Kappl-Hof

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Das Ensemble im Museum in Finsterau (Foto: Martin Ortmeier)

Der Kappl-Hof aus Trautmannsried ist im Freilichtmuseum Finsterau als offener Dreiseithofes mit Wohnstallhaus, Getreidekasten (Troadkasten) und Stallstadel arrangiert. Alle drei Gebäude tragen ein flach geneigtes Legschindeldach. Das Wohnstallhaus entspricht dem Typus Waldlerhaus.

Der Darstellungszeitraum ist um 1950 angesiedelt.[1]

Beschreibung

Der Kappl-Hof im Jahr 1975 in Trautmannsried

Das Ensemble

Die Form des offenen Dreiseithofes, wie die drei Hauptgebäude der Kappl-Hofs im Museum gruppiert sind, kam im Inneren Bayerischen Wald häufig vor. Vom Originalanwesen in Trautmannsried stammen das Wohnstallhaus und der Getreidekasten. Der für die Wirtschaftsgröße des Hofs zu klein bemessene Stallstadel stammt von einem Anwesen im Unteren Bayerischen Wald (Reichenberg, Landkreis Freyung-Grafenau). Alle drei Gebäude tragen (im Museum statt der Falzziegeldeckung rekonstruiert) ein flach geneigtes Legschindeldach.

Zum Hof gehört ein kleiner Hausgarten mit einfachem Gemüse, ein paar Johannisbeerstauden und einigen Blumen, zudem südöstlich ein hochgewachsener Kirschbaum (1986 gepflanzt). Hochstamm-Apfelbäume (u.a. die alte, sehr frostharte Sorte Danziger Kantapfel) säumen seit 1996 die Hofzufahrt, ein Walnussbaum schmückt und beschattet seitdem die Mitte des Hofs. Es gibt eine Hundehütte, ein Klohäusl, einen gemauerten Backofen und einen hölzernen Schweinestall.

Die Dorfkapelle aus Schwolgau ist dem Ensemble des Kappl-Hofs seit 1997 zugeordnet.

Die Gebäude

Der Herdwinkel in der Stube (Foto: Martin Ortmeier)
Der Herrgottswinkel mit dem Stubentisch (Foto: Martin Ortmeier)

Das Haupthaus (Wohnstallhaus) ist im nach Süden gerichteten Wohnteil ein Kantholzblockbau, der wohl 1835 errichtet wurde. Im späten 19. Jahrhundert wurden im Erdgeschoss die Fenster vergrößert. Sie waren ursprünglich kleiner. Der Stall, im rückwärtigen Teil des Hauses, ist aus Feldsteinen gemauert. Um 1930 ist er ein Stück verlängert worden, damit mehr Rinder im Stall gehalten werden konnten. Zur gleichen Zeit wurde auch bei der Stube eine Wand, deren Holz offenbar verfault gewesen war, durch Ziegelmauerwerk ersetzt.

In die Stube gelangt man durch eine geräumige Fletz. Von dort führt eine einläufige Treppe in den ungedämmten Dachraum. Zuletzt stand in der Stube ein emaillierter Sparherd, auf dem gekocht und mit dem auch die ganze Stube beheizt wurde. Es war genau dieser Ofen, der auch jetzt im Museum wieder in der Stube steht. Zuvor diente ein sogenannter Sesselofen. Auch der Tisch, die Stühle und das geflickte Kanapee sind originale Ausstattungsstücke des alten Kappl-Hofs. Der Darstellungszeitraum um 1950 wurde durch die dichte Erhaltung von originalen Ausstattungsstücken begünstigt.[2]

Der Getreidekasten ist ein besonders sorgfältig gefügter, aufgeständerter Blockbau, ein zierliches Hühnergatter, die Bauinschrift 1712 und raumseitig an der Türe ein Zahnriegelschloss sind bemerkenswert. Dass eine Blockbauwand schräg angesetzt ist, erklärt sich durch die enge Hofsituation, die zwischen Stadel und Kasten eine Durchfahrt erforderte. Die hölzernen Ständer, auf denen der eigentliche Kasten frei von der Feuchte des Bodens ruht, wurden 2016 erneuert.

Der Stallstadel aus Reichenberg ist ein (außen) verbretterter Holzständerbau mit rekonstruiertem Legschindeldach. Aus Feldsteinmauerwerk mit nachträglich eingezogenem (sogenannt preußischen) Schienengewölbe ist ein Schafstall eingebaut.

An der östlichen Stadelwand ist seit 1988 außen ein Kreuz mit geschnitztem Kruzifix montiert. Es stammt aus der Nähe von Waldkirchen. Die Fassung von Restaurator Hilmar Hendrykowski (Waldkirchen) ist weitgehend neu, Teile des Schnitzwerks wurden von ihm rekonstruiert.

