Weltkulturerbe Passau

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Blick auf das einzigartige Drei-Flüsse-Eck in Passau.
Blick auf den Dom St. Stephan.

Um Aufnahme zum Weltkulturerbe hat sich die Stadt Passau in Jahren 2010 und 2011 bemüht. Im Stadtrat engagierten sich insbesondere die Freien Wähler und die CSU um Prof. Dr. Gerhard Waschler darum. Passau hatte sich mit dem Gesamt-Ensemble „Altstadt von Passau“ (mit Teilen der Inn- und der Ilzstadt) und dessen einzigartiger Topographie zwischen drei Flüssen und Hügeln beworben, erfuhr jedoch im Dezember 2011 eine Abfuhr.

Vorgeschichte

Diskussionen, mit Passau ins Rennen um den Titel als Weltkulturerbe zu gehen, fanden schon seit Jahren statt. Bereits 2006 war dies eines der Ziele bei der Aufstellung eines Kulturentwicklungsplanes. Richtig konkret wurde der Gedanke schließlich im Herbst 2010, als FWG und CSU die Bewerbung beantragten.

Bewerbungsverfahren

Das Komitee, das über die Aufnahme in die UNESCO-Liste des Welt- und Naturerbes entscheidet, lässt pro Jahr lediglich zwei vollständige deutsche Anträge zu. Auf der Liste für die Vorauswahl für das Jahr 2010, der sogenannten Tentativliste, standen die „Deutschen Buchenwälder“ aus Niedersachsen, die Faguswerke (Alfeld), sowie nachrangig das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth. Laut Mitteilung des Bayerischen Kultusministeriums an Prof. Dr. Gerhard Waschler werde sich Bayern „im Rahmen der Kultusministerkonferenz für die frühestmögliche Nominierung Bayreuths im Jahr 2011 stark machen“. Ziel einer Bewerbung Passaus war es deshalb sein, zeitnah in die Vorauswahl der Folgejahre zu gelangen. Der Grundstein dafür wurde mit der Bewerbung zum 1. März 2011 erreicht.

Hätte Passau mit ihren zunächst neunseitigen Bewerbungsunterlagen die erste Hürde im bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst übersprungen, wäre sie als eine von zwei bayerischen Bewerbungen weitergereicht worden. 2013 wäre eine weitere Bewährung bei der Kultusministerkonferenz der Länder gefolgt. Erst der dort erfolgreiche Bewerber landet auf einer deutschen Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe.

Die wichtigsten bayerischen Konkurrenten im Bewerbungsverfahren waren die Königsschlösser Ludwigs II., der Saal 600 im Justizpalast der Stadt Nürnberg, die Altstadt von Rothenburg ob der Tauber sowie im Verbund sechs Inn/Salzach-Städte, zu denen auch Burghausen und Schärding gehören.

Vorfeld der Bewerbung

Begründung

Als „Akteur an der europäischen Kommunikations-, Kunst- und Kulturschlagader“ bezeichnete Stadtrat Feuerer die Dreiflüssestadt in seinem Antrag. Dies seien ganz wichtige Eigenschaften, die bei einer Bewerbung hervorgehoben werden müssen. Neben einem materiellen Objekt, wie zum Beispiel dem Stephansdom, erwartet das Welterbekomitee der UNESCO auch eine historisch-kulturelle Grundlage und vor allem eine internationale Bedeutung der Stadt.

Dr. Michael Weithmann, Universitätsbibliothekar und Autor der „Kleinen Passauer Stadtgeschichte“, stellte in seinem Vortrag im Mai 2010 auf Einladung der Freien Wähler Argumente zusammen, die bei einer Bewerbung Passaus vorgebracht werden könnten. Das offensichtlichste Alleinstellungsmerkmal der Stadt sei natürlich die topographische Lage an den drei Flüssen. Aber auch ihre römische Vergangenheit, in der Passau zum ersten Mal in einen internationalen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontext eingebunden wurde, könne ebenso wie die Eigenschaft als „Nibelungenstadt“ einen Anknüpfungspunkt darstellen.

Auch die Beziehungen zwischen Passau und Ungarn wurden von Dr. Weithmann hervorgehoben. „Jeder halbwegs gebildete Ungar kennt den Namen Passau.“ Das liege daran, dass der „tatkräftige und zugleich gewiefte Bischof Pilgrim“ die ungarische Herrscherfamilie zum Christentum bekehrt habe. Der ungarische Thronfolger wurde auf den Namen des Passauer Kirchenpatrons Stephan getauft und heiratete Gisela, die Tochter des bayerischen Herzogs Heinrich, eine Ehe von europäischer Bedeutung.

