Natursteinbauernhof

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Neustift bei Hauzenberg (Fotos: Josef Lang, 1991)

Die Bezeichnung Natursteinbauernhof ist ein Hilfsbegriff der ländlichen Hausforschung. Er bezeichnet eine mehrgebäudige Hofanlage im Bayerischen Wald, die weitgehend aus Naturstein, vorwiegend Granit, errichtet ist.

Ortsbildprägend sind Bauten dieser Art vor allem in den Dörfern und Weilern im Bereich des Hauzenberger Granit-Massivs.
Bedeutende Bauten stammen aus der Zeit der allgemeinen „Versteinung“ im ländlichen Hausbau im 19. Jahrhundert.

Geschichte

Ein aus Feld-, Bruch- und Hausteinen errichteter Einfirsthof im Inneren Bayerischen Wald (Schönbrunnerhäuser (Gemeinde Hohenau. (Foto: Martin Ortmeier, 1986)
Älterer Blockbau (Austragshaus) und jüngerer Natursteinbau (Wohnhaus) bestehen bei diesem Bauernhof in Jandelsbrunn zur gleichen Zeit. (Foto: Archiv Martin Ortmeier)

Die Bauernhäuser im Bayerischen Wald und im Böhmerwald wurden jahrhundertelang aus Holz errichtet. Um 1800 trat aber ein Wandel ein, der zunächst für etwa 100 Jahre den Natursteinbau in den Vordergrund brachte, welcher jedoch ab 1871 vom Ziegelbau verdrängt wurde. Lediglich Stallbauten wurden noch längere Zeit in Naturstein aufgeführt.

Das Ortsbild in den Dörfern des südlichen Bayerischen Waldes, des Mühlviertels und des Böhmerwaldes ist seit dem fortgeschrittenen 19. Jahrhundert mehr durch Natursteingebäude, denn durch Holzbauten geprägt.
Die „Versteinung“ der Bauernhöfe in den Gegenden mit Natursteinvorkommen folgte der allgemeinen „Versteinung“ der Städte und Märkte.[1] Veränderungen in der Methodik der Landwirtschaft, aber auch die Verfeinerung des Wohnens, außerdem Moden seit der Zeit der Aufklärung förderten die Errichtung gemauerter Häuser.

Viele Natursteinbauten sind vollständig verputzt. Weil aber große Natursteinflächen einfachen Kalkmörteln nur schwache Haftung ermöglichen, begnügte man sich mit einer Ausbänderung über den Mörtelfugen. Es blieb den Gegenden mit reichen abbaubaren Granitvorkommen – vorrangig im Raum Hauzenberg und ich Umgriff von Waldkirchen im südlichen Bayerischen Wald – vorbehalten, dass Häuser und ganze Bauernhöfe mit auf Fuge zugerichteten Hausteinen aufgebaut wurden.
Bemerkenswert sind häufig die Eckverbände aus großen, wechselseitig ausgreifenden, „auf Post gehauenen“ Steinen.

Der Rosenberger Hof

Granitgrand an der Gred vor dem Wohnhaus des Rosenberger Anwesens (Foto: Archiv Martin Ortmeier, 1978)
Modell des Rosenberger Hofs (Foto: Martin Ortmeier, 2019)

Im Dorf Rosenberg (Gemeinde Jandelsbrunn) wurde 1979 vom Landkreis Freyung-Grafenau ein vollständig aus Granit errichteter, in der amtlichen Denkmalliste geführter Stall abgebrochen, die Granitbauteile der Stützen, der Decke und der Standabtrennungen, außerdem die Türgerichte wurden eingelagert und 1982, insoweit die Bauteile noch auffindbar und identifizierbar waren, im Freilichtmuseum Finsterau behelfsweise am Rand der verfügbaren Fläche des Museums aufgebaut. Das Mauerwerk wurde aus Bruchsteinen von anderen Abbrüchen errichtet.[2]

Der Rosenberger Hof war eine enge Hofanlage in einem geschlossen Dorfverband. Im Lauf der Jahrhunderte, insbesondere im Zuge der Einführung ganzjähriger Stallhaltung nach 1800, hatte sich die Bebauung der Hofstellen stark verdichtet.[3] Vor dem aus Naturstein gemauerten Wohnstallhaus steht am Rand der Gred ein sehr großer monolithischer Wassergrand aus Granit, in den Trinkwasser von einer Quelle eingeleitet wird.
Das Freilichtmuseum Finsterau ließ den Rosenberger Hof 2010 in seiner Kubatur vermessen[4], als Grundlage für die Rekonstruktion eines Natursteinbauernhofs unter Einbindung des seit der Gründungszeit des Museums isoliert stehenden (Rosenberger) Granitstalls.

