Tanzboden (Passau)

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Der denkmalgeschützte Tanzboden an der Schärdinger Straße in Passau. Ein biederer Neubau war dem Denkmal am 19. April 2010 schon nahe gerückt. (Foto: Martin Ortmeier)
Am Abend nach der Eröffnungsfeier rekapituliert Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier vor dem hell erleuchteten Salettl mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Tag. Festredner war Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Helmut Brunner, dessen Ministerium die Förderung des Wiederaufbaus aus Mitteln der Europäischen Union (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)) vermittelt hat. (Foto: Josef Lang, 3. Oktober 2013)
Diese Postkarte aus dem Jahr 1910 zeigt das Wirtshaus Bachl, am linken Bildrand ist von Bäumen verdeckt noch der dazugehörende Tanzboden zu sehen.

Der Tanzboden (auch Glashalle oder schlicht Salettl) ist ein denkmalgeschützter Holzpavillon, der sich ursprünglich an der Schärdinger Straße in Passau-Mariahilf befand und vermutlich von 1881 bis 1915 genutzt wurde. Seit 2011 steht er im Freilichtmuseum Finsterau im Bayerischen Wald.

Beschreibung

Unter einem Salettl versteht man ein kleines, meist offenes „Gartenhaus“, das der Bauform des Pavillons entspricht. Der Ausdruck ist vor allem in Österreich und Süddeutschland verbreitet. Sprachlich stammt das Salettl von der italienischen saletta ab, einem „Sälchen“.

Geschichte

Ursprüngliche Nutzung

Das heutige Anwesen in Passau, auf dem sich auch der Tanzboden befindet, war im Jahre 1875 im Besitz des „Anwesens- und Ziegeleibesitzers“ Max Späth. Späth stellte im Oktober 1875 einen Antrag auf Genehmigung einer Gastwirtschaft. Seine erste Erwähnung fand das eigentliche „Salettl“ 1884, erbaut wurde es vermutlich bereits 1881 als Trinkhalle bei der Gastwirtschaft Späths in der Gemeinde Beiderwies bei Passau. 1899 wurde in der Bauakte vermerkt, das Anwesen verfüge „ganz besonders über ein [...] geräumiges Glashaus, in welchem [...] alle Art von Vergnügungen wie Bälle, Hochzeiten etc. abgehalten werden können“ – vor allem auch im Winter, weil es beheizbar war. Als Eigentümer des 13,70 Meter langen, 12,25 Meter breiten und 4 Meter hohen Tanzbodens ist zu diesem Zeitpunkt bereits Josef Riederer angegeben. 1909 haben dann die Gastwirtseheleute Franz und Anna Bachl die Gastwirtschaft erworben. Laut Wirtshausakt führte die Familie Bachl zwar die Gastwirtschaft bis zum Jahre 1942, allerdings waren gesellige Veranstaltungen nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr recht nachgefragt. Deshalb wurde die Nutzung des Tanzbodens schon ca. 1915 wieder eingestellt. 1924 wurde er zu einer Werkstätte umgebaut. Ein Lackierbetrieb mit Schreinerei wurde eingerichtet, erst 1971 wurde diese Nutzung eingestellt. Seitdem verfiel der einstmals prächtige Holzbau.

Verfall und Umzug

Bis März 2010 befand sich der Tanzboden noch im Besitz eines Passauers. Der hatte den Holzpavillon einst mit den angrenzenden Gebäuden gekauft. Beim Bau eines Wohnhauses wollte er den Tanzboden mit integrieren. Weil der Denkmalschutz dagegen war, wurde daraus jedoch nichts. Der 180 Quadratmeter große Pavillon hätte nur restauriert und im ursprünglichen Sinne genutzt werden dürfen. Der Eigentümer hatte sich redlich um den Erhalt bemüht, doch weil kein Wirtsbetrieb mehr da ist, war auch keine Nutzung zu finden. Nachdem sich in der Folge auch Stadtheimatpfleger Richard Schaffner vergebens um den Erhalt des Tanzbodens vor Ort bemüht hatte, übernahm Martin Ortmeier, der Leiter des Freilichtmuseums Finsterau, die Initiative, den Holzpavillon nach Finsterau zu holen. Die Trägerversammlung des Zweckverbands Niederbayerische Freilichtmuseen war davon sofort begeistert. Nachdem auch das Passauer Bauordnungsamt die Genehmigung für den Abriss erteilt hatte, erfolgte der Umzug im April/Mai 2010. Der Abriss kostet laut Ortmeier 36.000 Euro, wovon 10.000 Euro der Förderverein des Museums übernahm.[1]

Wiederaufbau in Finsterau

Das „Salettl“ ist dem Straßenwirtshaus Ehrn zugeordnet. Dies entspricht der Situation des Salettls am alten Standort und dem baulichen Umfeld der Ehrn an ihrem alten Standort. Dem mit Linden bestandenen Wirtsgarten der „Ehrn“ schafft das Salettl Windschutz.

