Lukas-Kern-Waisenhaus

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Von einem Schiff auf dem Inn aus.
Der Vorhof des Lukas-Kern-Waisenhauses.
In der Kapelle haben einst zwölf Mädchen und zwölf Buben für das Seelenheil des Stifters Lukas Kern gebetet. (Foto: Geisler)

Das Lukas-Kern-Waisenhaus (auch Lukas-Kern-Kinderheim oder Bürgerliches Waisenhaus) ist ein Waisenhaus in Passau, das Mädchen und Buben beherbergt, deren Familien in Schwierigkeiten sind. Das Haus geht auf eine Stiftung des Schiffmeisters und Gastwirts Lukas Kern zurück, der diese 1749 hinterließ. Es wird von der Bürgerlichen Waisenhausstiftung getragen.

Belegschaft

Neben dem Leiter sind im Lukas-Kern-Kinderheim fünf Erzieherinnen, eine Berufspraktikantin und eine Vorpraktikantin beschäftigt. Stundenweise kommt ein Diplom-Psychologe ins Haus. An 365 Tagen im Jahr kümmert sich dieses Team um die Kinder. Die Erzieher haben immer zu zweien ein besonders intensives Verhältnis, vertreten zum Teil die Eltern, sind aber möglichst mit der Herkunftsfamilie in Kontakt. Die Kinder sind zwischen drei und 16 Jahre alt.

Geschichte

Der Schiffsmeister und Gastwirt Lukas Kern stiftete 1749 in seinem Testament 72.400 Gulden für ein Waisenhaus in Passau. Ebenso verfügte er testamentarisch, dass zu allen Zeiten wenigstens zwölf Knaben und ebensoviel Mädchen das Haus bewohnen sollten.

Die beiden Testamentsvollstrecker, der Spezereienhändler Johann Antonio Braquia und der Lebzelter Johann Mathias Mayer, Mitglieder des städtischen Rates, fanden den passenden Platz für das Waisenhaus, kauften zwei dort ansässigen Bürgern ihre Häuser für ca. 2000 Gulden ab und ließen die Häuser abreißen. Zwischen 1750 und 1762 wurde das Waisenhaus als Vierflügelanlage nach den Plänen des Baumeisters Johann Michael Schneitmann am Zusammenfluss von Donau und Inn errichtet. Die Gesamtkosten betrugen ca. 20.000 Gulden.

Am 26. Juni 1758 zogen die ersten Kinder, elf Jungen und sieben Mädchen, in den Bau ein. Voraussetzung für die Aufnahme war laut Testament die Zugehörigkeit der Kinder zum Bürgerstand. Eine weitere Voraussetzung für die Aufnahme der Kinder war, dass sie ehelich geboren sein mussten. Die aufgenommenen Kinder mussten älter als fünf Jahre sein. In jedem Falle entschied der Magistrat, welche Kinder aufgenommen werden sollten.

Der Eröffnung des Waisenhauses ging eine Messe in der Stadtpfarrkirche St. Paul mit den Mitgliedern des städtischen Rates, den Waisenkindern und der Witwe Anna Theresia Kern voraus. Danach zogen alle in einer Prozession zum Waisenhaus, wo der Stadtpfarrer in einer Rede die Grundsätze des Waisenhauses darlegte.

Die Aufsicht über die Waisenkinder sollte ein ehrbares Bürgerehepaar haben. Der Tagesablauf im Waisenhaus war sehr genau geregelt. 1761 vermachte Testamentsvollstrecker Johann Mathias Mayer dem Waisenhaus ein Grundstück, das zum Waisenhausgarten wurde. Die Hauskapelle wurde erst 1762 fertiggestellt und von Fürstbischof Joseph Maria Graf von Thun-Hohenstein am 21. Juni 1762 eingeweiht.

Nach dem Tod des langjährigen Waisenhaus-Leiters Max Lorenz im Jahr 1913 wurde die Leitung des Waisenhauses den Englischen Fräulein von Kloster Niedernburg übertragen. Während den Jahren des Ersten Weltkriegs (1914 bis 1918) diente das Städtische Waisenhaus auch als Reservelazarett, was zu großem Platzmangel für die Waisenkinder geführt hat. Die ersten 70 Verwundeten wurden am 2. September 1914 in das Waisenhaus gebracht.