Mögliche Eingrenzung

Klemens Unger, Kulturreferent der Weltkulturerbe-Stadt Regensburg, riet den Passauern im Vorfeld ihrer Bewerbung zur Selbstbeschränkung geraten: Passau solle nicht mit der gesamten Altstadt antreten, sondern mit dem Einzelobjekt Stephansdom, der mit seiner Einmaligkeit als größte und künstlerisch wertvollste Barock-Kathedrale nördlich der Alpen in der Konkurrenz bei einem gut vorbereiteten und präsentierten Bewerbungsverfahren sicherlich nicht aussichtslos wäre. Auch die Freien Wähler favorisierten zunächst eine Bewerbung lediglich mit Dom und Residenzplatz. Historisch wertvolle Altstädte gebe es viele, ein klar begrenztes Ensemble wie der Stephansdom mit seinem Umfeld könnte unter dem Motto „Großartige Architekturschöpfung des Barock in Europa“ bei den Entscheidungsgremien deshalb größere Chancen haben, findet Alois Feuerer.

Bewerbung

Mögliche Gebietseingrenzung der Bewerbung.

Arbeit der Projektgruppe

Auf Initiative von CSU und Freien Wähler hat sich der Stadtrat im Herbst 2010 entschlossen, die Aufnahme Passaus in die UNESCO-Liste zu versuchen. Unterstützt wird das Vorhaben von Prof. Dr. Egon Greipl, dem Leiter des bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. „Es dauert sicher Jahre, aber von der Qualität der Stadt und ihrer Lage und ihrer historischen Funktion ist Passau mehr welterbeverdächtig als manches, was schon auf der Liste steht“, so Greipl.

Am 2. Dezember 2010 beauftragte der Kulturausschuss des Stadtrats einstimmig eine Projektgruppe mit der Welterbe-Bewerbung der Stadt Passau. Ihr gehören Vertreter interner Fachstellen der Stadt und externe fachliche Berater an. Neben Kulturreferent Dr. Max Brunner waren darin auch Dr. Jörg-Peter Niemeier (Leiter Stadtarchäologie), Udo Kolbeck (Stadtentwicklungs-Referent), Stadtarchivar Richard Schaffner, Kulturamtsleiter Reinhard Wachtveitl sowie die rathausexternen Spezialisten Prof. Dr. Egon Johannes Greipl (Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege), Dr. Herbert W. Wurster (Direktor Bistumsarchiv) und Alois Brunner (Leiter Domschatz- und Diözesanmuseum Passau) vertreten.

In den folgenden Wochen beschäftigte sich die Projektegruppe in sechs Sitzungen damit, wie man sich am erfolgversprechendsten bewirbt. „Wir waren sehr schnell und einstimmig der Meinung, dass man mit dem einzigartigen Gesamtensemble Altstadt Passau im Wettbewerb wohl die meisten Chancen hat“, verrät Dr. Brunner. „Es ist unglaublich, dass solch ein jahrhundertealtes Riesenareal in solch imposantem Zustand ist.“ Eine zuvor angedachte Bewerbung mit Einzeldenkmälern, wie beispielsweise dem Dom St. Stephan, sei nach allgemeiner Erfahrung und Expertenmeinung nicht erfolgversprechend.

Am 17. Februar stellte die Projektgruppe die von ihr erarbeiteten Inhalte des Bewerbungsschreibens dem Kulturausschuss vor. Dabei herrschte große Einigkeit. Alle Stadtratsfraktionen erklärten, dass Passau ins Rennen um den UNESCO-Welterbetitel gehen soll. Der Beschluss, als ersten Schritt die „Interessenbekundung“ auf bayerischer Ebene abzugeben, fiel einstimmig. Die Bewerbung war definiert als „Altstadt von Passau“. Das Jubiläumsjahr 2018 mit dem 350-jährigen Bestehen des barocken Wiederaufbaus der Altstadt nach dem Stadtbrand 1662 solle nach Wunsch der Freien Wähler das Zieljahr für die Verleihung des Prädikats sein – auch wenn das Verfahren theoretisch bis ins Jahr 2030 dauern könnte.

Was genau zum Bewerbungsgebiet gehören sollte, ob etwa Schanzlbrücke und Ilzstadt-Uferbebauung dazugehören, war zu diesem Zeitpunkt nocht nicht endgültig geklärt.