Modell des Hofverbandes

Ein anschauliches Kubatur-Modell zeigt den Rosenberger Stall im gesamten Hofverband. Milchkühe, Kälber und Zugochsen waren in diesem Stall eingestellt. Gegenüber dem Stall ist das Wohnhaus platziert, der große Stadel steht im Winkel zu Stall und Wohnhaus, sodass sich ein enger geschlossener Dreiseithof bildet.
Der abgewinkelte Anbau an den Stall ist ein Wagenschupfen. Der enge Hof, in dessen Mitte die Miststatt angelegt war, wird über ein Tor erschlossen.

Der Granitstall im Freilichtmuseum Finsterau

Die Viehstände, erschlossen über einen mit Granitplatten ausgelegten Mistgang reihen sich mehr als 23 m aneinander. (Foto: Martin Ortmeier, 2019)
Im Museum steht der Granitstall weiterhin isoliert, nachdem 2014 die Erweiterung zu einem Natursteinbauernhof politisch scheiterte. (Foto: Martin Ortmeier, 2019)
Der Wassergrand aus Granit an der Gred vor dem Stall (Foto: Martin Ortmeier, 2019)

Alle Wände, der Boden, die Decke, die gewaltigen Unterzüge und die Stützen des gemauerten Rinderstalls aus Rosenberg sind aus Granit. Auch die Einbauten – die Futterbarren und Trennwände – sind steinern.
Gemauerte Stallgebäude sind dauerhafter als hölzerne. Die Ausdünstung der Tiere, Mist und Jauche und das täglich frisch eingefahrene Gras schaffen ständig so hohe Luftfeuchtigkeit, dass Blockwände, hölzerne Decken und Böden nach wenigen Jahrzehnten so durch Fäulnis angegriffen wären, dass sie ausgewechselt werden müssten. Der Granitstall aus Rosenberg diente mindestens 150 Jahre für bis zu 24 Rinder.

Im Steinlager des Freilichtmuseums Finsterau lagern auch die Granitbauteile von Stallungen aus Finsterau (Gemeinde Mauth) und Atzesberg (Stadt Waldkirchen), letzterer wäre wiederaufbaufähig.[5]

Am Rosenberger Hof steht vor dem Wohnhaus ein großer granitener Wassergrand, in den aus einer Quellfassung Wasser fließt. Im Museum ist ein ähnlicher Grand (datiert 1791), der 1986 in Gsenget (Gemeinde Neureichenau) erworben werden konnte[6], am Rand der Gred vor dem Stall aufgestellt. Er diente vor allem zum Kühlen der frisch gefüllten Milchkannen. Die Gred aus großen Granitplatten wurde erst 1986 gelegt, als das Museum unter fachlicher Leitung stand.
In den Stall ist ebenfalls Wasser geleitet. Zum Tränken der Tiere hat man das eingemauerte steinerne Becken vollfließen lassen. Daraus hat man eimerweise geschöpft und das Wasser zu den Futterbarren getragen.

Ausstellung 2010

Zur Inwertsetzung des Museumsexponats Granitstalls und zur politischen Vorbereitung des Projekts Natursteinbauernhof wurde 2010 unter dem Titel „SteinReich“ im Granitstall aus Rosenberg eine Ausstellung eingerichtet.[7] Sie erläutert den Granitstall als Baudenkmal, stellt den Rosenberger Hof vor, behandelt die Geschichte der ganzjährigen Stallhaltung, das mit Stall und Vieh verbundene Brauchtum und das rezente Thema Anbindehaltung.[8]

In der Ausstellung sind drei geschmückte Granit-Türstürze unbekannter Herkunft präsentiert. Sie tragen verschiedene Inschriften: 18 M(?)K 20, 19 AB 21 und F 1827 Sch.
Ein Türsturz des Rosenberger Stalls trägt im Freilichtmuseum Finsterau die Jahreszahl 1789. Er ist entweder zweitverwendet, denn der Stall ist aus jüngerer Bauzeit, evtl. nicht vor 1840, oder er stammt gar nicht vom in Rosenberg abgetragenen Stallgebäude.

Eine Bildschau mit historischen Photographien unter dem Titel „A de Stoa hat’s nia g’feid“ (An Steinen gab es nie Mangel)[9]befasst sich mit dem Natursteinbauernhof des unteren Bayerischen Waldes.

