Carl Sittler

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Dr. Carl Boromäus Sittler

Dr. Carl Boromäus Sittler (* 16. Juli 1882 in Marzoll, Oberbayern; † 23. Februar 1963 in Passau) war Bürgermeister und Oberbürgermeister der Stadt Passau sowie 1926 Mitbegründer des Vereins für Ostbairische Heimatforschung.

Sein Name steht auf dem Ehrenmal der Stadt Passau und nach ihm ist die Dr.-Sittler-Straße benannt.

Leben und Wirken

Studium und Anfänge in Passau

Carl Sittler entstammt einer in Marzoll ansässigen Lehrerfamilie. Mit 20 machte er sein Abitur an einem Rosenheimer Gymnasium, danach studierte er Rechts- und Verwaltungswissenschaft an den Universitäten München und Erlangen und promovierte 1909 mit der Arbeit „Das Vormundschaftsrecht in der Gesetzgebung Maximilians I.“ zum Dr.iur. Zwei Jahre später heiratete er die verwitwete Anna Neuert geb. Leitner, eine Lehrerstochter aus Treuchtlingen, die in die Ehe den Sohn Josef Neuert mitbrachte. Mit ihr zog er nach Passau, wo er kurz darauf Leiter des sozialen Volksbüros wurde. 1914 verlieh man ihm das Passauer Bürgerrecht und Ende desselben Jahres wurde er als Gemeindebevollmächtigter in das Gemeindekollegium (damals die Zweite Kammer der Stadt) gewählt. Dies wiederum wählte ihn am 27. Januar 1915 zu seinem Vorsitzenden.

Beginnende politische Karriere

Damit setzte nun endgültig Sittlers rascher Aufstieg ein: 1916 wurde er Leiter des Kommunalverbandes Passau, im Januar 1919 wählten ihn die Abgeordneten des Gemeindekollegiums mit 32 von 33 Stimmen zum 1. Bürgermeister und am 30. Juli wurde er darüber hinaus zum Präsidenten des niederbayerischen Kreistags (mit Sitz in Landshut), dessen Abgeordneter er kurz zuvor geworden ist, gewählt. Als Mitglied des Eisenbahnrates war er außerdem in der Landespolitik aktiv. 1927 verlieh ihm das Bayerische Innenministerium den Titel „Oberbürgermeister“, zwei Jahre darauf wurde er von den Passauern als 1. Bürgermeister wiedergewählt.

Unter dem NS-Regime

Das Jahr 1933 ist in vielerlei Hinsicht wohl ein Einschnitt im Leben Sittlers; er selbst spricht in seinen „Erinnerungen“ von einer Zäsur. Vor allem anderen ist hier zu erwähnen, dass er sich „unter dem Zwang der politischen Verhältnisse [...] mit dem Amt des 2. berufsmäßigen Bürgermeisters begnügen“ musste. Als am 27. April 1933 der Passauer Stadtrat einstimmig Max Moosbauer zum „ersten ehrenamtlichen“ Bürgermeister wählte, erhielt Sittler den Titel des „zweiten berufsmäßigen“ Bürgermeisters. Am 4. August 1933 bestätigte Moosbauer:„Was das Verhältnis zur NSDAP anlangt, so habe ich wiederholt zu den vorgesetzten und zuständigen anderen Stellen wie in der Öffentlichkeit ausgesprochen, dass Dr. Sittler … von Anfang an ein verständnisvolles und förderliches Entgegenkommen bewiesen hat.“[1] Am 1. Mai 1935 erklärte Sittler seinen Beitritt zur NSDAP, erhielt aber angeblich nie ein Mitgliedsbuch als Aufnahmebestätigung.[2]

Sittler wurde außerdem als Präsident des niederbayerischen Kreistags abgelöst. Trotz seiner Zurückstufung ist es Sittler im Jahr 1945, also gegen Ende des Krieges, gelungen, Passau vor einem Bombardement zu bewahren. Nachdem der 1. Bürgermeister, NSDAP-Kreisleiter Max Moosbauer, am 9. April „wegen der Überlastung mit wehrpolitischen Aufgaben“ de facto von seiner Position zurücktreten musste, war erneut Sittler am Zug. Nach intensiven Vorbereitungen und anschließenden Verhandlungen verhinderte er einen größeren Beschuss der Stadt und übergab sie am 2. Mai 1945 um 23 Uhr den Amerikanern – bedingungslos. Zwei Tage später wurde er von den Besatzern wieder als Oberbürgermeister eingesetzt, obwohl er sie darauf hinwies, er sei (zwar kein aktives, aber immerhin) Parteimitglied der NSDAP gewesen.

