Hexenprozess von Fürsteneck

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Der Ort Fürsteneck war im Jahr 1703 Schauplatz eines Hexenprozesses. Im Pfarrhof von Röhrnbach erhielt sich ein ausführliches Protokoll des Prozesses.

Ausgangslage

Afra Dickh (auch Afra Dick) war Dienstmagd beim Bauern Frueth in Wittersitt, einem Ortsteil der heutigen Gemeinde Ringelai. Die Anklage lautete auf Giftmord, Verhexung von Mensch und Tier, der Verbindung mit anderen verhexten Personen und des buhlerischen Umgangs mit dem Teufel. Mitangeklagte waren das 13-jährige Hüterdirndl Maria, das beim selben Bauern in Dienst stand und die verwitwete Bäuerin Maria Kölbl, eine 15-fache Mutter aus Neidberg bei Ringelai.

Die zuständige Gerichtsbehörde war das zum Hochstift Passau gehörige fürstbischöfliche passauische Pfleg- und Landgericht Fürsteneck. Vorsitzender der Untersuchungskommission war der Richter Gottfried Wagner, Protokollführer J. W. Lorenz, Beisitzer der Gastgeb Simon Daikh, Josef Schonauer und der Bader von Perlesreut Korbinian Wenkh.

Das Protokoll

Die drei Frauen wurden in der Fronfeste von Perlesreut gefangengehalten und im Februar 1703 tagelang eingehend und dem Protokoll nach „gütlich“ befragt. Afra hatte 42 Fragen zu beantworten, aufgrund derer sie erzählt habe, wie sie mit dem Teufel bekannt und vertraut wurde, wie sie mit seiner Kraft Zutritt zu allen Behausungen und Stallungen fand, wie sie Kühe verzauberte und so Milch, Rahm und Schmalz in großen Mengen gewann. Sie habe auf einer Gabel nächtliche Ritte unternommen und mit fremden Mannspersonen, darunter Böhmen, wilde Gelage gefeiert. Zuletzt soll sie den Gebrauch der Hexensalbe zugegeben haben.

Das Hütmädchen Maria, mit dem Afra die Schlafkammer teilte, hatte zwanzig Fragen zu beantworten. Maria beteuerte, dass ihr an Afra zwar allerhand Sonderbares auffiel, sie habe jedoch keinerlei Wissen von ihren Hexereien gehabt. Der Bäuerin Maria Kölbl wurden dreizehn Fragen gestellt. Demnach bekannte sie, von den Vorkommnissen gehört zu haben, nicht aber daran beteiligt gewesen zu sein. In der elften Frage hielt man ihr vor, dass man bei einer Haussuchung in ihrem Hof in einer Truhe 34 verdächtige Dinge gefunden habe, darunter Salben, Wachs, Salz, Pech, Zwiebelsamen, Blutsteine, Scher- oder Maulwurfshäutel, Holz, Späne, Seide, Garn und Riemen. Sie behauptete, diese Dinge als Heilmittel, besonders zur Pflege der offenen Beine, zu benötigen.

Nun wurden drei „Erfahrungspersonen“ aus Neidberg befragt, Männer im Alter von 31, 49 und 59 Jahren. Sie erklärten, ihre Kühe seien verhext worden, weshalb sie an Milch, Rahm, Butter und Schmalz starken Abgang gehabt hätten. Der jüngste der Drei wusste zu erzählen, der verstorbene Mann der Bäuerin Maria sei im Sommer und Herbst immer mit großen Mengen Schmalzes nach Passau gereist und habe es dort verkauft. Oft habe man in Neidberg oder dessen Nähe mannsfaustgroße Rahmbrocken gefunden, die von den Hexen beim Heimreiten verloren worden seien.

Wiederholt habe er einen feurigen Drachen beobachtet, bevor dieser in ein Haus gefahren sei. Die Zitzen der Kuheuter seien zerbissen und die Milch ganz schleimig gewesen. Ein Knecht namens Adam Drexler, der früher bei der Bäuerin Maria arbeitete, habe ihm zudem offenbart, dass die Bäuerin ihrem Mann nicht treu gewesen sei und ehebrecherische Beziehungen zu dem Mitknecht Andreas unterhalten habe.

