 1947 den Tanzkreis neu. In den wöchentlichen Proben erarbeitete sie ein durchgängig von bayerisch-österreichischen Volkstänzen bestimmtes Repertoire. Der Volkstanzkreis Passau trat ab 1952 regelmäßig zu öffentlichen Veranstaltungen auf und führte jährlich zwei bis drei Volkstanzfeste in Eigenregie durch. 1957 gründete Schützenberger zudem die Passauer Volkstanzmusik zur musikalischen Präsentation der Tänze.

Die stärkste Wirkung erzielten ihre ab 1946 regelmäßig organisierten Singwochen. Außerdem gab sie im Landkreis Passau und darüber hinaus hunderte von Tanzkursen. Ab 1956 nahm sie mit ihrem Volkstanzkreis an nationalen und internationalen Tanz- und Musikfesten teil. Erst 1969 legte Erna Schützenberger, die inzwischen auch dank ihrer Publikationen als Tanzpflegerin weithin bekannt und renommiert war, die Geschicke des Passauer Volkstanzkreises in andere Hände und gab auch ihr Amt als Leiterin der Mittelstelle Niederbayern des Arbeitskreises für Haus- und Jugendmusik in Kassel auf.

Schützenberger, die unverheiratet blieb, lebte spätestens seit den 1930er Jahren zusammen mit ihrer Schwester Luise in der Schustergasse 5. Nach dem Tod der Schwester zog sie im Juni 1964 um in den Steinweg 4. Anfang der 1970er Jahre erlitt sie einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr richtig erholte. Nach ihrem Tod am 17. Juni 1975 wurde sie auf dem Innstadtfriedhof bestattet.

Werke

  • Altbayerische Volkstänze, 1935
  • Spinnradl. Altbayerische Volkstänze, Passau 1949
  • Spinnradl. Unser Tanzbuch, München 1959 (mit Hermann Derschmidt)

Auszeichnungen

Ihr zu Ehren ist in Passau die Erna-Schützenberger-Straße benannt.

Einzelnachweise

  1. Manfred Seifert: Erna Schützenberger, S. 160

Literatur

  • Manfred Seifert: Erna Schützenberger – Pionierin der Volkstanzpflege und der Volkstanzforschung in Bayern. In: Ostbairische Lebensbilder, Band 2, Dietmar Klinger Verlag, Passau 2005, ISBN 3-932949-51-X