Schachten

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Schachten sind ehemalige, teilweise auch heute noch genutzte entlegene Weideflächen im Bayerischen Wald an der Grenze zu Tschechien/Böhmen.

Beschreibung

Fast alle Schachten liegen über 1000 Meter hoch, was entsprechend lange Winter und große Niederschlagsmengen (bis zu 180 Liter pro m²) beinhaltet. Bei der Rodung achtete man darauf, dass ausreichend Quellwasser für die Herde vorhanden war.

Einzelne Unterstandsbäume blieben auf den Wiesen erhalten, um schattige Ruheplätze für die Tiere zu bieten. Diese einzeln stehenden Bäume konnten sich ungehindert entfalten und sind oft schon uralt und von Wind und Wetter gezeichnet. In dem riesigen Waldgebiet sind Schachten die einzigen Freiflächen und bieten oft einen guten Ausblick.

Einst waren die Schachten vom Bürstling oder Borstgras bedeckt, heute sind es verschiedene andere Grasarten und die als Seegras bekannte Seggenart Carex brizoides. Heidelbeere und Himbeere wachsen inselartig. Als seltene Besonderheiten kommen Türkenbund, Ungarischer Enzian, Schwalbenwurz-Enzian, Arnika, Berg-Greiskraut und verschiedene Eisenhut-Arten vor.

Geschichte

Die Begriffe „Schacht“ oder „Schächtl“ als Bezeichnung für Waldweiden finden sich schon 1574 anlässlich eines Streits wegen der Grenz- und Weiderechte zwischen den heute zur Stadt Zwiesel gehörenden Dörfern Griesbach und Bärnzell.

Im Jahr 1613 wird erstmals von einem Waldweidebetrieb am Ruckowitzberg berichtet. Somit gilt der Ruckowitzschachten als ältester Schachten. Allein von 1613 bis 1622 rodeten die Waldbauern sechs Schachten mit rund 70 Hektar neu. Bis 1784 war die Gesamtfläche der Schachten auf etwa 218 Hektar angewachsen, und im selben Jahr wurden nicht weniger als 950 Weidetiere aufgetrieben.

Um die Weiderechte gab es zuweilen gerichtlich ausgetragenen Streit zwischen den verschiedenen Dörfern. Die Hirten wurden von dem jeweiligen Dorf fest angestellt und hatten mit ihren Familien ein Wohnrecht in dem eigens errichteten örtlichen Hirtenhaus. Von Georgi (23. April) bis Michaeli (29. September) hauste der Hirte in einer einfachen Blockhütte bei seiner Herde.

Einige von ihnen hatten einen legendären Ruf, besonders der in Rabenstein lebende, oft mit dem Waldpropheten Mühlhiasl identifizierte Stormberger, Held des Romans Mühlhiasl – Der Waldprophet von Paul Friedl. Einem anderen sagenumwobenen Waldhirten aus der Gegend des Lusen, dem Waldhausmann, errichtete Hans Watzlik in seiner Erzählung Der wilde Eisengrein ein literarisches Denkmal.

Aufgetrieben wurden fast ausschließlich Jungrinder. Lediglich auf zwei später angelegten Schachten gab es Almwirtschaft wie in den Alpen mit Butter- und Käsegewinnung. Die etwa 25 bis 40 Stück Jungvieh zählende Herde lagerte nachts auf dem Schachten. Vom Morgen an weidete der Hirte die Herde in den angrenzenden Wäldern. Jedes Tier hatte eine Schölle um den Hals hängen, an deren besonderem Klang der Hirte ein Tier, wenn es sich im Wald verlief, erkennen konnte.

Für ihre Weiderechte hatten die Rechtler Gebühren zu bezahlen und die vom Vieh verursachten Schäden aufzubessern. Die Forstverwaltung musste 1789 aufgrund einer neuen Forstordnung, welche die Holznutzung bevorzugte, die Weiderechte übernehmen und stufte sie als Forst-Nebennutzung ein.

1831 wurden die Schachtenflächen erstmals genau erfasst. Damals gab es nicht weniger als 89 Schachten mit zusammen 293,23 Hektar Fläche. Meist bis in die Jahre um 1960 bis 1963, mancherorts auch länger, wurde die Beweidung beibehalten. Wegen zahlreicher Probleme im Zusammenhang mit der Weidewirtschaft war die Staatsforstverwaltung im 20. Jahrhundert bestrebt, die Waldweidenutzung abzubauen, denn das Vieh verbiss die Jungpflanzen und verursachte Trittschäden. Gleichzeitig modernisierte sich die Viehwirtschaft des Bayerischen Waldes und stellte sich von der Fleisch- auf die Milchproduktion um.