Geschichte

Hofgeschichte

Der giebelseitige Schrot hat eine dekorativ verbretterte Brüstung. Traufseitig ist vor dem Kniestock ein niedriger Kriech-Schrot angefügt. (Foto: Martin Ortmeier)
Das Hühnergatter am Troadkasten (Foto: Martin Ortmeier)
Datierung und Initialen am Troadkasten (Foto: Martin Ortmeier)

Bis 1971 haben die ledigen Geschwister Josef, Franz Xaver und Maria Danzer den Kappl-Hof bewirtschaftet. Sie konnten auf eine ungebrochene Familientradition bis 1462 zurückblicken, als ein Martin Khäpl von den Wittelsbachischen Herzögen ein Gut in Trautmannsried auf Erbrecht verliehen bekommt. Jahrhundertelang tragen die Besitzer des sogenannten Kappl-Hofes den Namen Khäpl, Khäppel oder Kappl, bis 1863 Anna Maria Kappl einen Georg Danzer heiratet. Von 25 Tagwerk (ca. 8 ha) Grundbesitz war der Kappl-Hof zuletzt bis auf 150 Tagwerk (ca. 50 ha) angewachsen. Josef Danzer († 1971), der ledige Kappl-Bauer, lebte nach dem Tod seiner Geschwister Franz-Xaver und Maria Danzer (beide † 1962) allein.

Als der letzte Eigentümer der Geschwister Danzer starb, war der Hof mit seinen alten Gebäuden nutzlos geworden und drohte zu verfallen. Deshalb wurde 1974 auf Initiative des Kreisheimatpflegers Peter Dellefant das Wohnstallhaus und der Getreidekasten vom Landkreis Freyung-Grafenau für das Freilichtmuseum Finsterau gekauft. 1980 wurde der „neue“ Kappl-Hof in Finsterau eröffnet. Der Volkskundler und spätere Museumsleiter (1982–1983) Dr. Georg Baumgartner hat die Ausstattung auf Grundlage einer Photodokumentation von Egon M. Binder rekonstruiert.

Seit 1999 „wacht“ ein alter Hofhund an der Schwelle des Wohnhauses. Es ist ein lebensgroßes Kunstwerk aus Bronze.[3]

Ausstattung und didaktische Erschließung wurden 1984 bis 2019 kontinuierlich nachgebessert: 1984 hat der Museumleiter[4] den Stubenboden als Rumpelkammer ausgestattet, wie er von Volksgut-Sammlern, die den Kappl-Hof vom alten Standort kannten, geschildert wurde, das Ensemble wurde mit Bäumen angereichert, das Inventar wurde verdichtet.[5]

Datierungen

Das Wohnstallhaus wurde 1835 erbaut, Umbauten und Erweiterungen datieren auf das späte 19. und das frühe bis fortgeschrittene 20. Jahrhundert. Bauteile eines Vorgängerbaus von 1605 (dendrochronologisch ermittelt) wurden im Obergeschoss bei den Zwischenwänden wiederverwendet. Der Bau des Getreidekastens ist inschriftlich 1712 nachgewiesen. Über der massiven Kastentüre sind mit Rötel auf ein „Kopfband“ (eine hölzerne Diagonalstrebe) die Initialen AK und die Jahreszahl 1712 aufgemalt. Die Initialen stehen für Adam Khäppel, der den Getreidekasten neu errichten ließ. Im Stadel ist in die Firstsäule am Rand der Tenne das Erbauungsdatum 1816 eingeschnitten.

Forschung

Grundriss des Kapplhofs: links in Trautmannsried 1954, mit einem großen Inhaus im Norden des Hofs – rechts im Freilichtmuseum 2013 im Ensemble mit einem Stadel aus Reichersberg. Vom Kapplhof in Trautmannsried wurden Wohnstallhaus (1835) und Getreidekasten (1712) transloziert. Der hohe Stadel (1947) und ein neuer Stall (1940), außerdem das große Inhaus verblieben am alten Ort. Im Museum wurden das Haupthaus, der Kasten und ein fremder Stadel zu einem offenen Dreiseithof gruppiert. (Grafik: Martin Ortmeier)

Zur Gründungszeit des Freilichtmuseums Finsterau in den Jahren bis 1980 stand das Museum nicht unter wissenschaftlicher Leitung[6], deshalb erfuhr die Bergung des Anwesens in Trautmannsried keine fachgerechte Begleitforschung.

2011 hat der Museumsleiter, unterstütz vom Referenten der Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern, Oberkonservator Georg Waldemer, eine umfangreiche Nachforschung initiiert. Die Landesstelle hat die Finanzierung maßgeblich gefördert.[7]

Der Kappl-Hof war in den späten 1960er und den 1970er Jahren eine „Pilgerstätte“ für Sammler und Antiquitätenhändler gewesen, das Inventar, das vom Museum 1974 übernommen wurde, war deshalb „ausgemagert“. 2010 ist es gelungen, einen hochwertigen Stubentisch, den die Familie Danzer bereits auf den Stubenboden geschafft und dann veräußert hatte, von einem Sammler zurückzukaufen, 2013 konnte ein großes Konvolut von Textilien, die Maria Danzer gehört hatten, erworben werden. Tisch und Kleidungsstücke wurden vom Museum umgehend restauriert.