Am 1. Januar 1971 erhielt das bis dahin Bürgerliche bzw. Städtische Waisenhaus den Namen Lukas-Kern-Waisenhaus.

Architektur

Das alte Passauer Waisenhaus gleicht eher einem fürstlichen Palais, denn einem Gebäude für elternlose Kinder, so schön und ansehnlich ist seine Architektur, so liebevoll und reizvoll sind die baulichen Einzelheiten ausgeformt. Dem Eingang der Waisenhauskapelle ist, ohne die Frontlinie zu unterbrechen, eine eigene Fassade vorgesetzt. Darauf befindet sich eine mit Stuck umrahmte Freskomalerei. Die Bilder neben dem Tor zeigen den Stifter Lukas Kern und seine Ehefrau Anna Theresia.

Ein wahres Prunkstück aber ist das Dach des Waisenhauses mit einem Dachstuhl, der einem Schloss oder einer Kirche wohl anstünde und wie ihn die fürstbischöflichen Residenzen nicht aufweisen – und Bürgerhäuser schon gar nicht. Die Erbauer haben in vielen Details an die kleinen Bewohner des Hauses gedacht. Die Stufen etwa im Treppenhaus sind außerordentlich niedrig.

In der Kapelle ist Platz für zwölf Mädchen und zwölf Buben. Diese waren lange Zeit dazu angehalten, für das Seelenheil des Stifters Lukas Kern zu beten. Und damit kranke Bewohner die Gottesdienste nicht versäumten, gibt es über der Kapelle vom oberen Stockwerk aus ein Fenster.

Üblich sind in Passau Grabendächer, seit der Fürstbischof noch unter dem Schock des großen Brandes von 1662 eine strenge Feuerschutzverordnung erließ. Vorgeschrieben waren gerade Dachabschlüsse, hohe Brandwände und kurze Dachsparren, um die Brandlast möglichst gering zu halten. Doch im Jahr 1751 war die Brandgefahr längst vergessen und Lukas Kern ließ das prachtvolle Gebäude, das ein Quadrat von 29x29 Metern umfasst, mit einem stattlichen Walmdach und einem Glockentürmchen krönen und mit zierlichen, stehenden Dachfenstern versehen. Weithin über den Inn ist das noble Gebäude einem Palazzo gleich zu sehen. Sein hohes Dach muss sich nicht, wie die Dächer der Bürgerhäuser aus dem 17. Jahrhundert, hinter Attikamauern verstecken.

Dieses Meisterwerk der Zimmermannskunst, ein bis auf die Eckpunkte stützenfrei gewalmter Pfettendachstuhl, schufen der hochfürstliche Zimmermeister Josef Schwiewagner und der Zimmermeister Michael Ranzinger aus der Ilzstadt. Man kann im Dachboden, dem Quadrat des Gebäudes folgend, das ganze Haus umrunden und das wunderschön gearbeitete Holzwerk bewundern. Nur einmal in seiner Lebensdauer von über 250 Jahren musste das Dach bisher neu mit Dachziegeln eingedeckt werden. Der Dachstuhl selbst musste bislang nie ausgebessert oder ergänzt werden. Das hat seinen Grund nicht nur in der sorgfältigen handwerklichen Ausführung, sondern auch im pfleglichen Bauunterhalt, der dem Waisenhaus zuteil wurde.

Garten-Neugestaltung

Seit Anfang April 2008 sind rund 20 Schüler der Staatlichen Berufsschule damit beschäftigt, das Freigelände des Kinderheims zu restaurieren bzw. neu zu gestalten. Dabei wird anstelle des verwilderten Gartens ein Sinnes-Parcours gebaut, der Nase, Augen und Ohren erfreuen soll. Auch der baufällige Pavillon wird wieder in Stand gesetzt.

Die Jugendlichen, die zwischen 16 und 18 Jahren alt und alle ohne Arbeitsplatz sind, sollen hier praktische Erfahrungen sammeln und mit ihrer Arbeit zugleich das Heim unterstützen. Das Projekt ist auf eine Laufzeit von zwei Jahren angelegt; also wird nicht nur die diesjährige Klasse, sondern auch die nächste damit betraut werden.

Galerie

Kontakt

Lukas-Kern-Waisenhaus
Ort 10
94032 Passau

Telefon: +49 851 2524
Telefax: +49 851 9890631

E-Mail: kinderheim@passau.de
Internet: www.kinderheim-passau.de

Literatur

Weblinks