Kirche St. Ägidius (Schildthurn)

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Die Wallfahrtskirche St. Ägidius und die Leonhardikapelle

Die Wallfahrtskirche St. Ägidius ist eine Nebenkirche der Pfarrei Zeilarn in Schildthurn, einem Ortsteil der Gemeinde Zeilarn im Landkreis Rottal-Inn, mit Deutschlands höchstem Dorfkirchturm.

Geschichte

Eine erste, dem hl. Ägidius geweihte Kirche soll bereits im Jahr 1273 vorhanden gewesen sein. Die jetzige, spätgotische Kirche wurde um 1470 errichtet, der Turm wohl erst 1531 vollendet. Aus diesem Jahr stammt die bis heute verwendete große Glocke. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Innere der Kirche barockisiert.

Die Wallfahrt war eine Verbundwallfahrt zu mehreren Heiligen, die alle bei Unfruchtbarkeit und Kinderwunsch helfen sollten. So wurde der Kirchenpatron St. Ägidius, die Gottesmutter und die drei heiligen Jungfrauen Einbeth, Wilbeth und Warbeth (Gefährtinnen der heiligen Ursula) um Kindersegen angerufen. Die Wallfahrt erfreute sich im 18. Jahrhundert noch größter Beliebtheit. In einer Kirchennische stand eine hölzerne Wiege, die beim Wiegenschutzen von jungen Frauen in Bewegung gesetzt wurde, wenn sie sich Kinder wünschten. Bei Erhörung wurden dann kostbare Votivwiegen gestiftet. Die Wallfahrt kam in der Zeit der Aufklärung und Säkularisation zum Erliegen. 1796 wurde die Abgabe von mehreren vergoldeten und versilberten Wiegen, alle Votivgaben, gefordert. Alle zwanzig bis dreißig Votivwiegen des 18. Jahrhunderts wanderten in die Münze. Die hölzerne Wiege wurde um 1870 auf Anweisung des Passauer Bischofs Heinrich von Hofstätter entfernt.

Beschreibung

Der mächtige, 78 Meter hohe, mit dem Turmkreuz 82 Meter hohe Turm ist weithin sichtbar und gilt als der höchste Dorfkirchturm Deutschlands[1]. Er ist aus Backsteinen gemauert und mit Tuffsteinen verkleidet. Neun Geschosse mit Blendbögen und Zierwerk werden von einem dreißig Meter hohen, spitzen Turmhelm bekrönt. Im untersten Geschoss findet man ein Netzgewölbe mit reicher Sternfiguration, im zweiten Geschoss ein etwas einfacheres. An der Südseite des zweiten Geschosses sind die Wappen des Herzogs von Bayern und des Erzbischofs von Salzburg, Kardinal Matthäus Lang von Wellenburg, angebracht. Den unteren zwei Geschossen folgen noch drei weitere quadratische Geschosse, denen vier achtseitige Geschosse aufgesetzt sind. Die beiden oberen quadratischen Geschosse sind mit Rundbogenblenden, die achteckigen mit Spitzbogenblenden ausgestattet. Ein Maßwerkfries umläuft das oberste Geschoss. Dem Langhaus ist bereits äußerlich die barocke Umgestaltung anzumerken.

Die Ostwand des Chores bewahrt spätgotische Fresken aus der Zeit um 1500. Sie zeigen, eingebunden in eine fingierte Architektur, zwei großformatige Szenen eines Passionszyklus, Prophetenbüsten, zwei Credo-Apostel sowie zwei weitere Heiligenbüsten mit Spruchbändern. Die barocken Deckengemälde schuf Ignatius Kaufmann 1755. Dargestellt ist die Hl. Dreifaltigkeit sowie eine Szene aus der Seeschlacht von Lepanto.

Der Hochaltar mit seinen gewundenen Säulen wurde 1660 vollendet. Er enthält in der Mitte eine Figurengruppe: Maria übergibt den Rosenkranz an den hl. Dominikus und die hl. Katharina von Siena. Die Assistenzfiguren sind der hl. Josef links und Johannes der Täufer rechts. Oben in der Mitte ist der Kirchenpatron Ägidius mit einer Hirschkuh zu sehen. Die Seitenaltäre von 1730 sind mit Figuren von Wenzel Jorhan ausgestattet. Der linke Seitenaltar im Chorraum zeigt ein Bild der drei heiligen Jungfrauen mit der hl. Ursula (mit Kreuzfahne) aus dem 19. Jahrhundert.

Eine vierzig Zentimeter breite, silberne Wiege von 1868 erinnert an den mit der Wallfahrt verbundenen Brauch des Wiegenschutzens. Unter der Empore sind 18 Mirakeltafeln erhalten geblieben. An der linken Wand des Langhauses werden einige Votivgaben (u.a. Wickelkinder aus Silber) und Votivbilder in einem Schaukasten verwahrt.

Leonhardikapelle

Die Kapelle neben der Kirche innerhalb der Kirchhofmauer wurde um 1490 erbaut und im 18. Jh. barockisiert. Der Altar stammt von 1670 und zeigt mittig den hl. Leonhard vor dem Hintergrund der Landschaft zwischen Zeilarn und Schildthurn. Die Assistenzfiguren sind Rupert (Bistumspatron von Salzburg), links und Wolfgang, rechts. Auch zu der dem Viehpatron Leonhard geweihten Kapelle kamen Wallfahrer, wie einige Votivbilder mit Pferdedarstellungen belegen.

Literatur

  • Donatus Moosauer, Günther Michler, Ulrich Pietrusky: Niederbayern – im Fluge neu entdeckt, Morsak Verlag, Grafenau, 2. Aufl. 1982, ISBN 3-87553-135-3
  • Dionys Asenkerschbaumer, Alois Brunner, Ludger Drost, Andreas Paul: Kleinodien · Kostbarkeiten · Kuriositäten. Entdeckungsreisen im Bistum Passau. Herausgeber: Bischöfliches Ordinariat Passau, Verlag Passauer Bistumsblatt, Passau 2011, 2. Aufl. 2012, ISBN 978-3-9813094-3-0
  • Susanne Hansen (Hg.): Die deutschen Wallfahrtsorte. Pattloch Verlag, Augsburg, 2. Aufl. 1991, ISBN 3-629-00005-3
  • Hanns Weber, Gregor Peda: Rottaler Bäderdreieck. Verlag Schnell & Steiner, München · Zürich 1985, ISBN 3-7954-0495-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zwölfuhrläuten vom 27. Januar 2019 auf Bayern1 Deutschlands höchster Dorfkirchturm