Leopoldsreut

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Die Kirche St. Johannes Nepomuk in Leopoldsreut.

Leopoldsreut ist ein Ortsteil der Gemeinde Haidmühle im niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau. Das Dorf, das seit 1963 verlassen ist, gilt als das höchstgelegene des Bayerischen Waldes.

Lage

Leopoldsreut liegt im Bayerischen Wald in einer Höhe von 1108 Metern inmitten von Wäldern etwa fünf Kilometer westlich von Haidmühle.

Geschichte

Gründung des Hochstifts Passau

Fürstbischof Leopold Erzherzog von Österreich ließ 1618 zwischen den Erhebungen Sulzberg und Haidel das Waldhufendorf Leopoldsreut anlegen, außerdem in der Nachbarschaft Herzogsreut und Schwendreut. Auslöser dieser Aktion war der Aufstand der Böhmischen Stände, der zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges führte. Die Gründung der drei Dörfer sollte die Landesgrenze des Hochstifts Passau und den Goldenen Steig sichern.

Durch die Pest starb Leopoldsreut 1625 ebenso wie die anderen neuen Walddörfer bereits wieder aus. Erst 1644 wurde der Dorfrechtsbrief mit genauen Vorschriften für die drei neuen Siedlungen ausgestellt. Wegen der schwierigen Lebensverhältnisse sollten sie nur als halbe Lehen besteuert werden. Die neun Häuser in Leopoldsreut waren ursprünglich ebenerdige Blockbauten mit flachgeneigten, steinbeschwerten Legbretterdächern, wie sie im Bayerischen Wald bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts anzutreffen waren. Als volkstümlicher Ortsname bürgerte sich die Bezeichnung „Sandhäuser“ ein.

Das Dorf war im 17. Jahrhundert Mautstation auf dem Goldenen Steig. Die Haupteinnahmen brachte die Landwirtschaft mit dem Verkauf von Mastvieh, Nebeneinkünfte ergaben sich durch das Schindelschneiden. 1775 wurden die landwirtschaftlichen Nutzflächen erheblich vergrößert. Der Ort wuchs auf 21 Gebäude an.

Nach der Auflösung des Hochstifts Passau bildete Leopoldsreut 1808 zunächst einen eigenen Steuerdistrikt und wurde mit dem zweiten Gemeindeedikt 1818 eine selbstständige Gemeinde im Landgericht Wolfstein. 1834 bekam Leopoldsreut die erste Schule.

Das ehemalige Schulhaus von Leopoldsreut.

Sterbendes Dorf

Von nun an erhöhte sich die Bedeutung der Waldarbeit. 1847 und 1858 erfolgte die Fixierung der bisher ungemessenen Forstrechte. Damit verbunden war ein Bedeutungsverlust der ohnehin wenig ertragreichen Landwirtschaft. In den Jahren 1859/1860 zogen sämtliche sechs Inwohnerfamilien fort. Sie meldeten sich freiwillig als Holzhauer nach Schwarzenthal. Als unmittelbare Folge davon verkauften 1864 vier Bauern ihre Anwesen mit den Inwohnerhäusern samt Grund und Boden an die Staatsforstverwaltung und wanderten in bessere Gegenden ab.

1890 zählte der Ort noch 160 Einwohner, 1948 waren es nur noch 46. Die in Leopoldsreut gebotenen geringen Wohnungsmieten und Pachtpreise für landwirtschaftliche Grundstücke konnten die anderswo erwarteten Vorteile nicht aufwiegen.

Am 1. Januar 1946 wurde die Gemeinde Leopoldsreut um die bisher zur Gemeinde Philippsreut gehörende Ortsflur Schwarzenthal vergrößert. Mit Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 27. April 1951 wurde der Gemeindename in Gemeinde Bischofsreut geändert.