Das Projekt Natursteinbauernhof

Die Satzung des Museumsträgers[10] sieht für das Freilichtmuseum Finsterau vor, dass es die ländlichen Haus- und Hofformen Niederbayerns nördlich der Donau, also insbesondere des Bayerischen Waldes dokumentiert und zum Zweck der Heimatpflege und Bildung bewahrt und präsentiert.
Zur Erfüllung und Fortschreibung dieses Zwecks sollte unter Einbeziehung des Granitstalls aus Rosenberg die bedeutende und identitätsstiftende Bauform des Natursteinbauernhofs an einem Beispiel gewürdigt werden.

Das Wohnhaus Schauberg 9

Stallgebäude und Wohnhaus des Anwesens Schauberg 9. Das Granittürgericht am Wohnhaus ist mit einem IHS geschmückt. (Foto: Josef Lang, 2012)
(Foto: Josef Lang, 2012)

In Schauberg (Gemeinde Sonnen) wurde 2012 ein für eine Translozierung geeignetes und verfügbares Wohnhaus aus Granitmauerwerk ermittelt.[11] Schauberg 9 hat die Epoche des regionalen ländlichen Natursteinbaus sehr gut repräsentiert.
Wegen der zahlreichen Umbauspuren, der entstehungsgeschichtlich differenzierten Art des Mauerwerkgefüges und der verschiedenen inschriftlichen Datierungen wäre es zudem als Gebäudeindividuum eine wertvolle Bereicherung für das Freilichtmuseum Finsterau gewesen.[12]

An das Wohnhaus des Anwesens Schauberg 9 war im Winkel ein Nebengebäude angefügt. Es enthielt einen eingemauerten Brotbackofen, eine Graskammer und Platz für das Melkgeschirr.

Stadel mit neuer Nutzung

Ein Stadel, der den Natursteinbauernhof des Freilichtmuseums Finsterau nach Westen schließen sollte, war hofseitig in historischer Gestalt vorgesehen. Der Raum sollte jedoch als Laufstall für die Museumsrinder dienen[13] und sich nach Westen zur Weidefläche öffnen, die 2016 durch Rodung einer Aufforstung der 1960er Jahre gewonnen wurde.

Die Maßnahme, die für die Fortentwicklung dieses niederbayerischen Freilichtmuseums und dessen Status im Kreis der bayerischen Bezirksfreilichtmuseen essentiell gewesen wäre, fand nicht die Zustimmung des Museumsträgers.[14]

Natursteinmauerwerk

Am Ochsenstall des Petzi-Hofs im Freilichtmuseum Finsterau wurde 1986 Natursteinmauerwerk in hoher Güte hergestellt. Die Fugen sind reich ausgezwickt. (Foto: Martin Ortmeier, 2010)
Kleine Fenster können im Natursteinmauerwerk auch ohne steinerne Fenstergerichte oder hölzerne Stöcke ausgeführt werden. (Foto: Martin Ortmeier, 2010)

Gut gesetztes Mauerwerk aus Naturstein muss mit wenig und gering bindendem Mörtel und auch ganz trocken aufgeführt standsicher sein.
Dazu werden die vor Ort verfügbaren Steine sorgfältig ausgewählt. Der Mauerer achtet auf eine stabile Lage jedes einzelnen Steins im Verband, nach Bedarf wird mit einem Sprengeisen die Setzkante nachgearbeitet, mit einem Spitzmeißel werden Buckel entfernt.
Für Eckverbände werden lange Steine an einem Ende „auf Posten“, also rechtwinkelig zugehauen, im aufgehenden Mauerwerk greift der eine Stein zur einen Seite in das laufende Mauerwerk ein, der jeweils folgende zur anderen Seite.
Mauersteine haben stets waagrechtes Lager, nur Ausgleichsteine und Zwickel weichen von dieser Regel ab.

Natursteinmauern haben, wenn sie einwandfrei ausgeführt sind, eine „Handschrift“. Manche Mauerer bearbeiten die Setzkante stärker, sodass die Fugen dicht schließen, andere arbeiten mit vielen Zwicksteinen. Das „Bild“ eines Mauerwerks bestimmen die Art der verwendeten Natursteine und Geschick und Erfahrung des Handwerkers.
Nach mehreren Steinlagen, in denen größere Steine zwei oder mehrere Lagen übergreifen können, wird meist eine waagrecht durchlaufende Fuge angestrebt.

Natursteinmauerwerk wird gewöhnlich zweischalig ausgeführt. In unregelmäßiger Folge wird mit Bindersteinen von einer Schale in die andere übergegriffen.