Die Hinrichtung

Das Protokoll schließt mit der Wiedergabe der Zeugenaussagen. In der Ausgabenliste des Scharfrichters ist die Vollstreckung des Urteils aufgelistet: Afra Dickh wurde wegen Zauberei und Brandstiftung (in puncto veneficii et incendii) am 1. Juni 1703 vom Passauer Scharfrichter Sebastian Fleischmann am Fürstenecker Hochgericht bei Perlesreut mit dem Strang vom Leben zum Tod befördert und danach mit 30 Klaftern Holz und 40 Pfund Pech auf einem Scheiterhaufen zu Asche verbrannt.

Fortwirkung

Afra, die Hex von Wittersitt, wurde später in Liedern und Gstanzln besungen. Eines lautet:

I bin ja vo Wittersitt, wo dö zwoa Häuser stehnt.
Herenterhalb uns habns ja d'Hexn verbrennt
D' Hexn verbrennt und an Toifi derschlagn.
Iatz därf ma auf d' Ewigkeit nimmer Sorgen habn!

Eine ebenso von Max Peinkofer überlieferte Sage erzählte, beim Frueth-Bauern hätten sich in der Rauhnacht die Dienstboten für die Fußräucherung die Füße gewaschen. Afra habe eine andere Magd gefragt, ob sie auch einmal heiraten wolle, und nachdem diese bejahte, forderte Afra sie auf, sich einen Mann auszusuchen. Da erschienen im Fußwasser die Gesichter von mehreren jungen Männern. Die Magd entschied sich für einen und deutete mit dem Finger auf ihn. Da sprang er heraus und biss sie in den Finger, der darauf heftig blutete. Es war der Teufel, der sich mit dem Blut der Magd ihren Namen in sein Buch eintrug. Da wussten alle, dass Afra eine Hexe war.

Ab dem 20. Jahrhundert wandte sich die Aufmerksamkeit mehr dem Schicksal der Angeklagten zu. Im Jahr 1995 führte der Verein Freilichtbühne Schweinhütt das Stück Die Hex’ von Wittersitt der Autorin und Regisseurin Brigitte Prock mit den Hauptdarstellern Sepp Hofbauer und Marga Stadler auf dem Dorfplatz von Schweinhütt vor über 5.000 Zuschauern auf. Am 16. Juli 2015 wurde das Stück nach zwanzig Jahren Pause unter der Schirmherrschaft von Staatsminister Helmut Brunner erneut bei Schweinhütt auf der neuen Freilichtbühne aufgeführt, und wieder war Brigitte Prock Regisseurin und Marga Stadler Hauptdarstellerin.

Im Jahr 1997 erschien Manfred Böckls Roman Der Hexenstein, der ausgehend von den Gerichtsprotokollen die Hexenverfolgung anprangerte. Im selben Jahr wurde in Ringelai im Hotel Gross das Hexenmuseum Ringelai eröffnet, das den Hexenprozess von Fürsteneck thematisiert. Es werden Originalprotokolle der Justizmorde gezeigt sowie ein orgiginalgetreuer Scheiterhaufen und andere Folterwerkzeuge. Im Jahr 2005 zeigte der Festspielverein Fürsteneck e. V. im Rahmen der erstmals dargebotenen Barockfestspiele Fürsteneck das Schauspiel Pech und Puder (Buch & Regie: Florian Schwartz), in denen die beiden Frauen das Opfer übler Machenschaften werden. Der Fürstenecker Liedermacher Walter Peschl komponierte im Zusammenhang mit dem Fürstenecker Hexenprozess den Titel d’Hexnjagd.

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Böckl: Der Hexenstein. Roman, Suedost Verlag, Juli 1997, ISBN 3-89682-002-8
  • Max Peinkofer: Die Hex von Wittersitt, in: Der Brunnkorb, Verlag Passavia Passau, 1977 (ursprünglich 1947), ISBN 3-87616-060-X
  • Paul Praxl: Die Geschichte des Wolfsteiner Landes, in: Der Landkreis Freyung Grafenau, Verlag Landkreis Freyung-Grafenau 1982, ISBN 3 87553 192 2, S. 178
  • Michael Lukaschik: Heuer kommt die Hex’ auf der neuen Bühne. In: Der Bayerwald-Bote vom 6. März 2015 (S. 17)
  • Michael Lukaschik: Die Wiederauferstehung der „letzten Hex“. In: Der Bayerwald-Bote vom 20. Juni 2015 (S. 19)
  • fbi: Die prachtvolle Wiederauferstehung. In: Der Bayerwald-Bote vom 18. Juli 2015 (S. 17)

Weblinks