In den 1950er Jahren berichteten die Medien häufig über das „sterbende Dorf“. Daraufhin kamen an manchen Tagen bis zu hundert Autos in den abgelegenen Ort.[1]Der Schulsprengel Leopoldsreut wurde 1955 aufgelöst, die Schule 1956 geschlossen, und die verbleibenden fünf Kinder mussten den fünf Kilometer langen Schulweg nach Bischofsreut antreten. Es gab keine Druckwasserleitung in den Wohngebäuden, kein elektrisches Licht und keine ausreichende Schneeräumung. Nicht alle der verbliebenen Einwohner gingen freiwillig und machten anstelle der schlechten Witterungsbedingungen forstfiskalisches Denken für die Abwanderung verantwortlich. Das bestätigte auch der Bischofsreuter Bürgermeister Franz Weiboltshamer in einem Leserbrief 1958:

„Es stimmt, dass der Forst den Privathäusern Pflanzungen buchstäblich vor die Fenster setzt und Privatgrundstücke, die für die Menschen einen Großteil der Lebensgrundlage bilden, rundherum mit Bäumen bepflanzt. So werden die Besitzer gezwungen, das Anwesen dem Forst zu verkaufen und fortzugehen.“[2]

Im Oktober 1962 zog der letzte Leopoldsreuter, der Waldarbeiter Hubert Wachtveitl, mit seiner Familie nach Grainet weg. 1963 wurden die zuletzt neun Wohnhäuser abgebrochen. Erhalten blieben das Schulhaus, die Kirche und das ehemalige Forsthaus (nun Diensthütte). Das Schulhaus, einst höchst gelegene Schule Deutschlands, wurde vom Staat zum Verkauf ausgeschrieben und von dem Berliner Pensionisten Friedrich Quast erworben. Der Freistaat Bayern übernahm die verlassenen Flächen und forstete sie auf.

Neuentdeckung von Leopoldsreut

Im November 1967 war in Bischofsreut die Gründungsversammlung der Sektion Leopoldsreut des Bayerischen Wald-Vereins auf Initiative des damaligen Pfarrers von Hinterschmiding, Herbert Kessler, und Fritz Schuster aus Grainet. Die Gründung der Sektion Leopoldsreut war die Geburtsstunde des Fremdenverkehrs in dieser Region. Das „untergegangene Dorf“ Leopoldsreut zog zusammen mit dem 1970 auf dem benachbarten Haidel errichteten Aussichtsturm immer wieder Besucher an.

2007 drehte Peter Reichardt den Dokumentarfilm Leopoldsreut. Die Geschichte eines untergegangenen Dorfes im Bayerischen Wald. Der Film wurde am 5. September 2008 in Leopoldsreut uraufgeführt. 2010 sendete das Bayerische Fernsehen die Dokumentation Die Kinder von Leopoldsreut.

In Erinnerung an Leopoldsreut und im Rahmen des geschichtlichen Ereignisses des 1000-jährigen Jubiläums des Goldenen Steiges veranstaltete der Förderverein Kulturlandschaftsmuseum Grenzerfahrung im Jahr 2010 erstmals das historische Festspiel Leopoldsreut. Am 9. September 2012 wurde durch Staatsminister Helmut Brunner das Info-Zentrum Leopoldsreut eröffnet. Hier informieren Schautafeln über die Vergangenheit und über die Festspiele von Leopoldsreut.

Sehenswürdigkeiten

  • Die Kirche St. Johann Nepomuk ist eine Nebenkirche der Pfarrei Grainet. Eine erste Kirche wurde 1754 anstelle einer 1748 errichteten Holzkapelle erbaut. 1821 begann man mit dem Bau der jetzigen Kirche, die 1911 nach einem Blitzschlag abbrannte, aber wiederhergestellt wurde. 1968 wurde sie, inzwischen baufällig, völlig restauriert und neu geweiht. Sie ist mit ihrer Lage in 1108 Metern Höhe die höchst gelegene Kirche im Bistum Passau. In ihrem Inneren befinden sich alte Fotos aus der Ortsgeschichte. Das große Holzkreuz wurde von dem Graineter Herrgottschnitzer Fritz Schuster (1922-1987) aus Eichenbalken der niedergelegten Häuser geschnitzt. Das ursprüngliche Kreuz von ungefähr 1650, der sogenannte Leopoldsreuter Herrgott, befindet sich in der Pfarrkirche von Bischofsreut.
  • Das ehemalige Schulhaus wurde 1905 erbaut.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Walther Zeitler: Bayerwald-Porträts, 2. Auflage 2010, S. 223
  2. Walther Zeitler: Bayerwald-Porträts, 2. Auflage 2010, S. 227

Literatur

Weblinks