Literatur

  • Georg Baumgartner und Martin Ortmeier, Freilichtmuseum Finsterau, München u.a. (Verlag Schnell & Steiner) 1986 (=Bayerische Museen, Band 3), ISBN 3795407524
  • Martin Ortmeier: Granitställe. In: Martin Ortmeier und Susanne Preußler. Steinreich ... Granit im Bayerischen Wald. (= Ausstellungskatalog des Freilichtmuseums Finsterau). Landshut 1986, S 79-84
  • Martin Ortmeier: Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte. Passau 2009 (Dietmar Klinger Verlag), ISBN 978-3-232949-87-6, S. 38–47
  • Martin Ortmeier: A de Stoa hat’s nia g‘feit – Natursteinbauernhöfe im Bayerischen Wald. In: Winfried Helm und Martin Ortmeier: Steinreich. Granitene Zeugen zwischen Donau und Böhmerwald, Passau 2010, S. 40-55

Anmerkungen

  1. Zur Tendenz der Versteinung im ländlichen Hausbau siehe: Herbert May: Das Haus aus Stein. Zur Verwendung von Naturstein im historisch-ländlichen Hausbau Süddeutschlands; außerdem Ariane Weidlich: Bachkugeln, Bummerl,-Feldsteine. Anmerkungen zur Verwendung von Naturstein im ländlichen Hausbau des südlichen Oberbayerns. In: Martin Ortmeier (u.a., Hg.). Echt, stark! Naturstein im ländlichen Bayern, Finsterau 2006, S. 187-218, bzw. S. 2019-232
  2. Zur Gründungszeit des Freilichtmuseums Finsterau stand das Museum nicht unter wissenschaftlicher Leitung. Diese wurde erst 1983 auf Druck der Gutachterbehörde Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern, vielmehr damals Abteilung nichtstaatliche Museen am Bayerischen Nationalmuseum, eingerichtet, deshalb erreichten Bergung und Wiederaufbau des Granitstalls nicht die gebotene fachliche Güte.
  3. Ein didaktisches Modell zeigt in der Ausstellung im Granitstall die Kubatur des Rosenberger Hofs (Rekonstruktion: Dr. Martin Ortmeier, Modellbau: Klaus Meyer Dipl.-Ing. FH)
  4. Auswertung der historischen Flurkarten: Dr. Martin Ortmeier – Aufmaß: Klaus Meyer Dipl.-Ing. FH
  5. Siehe Martin Ortmeier: Granitställe. In: Martin Ortmeier und Susanne Preußler. Steinreich ... Granit im Bayerischen Wald. Landshut 1986, S 79-84
  6. Der Kaufpreis war hoch. Zu dieser Zeit war mit Bezirkstagspräsident Sebastian Schenk der Vorsitz im Zweckverband Niederbayerische Freilichtmuseen, der das Freilichtmuseum Finsterau trägt, in der Hand eines für Heimatpflege und Bildung aufgeschlossenen Vorsitzenden.
  7. Siehe Thomas Heller: Ein Granitstall für die Ewigkeit. In: Passauer Neue Presse vom 16. Dezember 2010 (S. 29)
  8. Kozept: Dr. Martin Ortmeier; Texte: Dr. Martin Ortmeier und Michaela Moosbauer M.A.; Medien: Büro Theorie&Praxis Dr. Winfried Helm (Passau)
  9. Drehbuch, Regie, Quellenrecherche: Dr. Martin Ortmeier; Graphikdesign und Medientechnik: Büro Theorie&Praxis Dr. Winfried Helm (Passau) und ab-Fotodesign Dionys Asenkerschbaumer (Kellberg), Musik: Dr. Philipp Ortmeier (Landshut); Finsterau 2010
  10. Zweckverband Niederbayerische Freilichtmuseen Massing im Rottal und Finsterau im Bayerischen Wald, Satzung im Wesentlichen 1979
  11. Schauberg 9: Besichtigung 24. Mai 2012, 2012/13 Photodokumentation und Aufmaß, 5. Juni 2014 Ortsbegehung mit Oberkonservator Georg Waldemer (Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern)
  12. 2012 ließ das Freilichtmuseum Finsterau eine detaillierte Photodokumentation anfertigen: Fotografenmeister Josef Lang, Aktenzeichen F 5.5.82 und F 5.10.5.5.82
  13. Die jedes Jahr für sechs Monate bestehende Anbindehaltung im Stall des Tanzer-Hofs wird vom Veterinäramt nur noch befristet toleriert.
  14. Die 105. Verbandsversammlung des Zweckverbands Niederbayerische Freilichtmuseen vom 16. Juli 2014, die in Finsterau stattfand, wies, nach mehrmaligem Aufschieben, unter dem Vorsitz von Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich den Antrag des Museumsleiters endgültig ab.