Spekulationen um die Chancen

„Bei der Entscheidung der Aufnahme in die Welterbe-Liste werden die übergreifenden Kriterien der Einzigartigkeit, der historischen Echtheit und der Unversehrtheit angewendet“, hatte Dr. Brunner aufgeklärt. Pfunde, mit denen Passau durchaus gut wuchern könnte. „Allgemein ist zu den Erfolgsaussichten zu sagen, dass es früher wesentlich einfacher war, die Einstufung als Welterbe zu erreichen. Seit dem Jahr 2001 ist das Verfahren viel aufwändiger und schwieriger, weil schon sehr viele Kulturgüter weltweit in die Liste aufgenommen wurden“, so der Kulturreferent. „Insbesondere sind die europäischen Städte überdurchschnittlich vertreten.“ In letzter Zeit spiele auch der Proporz zwischen den Erdteilen eine große Rolle. Dennoch hielt etwa auch Generalkonservator Prof. Dr. Egon Greipl eine Bewerbung der Stadt Passau „für aussichtsreich und zum jetzigen Zeitpunkt für günstig“.

Weniger günstig geworden wäre jedoch der Bewerbungsmarathon: Für das formelle Antragsverfahren werden schätzungsweise rund 300.000 Euro anfallen. Insgesamt umfasste die Liste UNESCO-Welterbe Ende vergangenen Jahres 911 Denkmäler in 151 Ländern. Andere Zahlen sind weniger berechenbar: Im Falle von Regensburg dauerte das Bewerbungsverfahren 15 Jahre, bei Bamberg waren es 12, beim Projekt „Limes“ überschaubare fünf Jahre. Realistisch sei für Passau frühestens 2018.

Mögliche Komplikationen

Durch den Bau einer neuen Donaubrücke, der bereits seit längerem aufgrund der angespannten Verkehrssituation in der Stadt angedacht ist, hätte der Erfolg einer Bewerbung Passaus um Aufnahme in die Weltkulturerbe-Liste gefährdet werden können. Ein ähnliches, trauriges Beispiel dazu hat bereits Dresden abgegeben: Weil eine Brücke gebaut wurde, hat die UNESCO dem Dresdner Elbtal den Status als Weltkulturerbe aberkannt.

Die Brücke im Donautal wäre von der Ortspitze und von der Innstadt aus zu sehen. Und umgekehrt würde vom donauaufwärts fahrenden Schiff aus gesehen Passau unter der Brücke auftauchen. Wie sehr oder wie unbedeutend das stört, ist noch zu diskutieren – wie vieles andere bei dieser Brücke, von der Bedeutung für Verkehr und Sicherheit bis zur Finanzierbarkeit. Für die ansehnliche Gestaltung einer neuen Brücke könnte ein Architektenwettbewerb sorgen. Aber unsichtbar zu machen ist sie nicht – zumal im Uferbereich vielleicht viereinhalb Meter hohe undurchsichtige Fledermaus-Schutzwände errichtet werden müssen.

Völlig abwegig ist der Vergleich mit Dresden nicht. Dresden hatte erkannt, dass die Stadt allein nicht in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen würde und deshalb 2003 die Bewerbung als Elbtal-Landschaft eingereicht, wobei die Dresdner Altstadt mit zu dieser Fläche gehört. Die Aufnahme ins Weltkulturerbe erfolgte 2004. Drei Jahre später begann allerdings der Bau der Waldschlösschen-Brücke, die trotz des niedlichen Namens fatale Konsequenzen hatte, weil diese Brücke auf knapp 800 Metern die geschützten Elbwiesen überquert. Am Ende verlor Dresden 2009 den UNESCO-Titel wieder. So eine Aberkennung hatte es zuvor weltweit nur einmal gegeben, das betraf ein Naturschutzgebiet im arabischen Oman.

Stellung zu den Bedenken nahm auch OB Jürgen Dupper: Er stellte die Sache mit dem Weltkulturerbe unmissverständlich als einen der nachrangigsten unten den vielen Punkten dar, die es beim Für und Wider einer Brücke zu prüfen gilt. Davon werde die Stadt sich keinesfalls beeindrucken lassen. In Duppers Worten: Wenn eine Schanzlbrücke mitten in der Stadt der Ernennung zum Kulturerbe nicht entgegensteht, dann eine zweispurige Donaubrücke unterhalb der Stadt erst recht nicht. Und wenn doch, dann sei’s drum: „Passau ist so schön, dass es notfalls auf den Weltkulturerbe-Titel verzichten könnte“, meinte der OB.