Das Salettl misst 144 qm. Die Tische sind im Freilichtmuseum Finsterau nach historischem Vorbild an der umlaufenden Wandbank platziert, damit genug Fläche fürs Tanzen bleibt (Foto: Josef Lang, 2013)
Die wertvolle historische Bausubstanz des Salettls (Tanzboden (Passau) wird im Freilichtmuseum Finsterau westlich durch eine Wetterschutzwand abgeschirmt. In die Wand ist auch ein Teil der statischen Ausrüstung des Bauwerks integriert. (Foto: Martin Ortmeier 2018)
Der Kachelofen des Salettls (Tanzboden (Passau) ist im Freilichtmuseum Finsterau aus Industriekacheln von zirka 1880 rekonstruiert. (Foto: Martin Ortmeier 2018)
Zirka 40% der Holzbauteile mussten ersetzt werden, vor allem die Schwellen des Bundwerks waren am alten Standort bereits stark verfallen. (Foto: Martin Ortmeier, 9. November 2012)
Wegen der winterlichen Schneelast am neuen Standort in Finsterau auf 935 m über NHN ließ der Museumsleiter über der Decke des Tanzsaals ein verborgenes Hilfsgerüst einbauen. (Foto: Martin Ortmeier, 9. November 2012)

Dokumentation und Abtragung, Einlagerung, Finanzierung und Planung, Quellenforschung und Wiederaufbau gelangen in gerade einmal dreieinhalb Jahren. Der Wiederaufbau kostete 210.000 Euro und musste auf die auf 1.000 m ü. NHN herrschenden Bedingungen abgestimmt werden. So wurden unter anderem ein Stahlgerüst – für die Besucher nicht sichtbar – im Dachstuhl und in eine Wetterschutzwand auf der Westseite eingezogen, mehr als 40 Prozent der Bausubstanz mussten erneuert werden. Nur im Innenbereich hat man die rekonstruierten Teile den vorhandenen Originalen angepasst. Außen kann der Besucher die von fachkundigen Museums-Handwerkern erneuerten Balken und die restaurierten feingliedrigen Schmuckelemente klar erkennen. Durch große Rundbogenfenster fällt wieder großzügig Licht in den ungeteilten Innenraum, die gesamte Einrichtung wurde rekonstruiert, auch der dicke Holzdielenboden ist wiederhergestellt.

Im Jahr 2013 wurde der wiederaufgebaute und erneuerte Tanzboden bei einer Feierstunde offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Die Festrede zur Eröffnung am 3. Oktober 2013 hielt auf Einladung von Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier Staatsminister Helmut Brunner. Zu Gast waren u.a. Bezirkstagspräsident Manfred Hölzlein, Regierungspräsident Heinz Grunwald, Denkmalpfleger Dr. Egon Johannes Greipl, Stadtheimatpfleger Richard Schaffner und Barthl Kalb, MdB.

Bei Tanz und Feiern kehrte wieder neues Leben ein. Das Museum trägt mit kulturellen Veranstaltungen einen Teil dazu bei, der Verein der Freunde und Förderer des Museums bemüht sich um Musik und Volkstanz. Wegen des großen öffentlichen Interesses ließ das Museum eine tschechiche sowie eine deutsche Broschüre zur Geschichte des Salettls drucken.

Das Salettl von Passau-Mariahilf stand in Passau auf zirka 400 m über NHN. Um das Haus für die Schneelasten am neuen Standort in Finsterau auf 935 m über NHN zu ertüchtigen und zum Schutz des exponierten Holzbaus vor der starken Bewitterung aus Westen wurde im flachen Dachboden direkt über der Decke ein Gefüge aus Stahlträgern eingefügt, im Westen wurde unmittelbar vor der Fassade ein halbtransparenter Wetterschutz vorgebaut. Die Lasten werden über eine ummauerte stählerne Mittelsäule neben dem Kamin und über die statische Scheibe des Wetterschutzes abgeleitet.[2]

Das Konzept des Wiederaufbaus und der bauphysikalischen Schadensvorsorge hat der Hauskundler und damalige Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier erarbeitet, örtlicher Bauleiter beim Abbau und Wiederaufbau war der Zimmerer in der Denkmalpflege Franz Plöchinger aus Zwölfhäuser Gde. Mauth), Restaurator für die umfangreichen Sicherungen, Retuschen und Rekonstruktionen an den Farbfassungen an Wänden, Decke und Türen war Rudolf Ranzinger aus Kumreut.

2016 wurde der gemauerte Anbau rekonstruiert, der am Tanzsaal in Passau-Mariahilf bestanden hatte. Er ist als Service-Küche für die Nutzung des Salettls im Museum eingerichtet.

Literatur

Galerie

Anmerkungen

  1. Gegnern der Erweiterung des Museums in der Museumsträgerschaft, insbesondere die Verbandsräte Olaf Heinrich und Edeltraud Plattner, wurde durch die engagierte Befürwortung von Seiten des Fördervereins und durch die Acquisition der ELER-Fördermittel begegnet.
  2. Siehe: Passauer Baudenkmal jetzt in Finsterau. Sensationelle „Salettl“-Sanierung. In: Forum Nachrichten und Hintergrundinformationen. Nr. 45, Herbst 2013, S. 1 [1]