Bereits 1938 forderte Anton Pech in seiner Eigenschaft als erster Vorstand der Waldvereinssektion Zwiesel Naturschutz für die Schachten. Dennoch beschloss 1956 die Ministerialforstverwaltung die Aufforstung der Schachtenflächen. Zu Beginn der 1960er Jahre wurde mit der Abholzung der alten Unterstellbäume und der Anpflanzung von Fichten begonnen. Diese Maßnahmen stießen auf erheblichen Widerstand, nicht zuletzt durch den Bayerischen Wald-Verein. 1960 verfasste Lokalredakteur Adalbert Pongratz im Bayerwald-Boten den ersten Zeitungsbericht zum Thema Schachten mit der Anregung, diese unter Schutz zu stellen. Auch Oberforstmeister Bruno Sponsel, seit 1966 Amtsvorstand des damaligen Forstamtes Buchenau, bemühte sich um die Erhaltung der Schachten.

Am 17. September 1968 gab die Oberforstdirektion Regensburg bekannt, dass seit 1964 keine Schachten mehr aufgeforstet wurden und auch in Zukunft nicht aufzuforsten seien. Am 1. Januar 1971 wurde das Naturschutzgebiet Filze und Hochschachten mit dem Großen Schachten und dem Kohlschachten geschaffen. Die Schachten im Landkreis Freyung-Grafenau gehören seit der Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald im Jahr 1970 zu diesem, die Schachten im Landkreis Regen sind abgesehen von den Schachten der Arberregion seit der Erweiterung im Jahr 1997 Teil des Nationalparks. Heute werden die Flächen in Erinnerung an die vergangene Lebensweise erhalten. Auf dem Totenschädel weideten noch bis 2007 Kühe eines Landwirtes aus Spiegelhütte.

Fortbestehen und Wiederaufnahme der Beweidung

Einige Schachten im Arbergebiet werden auch heute noch beweidet. Dieses Recht geht auf das Jahr 1522 zurück, als den Berg- und Hüttenleuten des Silberberges unter anderem das Recht zur Waldweide auf dem Arber gewährt wurde. 1789 wurde das Recht erneut anerkannt.

Die Forstwirtschaft bemühte sich mit Hinweis auf die vom Vieh verbissenen jungen Fichten und Trittschäden an den Wurzeln der Bäume um eine Beschränkung dieser Rechte. Viele Bauern nahmen das Angebot des Forstamtes an, ihr Recht gegen Geld oder Waldbesitz ablösen zu lassen. 1848 gab es hier 139 Berechtigte, 1948 noch mehr als hundert, 1993 noch drei. 1984 beschloss der Bayerische Landtag zum Schutz der Bergwälder, dass das Privatrecht generell abzulösen sei. Vier Bodenmaiser Rechtler widersetzten sich und erreichten vor Gericht, dass das alte Weiderecht, Wegerecht und das Streurecht behalten und weiter auf den Hof vererbt werden kann.

Die Schachtenflächen wurden mittlerweile eingezäunt. Im Jahr 2013 waren es noch immer die Bodenmaiser Nebenerwerbsbauern Ludwig Fritz, Heinrich Weinberger und Karl Probst, welche die Hochweiden nutzten, während Friedrich Bauer vor einigen Jahren aus dem Verbund ausschied. 21 Kälber, Kühe und Ochsen zogen mit ihrem Hirten Heinrich Trauner von einem Schachten zum anderen. Die Beweidung, in der Regel vom 1. Juni bis 10. Oktober, konzentriert sich auf sechs Schachten: Hochzellhüttenschachten, Diensthüttenschachten (auch Kleine Arberhütte genannt), Buchhüttenschachten, Mittagsplatzl, Große Arberhütte und Untere Bodenmaiser Mulde. Auf diesen Schachten befinden sich auch Übernachtungshütten für die Hirten. Darüber hinaus erhielt Weideberechtigter Ludwig Fritz nach fast vierjährigem Prozess gegen die Gemeinde Bodenmais im Juni 2014 vom Oberlandesgericht München bestätigt, dass er auch Nutzungsrechte auf Gemeindegrund habe, weil er klar belegen konnte, dass er wie eh und je seine Rinder alljährlich auf die Arber-Schachten auftreibt.

In den 1990er Jahren war der Schachtenabtrieb nach Bodenmais ein großes Ereignis. 2015 wurde das damit verbundene Schachtenfest reaktiviert.

Unabhängig vom Fortbestehen der Beweidung im Arbergebiet wurde ab Juli 2014 im Rahmen eines Life-Naturschutzprojektes mit dem Ruckowitzschachten erstmals auch ein Schachten im Gebiet des Nationalparks wieder beweidet. Die auf fünf Jahre angesetzte Beweidung dient besonders dem Erhalt des Borstgras-Rasens, dem typischen Bodenbewuchs der Schachten.