Nachkriegszeit

Seine erneute Amtszeit dauerte allerdings nicht lange an: Sittler wurde am 13. Juli 1945 vom Counter Intelligence Corps, einem Nachrichtendienst der U.S. Army, verhaftet. Man reagierte damit auf (wie sich im Nachhinein herausstellen sollte unwahre) Denunzierungen Sittlers aus den Reihen der Bevölkerung, vermutlich von seinen politischen Gegnern. Der festgenommene Oberbürgermeister wurde als politischer Häftling ins Lager Pocking (danach in die Lager Natternberg und Straubing) überstellt. Die Unbegründetheit dieser Maßnahme verdeutlicht unter anderem, dass Sittler im März 1933 „zunächst die Hakenkreuzfahne nicht am Rathaus dulden [wollte].“ Doch trotz aller Entlastungsversuche kam er erst zwei Jahre später, am 3. März 1947, wieder frei. Im Jahr darauf wurde er von der Spruchkammer als „Mitläufer“ eingestuft. Im Spruchkammerakt vom 10. Juni 1948 hieß es dazu unter anderem: „Er durfte nicht gehen, weil die Stadt ihn brauchte. Er mußte die Stellung für seine politischen Freunde halten, um zu retten, was noch zu retten war … Er hat in der Rassenfrage eine bewußt gegnerische Haltung eingenommen und Juden und Halbjuden gefördert und beschützt … Der Betroffene ist Mitläufer, weil er mehr als nominell am NS teilgenommen und ihn nur unwesentlich unterstützt hat. Daran können die Aussagen der Belastungszeugen nichts ändern.“ [3]

Sittler wurde am 1. Juli 1948 wieder offiziell in den Dienst aufgenommen und erhielt gleichzeitig seine Versetzung in den Ruhestand. Endgültig rehabilitiert wurde er von der Stadt Passau, als sie ihn am 14. Juli 1952 zu ihrem Ehrenbürger ernannte. Am 9. Mai 1961 wurde er mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Sein erster Sohn Karl (* 1912) fiel am 24. April 1945 im Osten, sein zweiter Sohn Ludwig (* 1913), der sich als Lazarettarzt eine tödliche Krankheit zugezogen hatte, starb am 13. Mai 1945 in Schrobenhausen. Seine Frau Anna (* 1878) starb am 19. Mai 1950. Am 23. Februar 1963 starb Sittler mit 81 Jahren an Herzversagen.

Ehrenamtliches Engagement

Im Jahr 1926 war Sittler, neben Max Heuwieser und Rudolf Guby einer der wichtigsten Mitbegründer des Vereins für Ostbairische Heimatforschung und wurde auch dessen erster Vorsitzender. Dies bleibt er bis zu seinem Tod 1963. In den Ostbairischen Grenzmarken veröffentlichte er 1958 seine Erinnerungen.

Seit 1925 bereits war Sittler auch Mitglied der Lamplbruderschaft, die er (nach der NS-bedingten Zwangspause) 1955 schließlich wieder ins Leben rief.

Sittler arbeitete zeitweise auch als Redakteur unter anderem beim Christlichen Bauernverein und war zudem als Mitglied des Wald-, Konzert- und Fremdenverkehrsvereins sowie (bereits seit 1914) des Roten Kreuzes aktiv.

Auszeichnungen

Siehe auch

Galerie

Literatur

  • Otto Geyer: Die Bürgermeister der Stadt Passau seit 1803. In: Ostbairische Grenzmarken VIII, Passau 1966 (S. 116)
  • Carl Sittler: Erinnerungen. In: Ostbairische Grenzmarken II, Passau 1958 (S. 9-25)
  • Reinhold Plenk: Dr. Carl Boromäus Sittler – Ein Passauer Oberbürgermeister in schwerer Zeit. In: Lebensbilder Band I, Passau, 2005, ISBN 3-932949-41-2 (S. 130 bis S. 144)
  • Stefan Daller: Institut und Verein für Ostbairische Heimatforschung: Gründer, Entwicklung, Erkenntnisse. Passau 2006
  • Anna Rosmus: Hitlers Nibelungen. Samples Verlag, Grafenau 2015, ISBN 978-3-938401-32-3 (S. 63)

Einzelnachweise

  1. Anna Rosmus: Hitlers Nibelungen. Grafenau 2015 (S. 63)
  2. Reinhold Plenk: Dr. Carl Boromäus Sittler – Ein Passauer Oberbürgermeister in schwerer Zeit. In: Lebensbilder Band I (S. 139)
  3. Reinhold Plenk: Dr. Carl Boromäus Sittler – Ein Passauer Oberbürgermeister in schwerer Zeit. In: Lebensbilder Band I (S. 140-141)