Hildegard Baumann

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Ein Marterl erinnert bis heute an den Mord an Hildegard Baumann.

Hildegard Baumann (* 1926; † 31. März 1944 in Hals, heute Passau) war ein junges Mädchen aus Kärnten, das am 31. März 1944 im Alter von 18 Jahren in Hals ermordet wurde. Der Fall zählt zu den ältesten und amtlich noch immer ungeklärten Mordfällen in Passau. Oberhalb der Ilz, am Höhenweg bei der Grafenleite, etwas verdeckt durch eine Leitplanke, erinnert bis heute ein kleines Marterl an die schreckliche Tat.

Mordfall

Tathergang

Es war ein Jahr vor Ende des Zweiten Weltkriegs: Mit der Niederlage in Stalingrad im Februar 1943 hatte sich das Kriegsglück der Deutschen gewendet, an der Ostfront rollten den ganzen Januar 1944 die sowjetischen Angriffe und zwangen die deutschen Truppen zum Zurückweichen. Ab und zu gab es auch in Passau Fliegeralarm, wenn alliierte Flugzeuge das Land überflogen, aber es fielen noch keine Bomben. Eigentlich freute sich Hildegard Baumann, die als sogenannte Maid in Kärnten zum Reichsarbeitsdienst eingezogen worden war, auf ein paar Tage Urlaub bei einer befreundeten Familie am Pustetweg in Hals bei Passau. Per Postkarte schrieb sie ihnen ein paar Tage vor ihrer Ankunft, dass niemand sie vom Bahnhof abzuholen brauche, weil sie den Weg kenne und alleine finden würde. Diese Entscheidung sollte ihr zum Verhängnis werden.

Am Abend des 31. März 1944 traf Hildegard Baumann also mit dem Zug in Passau ein und wollte den Weg zum Halser Urlaubsziel zu Fuß zurücklegen. Zeugen sagten später aus, ein Mann, der deutsche Mundart sprach, habe ihren goldgelb geflochtenen, mit zwei Riemen versehenen Panamakoffer getragen. Auf dem Höhenweg oberhalb der Ilz, am rechten Ufer bei der Grafenleite, kam es gegen 22 Uhr zu der heftigen Auseinandersetzung, die für die junge Frau tödlich endete.

Da der Mondschein den mit Schnee bedeckten Tatort erhellte, konnten ein Mann und ein Mädchen von der Stromlänge aus genau beobachten, wie sich Hildegard Baumann und ihr Begleiter lautstark stritten und sie ihn anschrie, ihr ihren Koffer zu geben. Daraufhin packte der Mann die junge Frau und stieß sie mit dem Kopf gegen das eiserne Straßengeländer. Zu einem Knäuel verwickelt rollten die beiden den steilen Abhang hinunter. „Mama, Mama hilf mir!“, konnten die beiden Hildegard Baumann noch schreien hören. Sie forderten den Täter auf, die junge Frau in Ruhe zu lassen. Vielleicht, um ihre Schreie zu ersticken, die eine weitere Zeugin aus der Ferne fälschlicherweise für die Schreie kämpfender Katzen hielt, zog der Mann die sich heftig wehrende Hildegard Baumann in die Ilz und drückte ihren Kopf unter Wasser, bis sie keinen Laut mehr von sich gab. Dann stieg er aus dem Wasser und entfloh bei einer Scheune über den steilen Hang durch ein Waldstück in Richtung Ries. Der grüne, mit zwei Kordeln und einer Feder geschmückte Trachtenhut einer Wiener Firma, den der Mann auf der Flucht verlor, ging in den Wirren des Krieges verloren, genau wie der Koffer der jungen Frau.

Ermittlungen

Die beiden Augenzeugen eilten los, um den Bürgermeister zu suchen und ihm von der Tat zu berichten. Vor seinem Haus begegneten sie der Halserin, die zuvor vom Wirtshaus nach Hause gegangen war und dabei ebenfalls die Schreie Hildegard Baumanns gehört hatte – nur, dass sie das da noch nicht wusste. Gemeinsam kehrten sie zu dem Lokal zurück und verständigten den Bürgermeister und die Feuerwehr, die sofort begannen, nach der jungen Frau zu suchen – mit einer Taschenlampe, mehr hatten sie nicht. Erst im Morgengrauen fanden sie die Leiche der jungen Frau, die ein Soldat auf Urlaub sogleich aus dem seichten Wasser der Ilz zog. Von der Gastfamilie Biendl, die Hildegard Baumann im Pustetweg 62 besuchen hatte wollen, bekam die damals 17-jährige Tochter Berta die traurige Aufgabe, das Mordopfer zu identifizieren. Trotz ausgelobter Belohnung von 5.000 Mark konnte der Mörder nicht gefasst werden.

Aufbereitung

Der Passauer Autor Franz Hartl beschäftigte sich schon seit Jahren intensiv mit dem Fall, der lange Zeit Gegenstand von Gerüchten und Spekulationen war. 2011 thematisierte er den Mord in seinem Buch „Wie können Menschen nur so etwas tun?“ über ungeklärte Mordfälle.

2017 konnte Hartl neue Hinweise auftun und erneut mit einem Zeugen sprechen, der sich 2011 nach Erscheinen seines Buch gemeldet hatte. Der Mann hatte 1999 als Chef einer staatlichen Dienststelle ein Gespräch zwischen einer Angestellten und einem emotional sehr aufgebrachten Seelsorger mitbekommen. Beide kannten sich persönlich, der Geistliche soll demnach in einer Beichte erfahren haben, dass August Eigruber, SS-Obergruppenführer und NSDAP-Gauleiter sowie Reichsstatthalter Oberdonau, der Täter gewesen sei. Hildegard Baumann sei Eigruber zufällig begegnet und er habe sich wohl an ihr vergehen wollen. Der Beichtende sei ein Polizist gewesen, ob er mit Ermittlungen betraut war, war nicht mehr eindeutig feststellbar. Die Geschichte klang für den heute 74-jährigen Hinweisgeber plausibel – der 1946 im Zuge des Mauthausen-Hauptprozesses verurteilte und 1947 hingerichteten Eigruber könnte zur Tatzeit die Bauarbeiten am Kraftwerk Oberilzmühle besucht haben, für die er als Leiter des oberösterreichischen Ernährungsamts zuständig war. Der Polizist, die Angestellte und der Geistliche leben heute nicht mehr.

Literatur