Kunstaktion Holzofen

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Modell (M=1:20) von Martin Ortmeier für die Kunstaktion Holzofen. Die Rauchgaszüge haben die Themen „Burgfräulein“ (gelb), „Kirchenvater“, „Minne“ (braun), „Ritter“ und „Laurentius“ (schwarz). (Photo: Archiv Martin Ortmeier)

Die Kunstaktion Holzofen war am 7. Juni 1998 ein Beitrag zur kulturgeschichtlichen Ausstellung „Ritterburg und Fürstenschloß“ des Oberhausmuseums in Passau, nach einem Konzept von Martin Ortmeier, unter dem Kurat von Hubert Huber, Waltraud Danzig und Martin Ortmeier. Aus vorgefertigten Bauteilen wurde ein Ofen aus Holz zum Beheizen mit Holz – errichtet. In der Aktion wurden die hölzernen Heiz-Züge montiert und von Künstlern gestaltet. Das Heizen war Ereignis, das im Brennen des Kunstwerks gipfelte.

Temporäre Kunst im öffentlichen Raum

Der öffentliche Raum dient vielen Zwecken, unter anderem dem Kraftverkehr, der Wirtschaft und der sozialen Begegnung. Dauerhaft kann Kunst dort nur in Abstimmung damit existieren. Für zeitlich begrenzte Aktionen und Ausstellungen von Kunst steht mehr Raum zur Verfügung. In Niederbayern hat sich immer wieder der Berufsverband Bildender Künstler Niederbayern engagiert. Der Kunstverein Passau, Kunstreferat und Künstlerseelsorge der Diözese Passau und der Verein Festspiele Europäische Wochen Passau haben mehrfach Aktionen und temporäre Ausstellungen im öffentlichen Raum veranstaltet.

Die Aktion Gipfelkunst im Jahr 2000 auf zwölf Berghöhen des Landkreises Passau, organisiert von Hubert Huber, war in der Region bislang am umfangreichsten, die Kunstaktion Holzofen im Jahr 1998 die waghalsigste.

Konzept

Phototermin kurz vor dem Abbrand des Holzofens: vor dem Ofen Martin Ortmeier, auf der Staffelei v. l. Michael Lauss, Waltraud Danzig, Kurt Gibis (verdeckt) und Hubert Huber, sitzend (verdeckt) Alois Jurkowitsch, stehend Christian Zeitler (Photo: Franz Hintermann, Archiv Martin Ortmeier)

Die Aktion Holzofen spielt mit der Zweideutigkeit des Begriffs für (gewöhnlich) Ofen für Feuerung mit Holz und Ofen aus Holz.

Modell und Ikonographie hat Martin Ortmeier im August 1997 erarbeitet, die Herstellung der hölzernen Grundbauteile (Ofenzüge mit gleichschenkelig dreieckigem Querschnitt) hat Hubert Huber im Winter 1997/98 mit Schreinermeister Hans Resch geleistet. Die Verhandlungen mit den öffentlichen Institutionen hat Hubert Huber geführt.

Holzofen handelt von der Gesellschaft des Mittelalters: Im populären Heiligen Laurentius wird die bürgerliche und bäuerliche Bevölkerung präsent, ohne dass sie selbst wirksam wäre. Ritter und Burgfräulein stehen für die weltliche, der Kirchenvater steht für die kirchliche und klösterliche Existenz. Der Minneturm steht für das Höchste, das im Irdischen des Mittelalters begehrt wurde, der Rauch für alles himmelwärts Strebende, das Feuer steht zugleich für Segen und Fluch dieser Zeit.

Das Mittelalter war eine Zeit technischer Innovation. Unter anderem verdankt ihm die Neuzeit die Kulturgüter Stube und Ofen.