Ablehnung der Bewerbung

Am 2. Dezember 2011 gab die vom Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eingesetzte unabhängige Expertenkommission bekannt, dass Passau mit seiner Bewerbung nicht zum Zug kommen werde. In ihrem Abschlussbericht hatte sich die Kommission für vier Bewerbungen - doppelt so viele wie geplant - entschieden: für die Königsschlösser Ludwigs II., für den Saal 600 im Justizpalast der Stadt Nürnberg, für das Kulturensemble „Augsburger Wasserwirtschaft“ sowie für die historischen Kulturlandschaften im Werdenfelser Land, Ammergau, Staffelseegebiet und Murnauer Moos.

Die Kommission begründete ihre Entscheidung zuungunsten von Passau vor allem damit, dass „historische Altstädte oder Teile davon in der Welterbeliste bereits überdurchschnittlich gut repräsentiert“ seien. „Eine Anmeldung von Stätten dieser Kategorie muss im Hinblick auf die Erfolgschancen einen zweifelsfreien universellen Wert nachweisen und eine noch bestehende Lücke in der Welterbeliste füllen. Im Hinblick auf den Erhaltungszustand kommen in dieser Kategorie nur Vorschläge näher in Betracht, die höchsten Ansprüchen an Integrität und Authentizität genügen. Ein warnendes Beispiel aus der jüngsten Zeit ist die bislang erfolglose Bewerbung Heidelbergs“, heißt es in der Stellungnahme der Kommission.

Erweiterung des Vorschlags?

In ihrer Stellungnahme rieten die Experten allerdings dazu, die Bewerbung mit der Altstadt fallen zu lassen und stattdessen eine Erweiterung der bestehenden Welterbestätte „Grenzen des römischen Reichs“ um den Bereich des „nassen Limes“ zwischen Regensburg und Passau anzumelden. Man könne sich damit auch an einen bereits beschlossenen Welterbe-Antrag im benachbarten Österreich anschließen („Donaulimes in Österreich“). Mit dem „nassen Limes“ könnte der österreichische mit dem bereits bestehenden bayerischen Anteil „Obergermanischer-Raetischer Limes“ verbunden werden. Auch auf das mögliche Projekt einer (weiter gefassten) Welterbenominierung „Kulturstraße Donau“ wies die Expertenkommission hin.

Im Februar 2012 entschied sich die Stadt Passau jedoch dazu, sicht nicht mehr um eine Stellung als UNESCO-Weltkulturerbe bemühen zu wollen.[1] „Passau ist und bleibt ein bedeutendes Welterbe der Kultur - mit oder ohne Etikett“, sagte OB Jürgen Dupper. „Der Stadtrat, die Bürgerinnen und Bürger sowie alle verantwortlichen Institutionen wissen um die Schönheit und Einzigartigkeit unserer Stadt und sind sich dieser Verantwortung auch ohne Zertifizierung sehr wohl bewusst.“

Stimmen zur Bewerbung

  • Alois Feuerer (2010): „Mit Blick auf die herausragenden kulturellen und geografischen Besonderheiten der Stadt braucht kein objektiver Vergleich mit anderen Kandidaturen gescheut werden.“
  • Urban Mangold (2011): „Der Titel hat viele Vorteile. Er ist ein Schutzschild gegen abträgliche Veränderungen des Stadtbilds und eine Selbstverpflichtung der politischen Akteure. Skepsis ist unbegründet, weil wir vieles selbst in der Hand haben. Dass vor der endgültigen Bewerbung die Bürger beteiligt werden, ist eine Selbstverständlichkeit.“
  • Alexander Muthmann (2011): „Der Naturforscher Alexander von Humboldt hat Passau mal als eine der sieben schönsten Städte der Welt bezeichnet. Da werden wir diese Stadt ja wohl auch unter den knapp über 900 Weltkulturerbe-Denkmälern unterbringen.“
  • Dr. Max Stadler (2011): „Ich bin überzeugt, dass die Stadt die Qualität hat, Welterbe zu werden. Es wäre ein hoher Imagegewinn. Dies ist das wichtigste Vorhaben dieser Stadtratsperiode.“
  • Dr. Gerhard Waschler (2011): „Ein wichtiges Prädikat, wenngleich nicht die wichtigste Entscheidung der Wahlperiode. Mit dem Titel wird Passau nicht anders, aber die Scheinwerfer sind dann auf Passau gerichtet.“

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Artikel auf pnp.de: „Passau gibt auf: Keine neue Bewerbung um Weltkulturerbe“

Literatur

Weblinks

Dies ist ein ausgezeichneter Artikel.
Diesem Artikel wurde am 10. März 2011 das Prädikat „Ausgezeichneter Artikel“ verliehen.