Kraftpostlinie Schönberg-Passau

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Der erste Motorpostwagen zwischen Schönberg und Passau. Foto: Stadtarchiv Passau.

Die Kraftpostlinie Schönberg-Passau wurde am 1. Juli 1908 in Betrieb genommen, fast genau drei Jahre nach Inbetriebnahme der ersten Kraftpostlinie Deutschlands am 1. Juni 1905 zwischen Bad Tölz und Lenggries. Die Motorpost in Schönberg war damit die erste ihrer Art im ostbayerischen Raum und mit 42 Kilometern die längste dieser neuen Form der Beförderung von Personen und Postsachen. Die Fahrt von Schönberg nach Passau dauerte knapp zwei Stunden. Zuerst waren täglich zwei Fahrten in jede Richtung vorgesehen.

Zug-Anbindung

Sowohl die Gemeinde Grafenau als auch die Gemeinde Schönberg hatten sich um eine Verkehrs-Anbindung mittels Eisenbahn bemüht − doch nur Grafenau war mit der Strecke nach Zwiesel im Wortsinn zum Zug gekommen.

Postwesen in Schönberg - Geschichte

Das Postwesen in Schönberg ist sehr alt und bestand seit 1790. Schon damals gab es eine Postverbindung von Passau über Tittling und Schönberg nach Regen und weiter nach Norden. In Grafenau bestand eine Briefsammelstelle. Von dort wurden die Grafenauer Sendungen mit einem Fußboten nach Schönberg gebracht, wo sie von der Pferdepost übernommen wurden.

Einweihungsfeier 1908

Zur Einweihungsfeier der neuen Postlinie dichtete ein unbekannter Dichter aus Schönberg: "Reich geschmückte Häuser, blumenbehangene Fahrräder, Kinder mit Fähnchen, Böllerschüsse: „Warum so hohe Festesfreud? / Wem gibt man Dank und Ehre? / Die längst ersehnte Auto-Post / erschließt sich dem Verkehre“.

Jungfernfahrt

Mit ihren 35 PS erreichten die gelb gestrichenen Wagen die damals viel bestaunte Geschwindigkeit von 15 Stundenkilometern. Bei aller Freude trauten nicht alle diesem "Geschwindigkeitsrausch": Auf die von rund 50 Honoratioren unternommene Jungfernfahrt von zwei Wagen am 30. Juni von Passau nach Schönberg schickte die Oberpostdirektion Landshut sogar einen Arzt mit, falls auf der langen Fahrt etwas passieren sollte.

Fahrplan und Betreiber

Vorgesehen waren bei Einführung der Linie zwei Hin- und Rückfahrten pro Tag, an Sonn- und Feiertagen im Sommer kam eine weitere Fahrt hinzu. Ab Sommer 1909 wurden auch während der Woche drei Fahrten durchgeführt. Ende 1909 wurde zusätzlich der Güterverkehr aufgenommen. Dazu wurden Güterhinterlegungsstellen in verschiedenen Orten eingerichtet. 1909 wurden auf der Strecke Passau – Tittling – Schönberg insgesamt 56.350 Personen befördert. 1983 wurde das Liniennetz der Post von der Bundesbahn übernommen. Schrittweise wurden die gelben Postbusse durch die roten Bahnbusse abgelöst. 1989 übernahm die RBO.

Technische Daten zur Motorpost

Der damalige Tittlinger Pfarrer Matthias Putz hielt Details dieser als Jahrhundertwerk gepriesenen Erfindung fest. Die vollgummibereiften, motorisierten Postautos hatten 22 gepolsterte Sitzplätze, bei Mitführung eines Anhängerwagens, in dem ein Bremser mitfuhr, sogar 37. Die Fahrgeschwindigkeit betrug höchstens 15 Kilometer pro Stunde.

Tiere auf der Straße

Vor der Inbetriebnahme der neuen Motorpostlinie informierte die Oberpostdirektion die umliegenden Fuhrwerksbesitzer über den bevorstehenden Verkehr. Diese sollten ihre Pferde allmählich an den Anblick und das Fahrgeräusch der Motorfahrzeuge gewöhnen.

Gewinn

Die neue Linie rechnete sich schnell, verzeichnete sie doch "von allen 21 Linien, die damals in Bayern eingeführt waren (...) die größten Jahreseinnahmen". Der Fahrpreis betrug eine Reichsmark, was sich bei 54.532 beförderten Personen allein im ersten Jahr durchaus rentierte − selbst wenn die Anschaffung eines Postwagens 24.000 Reichsmark kostete.