Liste der erhaltenen Schachten

Landkreis Regen

Name Lage Höhenlage Fläche (1975)
Hüttl-Schachten Südhang des Enzians 1160–1270 m 3,8 ha
Rothsall-Ebene Nördlich von Bodenmais 1000 m 0,9 ha
Buchhütten-Schachten Südlich vom Kleinen Arber 1150–1200 m 9,8 ha
Bürstling Südliche Gipfelregion des Kleinen Arbers 1290 m 3,9 ha
Luchsplatzl Nordwestliche Gipfelregion des Kleinen Arbers 1290 m 0,6 m
Eggersberger Hütten-Schachten Nördlich des Kleinen Arbers (Oberpfalz) 1100–1150 m 2,5 ha
Oberer Arber-Schachten Südlich vom Gipfel des Großen Arbers 1300–1350 m 6 ha
Unterer Arber-Schachten Südwestlich vom Großen Arber 1210 m 3,3 ha
Forst- oder Diensthütte Südwestlich vom Großen Arber 1140 m 3,6 ha
Gschwendet Am Mittagsplatzl 1340 m 2,8 ha
Hochzellhütten-Schachten Gipfel des Hochzellbergs 1200 m 3,4 ha
Ruckowitzschachten Am Rukowitzberg 1030-1180 m 16,9 ha (1831: 30 ha)
Sulz-Schachten Nordöstlich vom Großen Falkenstein 1230 m 1,1 ha
Lacka Am Gipfel des Lackaberges 1330 m 2,4 ha
Bampferfleck Zwischen Großem Falkenstein und Lackaberg 1200 m 0,5 ha
Albrecht-Schachten Östlich des Höllbachgsprengs 1088–1145 m 7,4 ha (1831: 13,3 ha)
Totenschädel Zwischen Scheuereck und Spiegelhütte 800 m 2 ha
Rindl-Schachten Südöstlich des Lackaberges 1140 m 4,1 ha
Jährling-Schachten Am Scheuereckberg 1150 m 3,9 ha (1831: 10,6 ha)
Wildscheuereck-Schachten Östlich des Scheuereckberges 1050–1100 m 5,2 ha (1831: 11,0 ha)
Schachtenhaus Nordöstlich des Kiesrucks 1150 m 2,2 ha
Lindberger Schachten Südlich des Hahnenbogens 1150-1250 m 9,1 ha (1831: 16,3 ha)
Kohl-Schachten Nordwestlich des Latschensees 1150 m 7,5 ha (1831: 16,0 ha)
Großer Schachten (Hochschachten) Im Westen des Latschensees 1150 m 9,5 ha
Vordere Sulz Östlich des Latschensees 1160 m 1,1 ha
Almschachten (Frauenauer Alm, Alm) Östlich von der Trinkwassertalsperre Frauenau 1100–1150 m 8,3 ha
Verlorener Schachten Südöstlich der Frauenauer Alm an der Landesgrenze 1140 m 6,6 ha

Landkreis Freyung-Grafenau

Name Lage Höhenlage Fläche (1975)
Hochruck Nordöstlich des Kleinen Rachels 1280 m 0,4 ha
Rachelwiese Zwischen Kleinem und Großem Rachel 1360 m 2,0 ha (1831: 5,16 ha)
Gfäll-Schachten Südwestlich des Großen Rachels 970 m 0,1 ha
Schwarzach-Waldhütte Nördlich von Spiegelau 850 m 1,4 ha
Hintere Schachtenwiese Südlich des Rachelsees 790 m 0,7 ha
Mittlere Schachtenwiese Südöstlich anschließend 790 m 0,3 ha
Vordere Schachtenwiese Südöstlich davon 770 m 1,6 ha
Tummelplatz Nördlich des Hohlsteins 1140 m 2,6 ha
Kirchlinger Stand (Kirchlinger Hütte) Nordwestlich vom Steinfleckberg 1290 m 1,1 ha

Literatur

  • Ingeborg Seyfert: Die Schachten des Bayerischen Waldes, Verlag Morsak, Grafenau, 1975, ISBN 3-87553-058-6
  • Walther Zeitler, Konrad Jäger, Reinhold Weinberger: Perlen im Waldmeer. Schachten und Hochmoore im Bayerischen Wald, Neue Presse Verlags-GmbH, Passau, 2. Auflage 1995, ISBN 3-924484-65-1
  • Marita Haller: Leitochs’ Peter mag die Höhenluft. In: Der Bayerwald-Bote vom 7. August 2013 (S. 21)
  • PNP: Ein Rechtler erkämpft sich sein Recht. In: Der Bayerwald-Bote vom 11. Juli 2014 (S. 17)
  • Rainer Schlenz: Die Rinder sind zurück auf den Schachten. In: Der Bayerwald-Bote vom 11. Juli 2014 (S. 21)
  • PNP: Viehabtrieb und Schachtenfest. In: Der Bayerwald-Bote vom 30. September 2016 (S. 19)

Weblinks