Der erfahrene volkskundliche Feldforscher Dr. Josef Paukner (Regensburg) hat 2011–2013 im Auftrag des Museums Archivalien zum Kappl-Hof systematisch ausgehoben und ausgewertet und Zeitzeugen in Trautmannsried ausfindig gemacht und befragt. Es wurde im Zuge dieser Forschung klar, dass die aktuelle Ausstattung des Hofs im Museum nur die Jahre des wirtschaftlichen Niedergangs dokumentiert. Die Bauersleute Danzer am Kappl-Hof waren jedoch wohlhabende und erfolgreiche Bauern gewesen. Maria Danzer galt als eine „gute Partie“.

Vermessungsakten und neu erschlossene Lichtbilder zeigen auf, dass die Rekonstruktion im Museum die wirtschaftliche Größe des Kappl-Hofs nicht richtig wiedergibt. 40 Jahre nach Josef Danzers Tod und mehr als 35 Jahre nach der Abtragung des Hofs für Finsterau erbrachten Archivrecherchen und Feldforschung neue, richtigstellende Erkenntnisse über die Wirtschafts- und Familiengeschichte des Hofs.

Literatur

  • Georg Baumgartner und Martin Ortmeier, Freilichtmuseum Finsterau, München u.a. (Verlag Schnell & Steiner) 1986 (=Bayerische Museen, Band 3), ISBN 3795407524
  • Martin Ortmeier: Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte. Passau 2009 (Dietmar Klinger Verlag), ISBN 978-3-232949-87-6, S. 38–47
  • Martin Ortmeier: Verstreute Quellen zur Gründungsgeschichte des Freilichtmuseums Finsterau. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 57 (2015), S. 219–226
  • Georg Waldemer: Das „Waldlerhaus“ in den Freilichtmuseen. S. 49–62. In: Astrid Hansen (Red.). Das Waldlerhaus. 2. aktualisierte Auflage, München (=Denkmalpflege Themen, Nr. 1), 2017
  • Martin Ortmeier: Fördermaßnahmen im Freilichtmuseum Finsterau 1984–2018. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 60 (2018), S. 193–204

Anmerkungen

  1. Bei der Eröffnung des Hofs im Museum im Jahr 1980 wurde Kritik an der zeitnahen Ausstattung um 1950 geübt. Der schillernde Bundestagsabgeordnete Franz Handlos aus Regen hat öffentlichkeitswirksam angeboten, einen Kachelofen (vielmehr einen Satz Kacheln) zu spenden.
  2. Kilian Kreilinger, Freilichtmuseen – ein Weg zur Vermittlung von Geschichtszeugnissen. In: Georg Baumgartner und Martin Ortmeier, Freilichtmuseum Finsterau, München u.a. (Verlag Schnell & Steiner) 1986 (=Bayerische Museen, Band 3), S. 10–15, ISBN 3795407524 – S. 15: „Zum ersten Mal wagte man mit dem ‚Kapplhof‘ einen zeitlichen Zustand der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts zu präsentieren: Er ist an den erhaltenen Veränderungen und Ausbesserungen des Gebäudes wie auch in der Ausstattung des Hofes ablesbar.“
  3. Unvergessen ist der empörte Ausspruch eines alternden Journalisten, als er das Bronze-Porträt des alten Hofhundes sah, das Erwin Legl für den Kappl-Hof im Freilichtmuseum Finsterau angefertigt hat: „Das widerspricht meinem gesunden Volksempfinden“. Vehement versuchte er, als Repräsentant des Fördervereins, den Ankauf dieses Werks zu verhindern. Aber viele Menschen lieben dieses Tierbildnis, der Kunstverein Passau widmete ihm das Titelbild der Ausgabe 56 (2-2015) der Passauer Kunst Blätter, 2015 – Tiere–Zvířata, S. 6
  4. Dr. Martin Ortmeier führte die Freilichtmuseen Finsterau und Massing 1984 bis 2019.
  5. Depotleiter Konrad Obermeier hat wesentlich mitgewirkt.
  6. Diese wurde erst 1983 auf Druck der Gutachterbehörde Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern, vielmehr damals Abteilung nichtstaatliche Museen am Bayerischen Nationalmuseum, eingerichtet.
  7. Diese Förderung wurde bedauerlicher Weise in der detaillierten Würdigung der Fördermaßnahmen im Passauer Jahrbuch 2018 nicht aufgeführt: Martin Ortmeier: Fördermaßnahmen im Freilichtmuseum Finsterau 1984–2018. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 60 (2018), S. 193–204. Wie so oft in der Geschichte des Freilichtmuseums Finsterau konnte der kommunale Träger des Museums nur auf Grundlage dieser wesentlichen und unbürokratischen finanziellen Zuwendung bewogen werden, eine so wenig populäre, wenngleich heimatpflegerisch wertvolle Maßnahme zu tragen.