Displaced Person

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Der Begriff Displaced Person (DP; engl. für eine „Person, die nicht an diesem Ort beheimatet ist“) wurde im Zweiten Weltkrieg von den Alliierten geprägt. Sie bezeichneten damit eine Zivilperson, die sich kriegsbedingt außerhalb ihres Heimatstaates aufhielt und ohne Hilfe nicht zurückkehren oder in einem anderen Land neu ansiedeln konnte.

Hintergrund

Wegen des Zweiten Weltkrieges und des Nazi-Regimes verloren einstige Zwangsarbeiter, Umgesiedelte und sonstige Zivilisten ihre Heimat. Holocaust-Überlebende, ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, Heimatvertriebene und Zigtausende Osteuropäer, die in den Wirren der letzten Kriegstage unter marodierenden Sowjettruppen oder dem sich entladenden Hass der einheimischen Bevölkerung gegenüber Minderheiten zu leiden hatten, verlangten von den alliierten Streitkräften schnelles Handeln. Auf etwa zwölf Millionen schätzten die US-Amerikaner die europaweite Zahl der Heimatlosen. Gut die Hälfte davon befand sich zum Kriegsende auf dem Gebiet der späteren West-Besatzungszonen.

DPs in Altötting

Unterbringung und Alltag

1946 wurden in der Wallfahrtsstadt Altötting sogenannte heimatlose Ausländer untergebracht, von den US-Streitkräften „Displaced Persons“ oder schlicht nur „DPs“ genannt. Hunderte Mitglieder hatte die Gemeinde zeitweise, die meisten waren osteuropäische Juden, die zwar die deutsche Vernichtungsmaschinerie überlebt hatten, dann aber vor Pogromen in Polen, Lettland und Litauen hatten fliehen müssen. Wie in anderen DP-Lagern in Ostbayern sollten sie in Altötting unterkommen, bis ein neues Zuhause gefunden war.

Zentrum der DP-Welt in Altötting war das beschlagnahmte Gasthaus „Bayerischer Hof“ in der Neuöttinger Straße 5. Zwischen 38 und 286 Gemeindemitglieder waren in und rund um den Wirtshauskomplex sowie vereinzelt auf das weitere Stadtgebiet verteilt untergebracht. Über das Leben im DP-Zentrum selbst, über die Menschen, die von Altötting aus einer neuen Zukunft entgegen gingen, ist heute kaum mehr etwas bekannt. Nur Namen ohne die dazugehörigen Geschichten. Dazu ein paar Meldeformulare. Man weiß, dass es einen eigenen Sportverein namens Jidiszer Sport Farband Altötting, samt Fußballmannschaft, die gemeinsam mit acht anderen DP-Mannschaften, darunter Bad Reichenhall, Pasing und Starnberg, in einer Bezirksliga kickte.

Probleme zwischen Einheimischen und DPs

Längst nicht jeder konnte oder wollte nach 1945 zurück in sein altes Zuhause. Neue Heimatgebiete mussten her. Doch während die deutschstämmigen Vertriebenen zumeist solidarisch empfangen wurden und sich rasch integrierten, waren die Gräben zwischen den NS-Opfern und dem „Tätervolk“ auch in Altötting tief. Von Anfang an gab es Probleme. Vorurteile trafen aufeinander. Eine über die Jahre hinweg gewachsene, auf der einen Seite durch NS-Propaganda erlernte, auf der anderen aus den Erfahrungen mit den Nazi-Gräueln heraus entstandene Abneigung spaltete Einheimische und Neulinge. Als Volk voller Mörder und Täter sahen die DPs ihre unfreiwilligen Gastgeber, als arbeitsscheu und kriminell betrachteten die Alteingesessenen die Fremden. Beide Seiten mieden weitestgehend den Kontakt zur jeweils anderen. Regelrechte Parallelwelten waren die Folge.

In Altötting gab es sehr viele Gerüchte über die DPs: So wusste jeder über angebliche, illegale Abtreibungspraxen im DP-Lager zu berichten; von Vorbehalten, wonach die Zwangsgäste, welche Altötting großteils nur als Zwischenstation auf dem Weg in die USA oder nach Palästina sahen, allesamt faul seien. Auch von Schwarzmarktgeschäften war die Rede.

Dass letzteres nicht aus der Luft gegriffen war, zeigt zum einen die Versorgungslage – die DPs bekamen alles, was sie brauchten, in ausreichender Menge von den US-Streitkräften –, zum anderen lässt ein spektakulärer Prozess vom Jahreswechsel 1947 auf 1948 darauf schließen. Dutzende Schwarzhändler und Schwarzschlächter standen damals vor dem Mittleren Militärgericht in Altötting, unter ihnen auch Drahtzieher aus dem DP-Bereich. Gemeinsam soll die aus Bauern, Schlachtern und Mittelsmännern bestehende Gruppe hunderte Stück Großvieh heimlich geschlachtet und zum Bayerischen Hof gebracht haben. Von dort aus verkauften die DPs das Fleisch weiter. Der Prozess im großen Rathaussaal endete nicht nur mit jeder Menge Verurteilungen, er sorgte auch für einen Eklat. So warfen die angeklagten DP-Mitglieder und ihre Verteidiger der Polizei öffentlich Antisemitismus vor.

Aufarbeitung des Themas

Die Displaced Persons sorgen für jede Menge Gesprächsstoff bei den Alteingesessenen – dennoch ist heute nichts mehr über die „heimatlosen Ausländer“ bekannt. Den Mantel des Vergessens zu lüften, hat sich 2013 der gebürtige Altöttinger Christian Haringer zur Aufgabe gemacht. Dieses Thema aufzuklären ist jedoch sehr schwierig, da darüber nur sehr wenig bekannt ist. Dass nicht mehr viel übrig geblieben ist von hunderten Betroffenen, führt der in Cham unterrichtende Lehrer auf zwei Gründe zurück: Zum einen, dass die zuständigen US-Betreuer „leider fürchterlich schreibfaul waren“ und beim Abzug alle Aufzeichnungen wohl mit in die USA genommen wurden. Zum anderen sei es aber auch dem Schweigen der Altöttinger geschuldet – eine Eigenart, die er schon 2009 feststellen musste. Damals forschte der Heimatkundler auf den Spuren des ehemaligen Altöttinger KZ-Friedhofs.

Literatur

Weblinks