Aktion

Nach der künstlerischen Gestaltung wurde der Holzofen mehrere Stunden geheizt (Photo: Franz Hintermann, Archiv Martin Ortmeier)

Die vorgefertigten Bauteile aus Holzbohlen wurden am 7. Juni 1998 im hinteren (damals brachliegenden) Burghof der Veste Oberhaus zusammengesetzt. Feuerung und Rauchgaszüge haben die Ofensetzer Kurt Gibis aus Glashütte und Martin Ortmeier aus Passau mit Lehm und Schamotteplatten gegen zu schnelles Verbrennen der hölzernen Wandungen ausgekleidet.

Fünf Züge wurden, teils nach Entwürfen und Modellen, teils spontan, von den Künstlern Waltraud Danzig, Hubert Huber, Alois Jurkowitsch, Michael Lauss und Christian Zeitler thematisch gestaltet:

  • Zug 1 (Heize, ausschamottiert), Gehäuse aus Eichenholz, Malerei mit farbigen Beizen: „Laurentiusschrein“ von Hubert Huber, Fürstenzell
  • Zug 2, Gehäuse aus Eschenholz, Stahlplatte (Epitaph): „Ritter“ von Christian Zeitler, Neukirchen vorm Wald
  • Zug 4, Gehäuse aus Eschenholz, Assemblage (Bricolage): „Minneturm“ von Alois Jurkowitsch, Passau
  • Zug 5, Gehäuse aus Eschenholz, Papier (Reclam-Heft ‘‘Augustinus: Bekenntnisse‘‘) und Lehm (Keramik): „Kirchenvater“ von Waltraud Danzig, Tiefenbach
  • Zug 7, Gehäuse aus Weidenholz: „Burgfräulein“ (Hut, Schleier, Gesicht, Brüste und Scham geschnitzt) von Michael Lauss, Wegscheid
  • Züge 3 und 6, Funktionszüge aus Fichtenholz von Martin Ortmeier und Kurt Gibis

Bis 4,2 Meter Höhe erstreckte sich das siebenteilige Aggregat aus dreieckigen Rauchgaszügen. Nach der Fertigstellung der Kunstbeiträge wurde der Ofen mehrere Stunden geheizt, bis die Wandung bei am Spätnachmittag aufkommendem Wind an kritischen Stellen durchbrannte und das Feuer (mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr) gelöscht wurde. Dokumente und Relikte der Aktion wurden anschließend im Obergeschoss der Neuen Galerie auf der Veste Oberhaus bis 31. Oktober 1998 ausgestellt, danach vernichtet. Erhalten sind die Modelle von Martin Ortmeier und Michael Lauss.

Förderung und Beratung

Ikonographische Beratung: Johann Nep. Bachmeier, 1997 Förderung: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst; Stadt Passau, Brunner Holzbrandfeuerungen GmbH (Eggenfelden), Restaurator und Möbelbauer Hans Resch (Eglsee), Foto Hintermann (Waldkirchen) und Sparkasse Passau

Quellen

  • Dokumentation – Ritterburg Fürstenspaß – 1 heiliger Laurentius 4 Tage Kunstaktionen auf der Veste Oberhaus, 7. bis 10. Juni 1998. Passau 1998
  • Martin Ortmeier: Burg Paneuropa. Künstlerinnen und Künstler begleiten die Ausstellung „Ritterburg und Fürstenschloß“. In: Passauer Kunst Blätter 23 (1/1999), S. 28–30
  • Martin Ortmeier: Temporär: Holzofen und Gipfelkunst – Dočasné: Dřevěná pec a Umění na kopcích. Kunst im öffentlichen Raum in Niederbayern. In: Centrum pro dějiny sochařství Horažďovice o.s. in Zusammenarbeit mit dem Freilichtmuseum Finsterau und dem Kunstvereins Passau e.V. (Hg.). Draußen – Venku. Kunst im öffentlichen Raum in Südwest-Böhmen und Niederbayern 1990–2010 – Umění ve veřejném prostoru v jihozápadních Čechach a Dolním Bavorsku 1990–2010. Klatovy (Klattau), S. 32–33