Nach den Aufzeichnungen des Tittlinger Pfarrers Matthias Putz kostete die Fahrt von Tittling nach Passau damals 1,15 Mark. Allerdings: Der Tageslohn eines Arbeiters im Steinbruch betrug zu der Zeit 1,50 Mark. Der Bremser bekam sogar zwei Mark Tageslohn, was auf seine große Verantwortung schließen lässt. So wird im September 1909 von der lebensrettenden Tat des Bremsers Ignatz Bankratz berichtet, der in Preming selbstlos ein heruntergefallenes Kind rettete, bevor es vom Anhänger überrollt wurde.

Erweiterung der Strecke

Bereits zwei Jahre nach ihrer Eröffnung wurde die Linie nach Grafenau verlängert, das damit ebenfalls an den "Gravitationspunkt Passau" (so Bezirksamtmann Zehrer aus Grafenau bei der Eröffnung der Linie Passau − Schönberg) angebunden war. Weitere zwei Jahre später verkehrte die Motorpost ebenso nach Regen, und ab 1914 verließen die Wagen Schönberg regelmäßig Richtung Deggendorf. Ein Rückschlag war die Eröffnung der Bahnlinie zwischen Deggendorf und Tittling, doch ist man sich im Markt bis heute einig, dass die Motorpost Schönberg erst für den Tourismus erschlossen und den Grundstein gelegt hat für die rund 75.000 Besucher, die heute alljährlich den Luftkurort − wenn inzwischen auch zumeist mit eigenem Auto − aufsuchen.

Ende der Postillone

Die Einführung der Motorpost bedeutete das Ende der Beförderung mit pferdebespannten Postkutschen. Deshalb wurde im Juli 1908 der Poststall mit 12 bis 15 Pferden des königlichen Posthalters Anton Mayer in Tittling aufgelöst. Gleiches geschah mit dem Poststall des Gutsbesitzers Franz Sauter in Saldenburg. Es war auch das Ende des 1845 eingerichteten Postkutschenverkehrs.

Der Schönberger Josef Haidn beispielsweise sah sich plötzlich als letzter Postillon Bayerns abgelöst. Jahrzehntelang hatte er auf dem Kutschbock Sonne, Wind und Regen getrotzt, jetzt wurde seine Arbeit von den Omnibusfahrern übernommen. Er starb Ende der 60er Jahre, seine Uniform wird im Bundespostministerium in Bonn aufbewahrt.

Erste Fahrt für umliegende Gemeindebewohner

Und wie Schönberg bei der Verlegung der Eisenbahnlinie in den Bayerischen Wald auf der Strecke geblieben war, so erging es nun anderen Gemeinden, die sich mit dem Anblick der gelben Postwagen aus der Ferne begnügen mussten. "Die Rudertinger Schulkinder durften vom nördlichen Schulfenster des Schulhauses dem Omnibus nachschauen und mit Spannung die Bewältigung des Sittenberger Hügels beobachten." Für die Kinder bot häufig die Firmung im Passauer Dom den ersten Anlass für eine Reise in dem neuen Verkehrsmittel und in die "Stadt".

Finanzielle Beteilung der an der Strecke liegenden Gemeinden

Anfang 1924 lehnte der Gemeinderat Ruderting "die Zuschussleistung für den Kraftpostbetrieb unmittelbar" ab, da die örtlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt und die von der Durchgangsstraße abseits liegenden Anwesen nicht mit einer Haltestelle bedient wurden. Die agileren unter den Bürgern wussten sich zu helfen: "Das Fahrzeug lockte die Rudertinger immer wieder zum Aufspringen und verhalf zu einer kostenlose Reise bis zum Lohwald", so Öttl. Ein halbes Jahr später wurde ein weiterer Antrag auf sieben Prozent Zuschuss ebenfalls nicht genehmigt. 1930 unterstützte der Gemeinderat zwar die "Kraftfahrlinie von Schönau-Grafenau-Passau", wollte sich aber wiederum nicht auf einen jährlichen Zuschuss von zehn Mark festlegen.

Nur die Hälfte der 16 an der Strecke liegenden Gemeinden öffneten schon zu Beginn ihr Haushaltssäckl. So galt weiterhin, was Schönbergs Bürgermeister Konrad Sandl bei der Eröffnung anerkannt hatte: "Nur durch die finanzielle Hilfe, die Passau diesem Unternehmen gezeigt, ist es möglich geworden, diese Linie zu Stande zu bringen."

Busanbindung im 21. Jahrundert

Im Jahr 2008 verbindet der RBO Bus wochentags fünfmal Schönberg und Passau, am Wochenende zweimal. Die rund 40 Kilometer werden mittlerweile in einer guten Dreiviertelstunde zurückgelegt.

Literatur

Zitiert aus:

  • "Schönberg im Wandel der Zeit" von Josef Sager
  • "Schönberger Heimatbuch" von Alfons Maier