Säkularisation

Aus RegioWiki Niederbayern
Wechseln zu: Navigation, Suche
Karikatur auf die Säkularisation: Der bayerische Löwe verdrängt den alten Reichsadler. Ein Soldat und ein staatlicher Kommissär überwachen die Ordensleute, welche von allen Seiten Truhen, Geldsäcke und Kirchengerät heranschaffen. Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen

Unter Säkularisation versteht man die Enteignung kirchlichen Eigentums durch den Staat und die Umwandlung geistlicher Herrschaftsbereiche in Weltliche; kurz also die Überführung von geistlichem in weltlichen Besitz, insbesondere in den Jahren um 1803.

Kirchlicher und klösterlicher Besitz

Klöster verdankten ihre Entstehung meist Stiftern, die so ihr Seelenheil retten wollten. Zur Gründung gehörte die Ausstattung mit Grundbesitz. Dies sollte die wirtschaftliche Selbständigkeit sichern. Schenkungen, Kauf und Tausch vergrößerten den Besitz, so dass viele Klöster zu mächtigen Grundherren wurden. Geistliche Würdenträger übten nun auch weltliche Herrschaft aus. Die Macht der Kirchenfürsten und der Besitz der Klöster hatte längst die Begehrlichkeit der weltlichen Herren geweckt. Doch erst die Französische Revolution und ihre Auswirkungen auf die europäischen Staaten eröffnete die Möglichkeit, Enteignungen in großem Stil und mit äußerster Radikalität durchzuführen.

Das barocke Bayern

Bayern galt im 17. und 18. Jahrhundert als besonders katholisches Land. Ein Hauptgrund war die im Zuge der Gegenreformation sehr geförderte Heiligenverehrung, die zum eigentlichen äußeren Kennzeichen des barocken Katholizismus in Bayern wurde. Einen beträchtlichen Anteil daran hatte der Stiftspropst von Altötting Martin Eisengrein mit seinem 1571 erschienenen Büchlein Unsere Liebe Frau zu Alten Oetting, das erheblich zum Aufschwung der Wallfahrt Altötting beitrug.

Der Dreißigjährige Krieg und die beiden Erbfolgekriege des 18. Jahrhunderts, die viel Not über das Land brachten, trugen das ihre dazu bei, dass das fromme Volk sich in immer größerer Zahl unter den Schutz seiner „lieben Heiligen“ stellte. Die Zahl der Wallfahrten und Gnadenstätten wuchs ständig an. Die größte Verehrung erfuhr die Gottesmutter, die unter Kurfürst Maximilian I. Patronin des Landes geworden war. Im übrigen war das ganze tägliche Leben vom Kirchenjahr bestimmt mit prachtvollen Prozessionen, Bittgängen, Pferdeumritten, geistlichen Spielen und einem überaus reichen Brauchtum, das sich um Leben und Tod, Wetter und Ernte, Haus und Stall, Krankheit und Unglück drehte. Man gebrauchte Lukaszettel, Amulette, Wetterkerzen, Loretoglöckchen, Volksheilbräuche und Wunderkuren aller Art, um sich vor Krankheiten, Gewitter, aber auch vor Dämonen und Hexen zu schützen.

Die Aufklärung

Die Prunkwut und Verschwendungssucht verschiedener Rokokoprälaten hatten in der Öffentlichkeit bereits eine feindliche Stimmung erzeugt. Die Staatsmänner und Politiker wurden zur Auflösung der Klöster gedrängt, die Schlagwörter der Aufklärung wirkten wie ein Rausch, der den Realisten die Sicht vernebelte. In Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und Broschüren wurde klosterfeindliche Stimmung verbreitet. Die Politiker waren der Meinung, der reiche Kirchenbesitz in der Hand der Fürstbischöfe und Klöster würde der wirtschaftlichen Entwicklung des Staates nur schaden. Der Ausdruck von der „toten Hand“ ging um und man betrachtete vor allem den Bettelorden als „unproduktiv“.

Im Herzogtum Bayern hatte die Kirche 56 Prozent des Gesamtgüterbestandes in Händen, während der Landesherr nur 15 Prozent besaß. Dazu kam die steuerliche Immunität der Kirche. Das Kirchengut galt im Mittelalter (von wenigen Ausnahmen wie dem Frankenfürsten Karl Martell und dem bayerischen Herzog Arnulf dem Bösen abgesehen) noch als unantastbar. Zwar wurden in der Reformationszeit die Klöster und Bistümer der lutherisch gewordenen Länder von den Fürsten eingezogen, doch Bayern blieb durch die Treue des Kurfürsten zur Kirche davon verschont. Wenn auch, durch die protestantischen Nachbarn ermutigt, die bayerischen Fürsten sich ab dieser Zeit in kirchliche Angelegenheiten einmischten. Doch ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Anzeichen einer heranwachsenden Säkularisation immer deutlicher.

Zu einer Schlüsselfigur wurde der Ingolstädter Rechtsgelehrte Johann Adam Freiherr von Ickstatt, der mit seinen Schülern Johann Georg von Lori und Michael Adam Bergmann das unumschränkte Recht des Landesherrn über die Kirche historisch zu begründen suchte. Die entscheidende rechtstheoretische Grundlage für das künftige Vorgehen schuf schließlich Peter Osterwald mit seiner 1766 erschienen Schrift Veremund von Lochsteins Gründe sowohl für als wider die geistliche Immunität in zeitlichen Dingen. Sie lieferte die Begründung für das Recht des bayerischen Staates, sich über die zwischen Bayern und den Bischöfen geschlossenen Verträge hinwegzusetzen.

Damit verbunden war eine sich ständig verschärfende Kritik an der Kirche, besonders an den Klöstern. Die Aufklärer wie Andreas Dominikus Zausper, Johann Kaspar Riesbeck, Anton von Bucher, Lorenz Hübner, Peter Philipp Wolf und Johann Pezzl forderten ein radikales Vorgehen gegen kirchliche Privilegien. Sie standen unter dem Einfluss des Berliners Christoph Friedrich Nicolai, der voller Spott kritisierte, wie in Bayern mit unnützer Werkheiligkeit die Zeit „verderbt“ werde.

Die kurfürstlich-bayerische Regierung erließ in dieser Zeit verschiedene Gesetze gegen die Klöster, die Zeichen für eine kommende Säkularisation häuften sich: Die Reihe der Verbote setzte im Jahre 1746 ein mit der Erneuerung der schon 1674 erlassenen Landgebott wider die Aberglauben, Zauberey, Hexerey und andere sträffliche Künsten. 1752 wurde die bisherige Steuerfreiheit des Bettelordens aufgehoben, 1757 wurden die Prälatenklöster mit der Dezimalsteuer belegt, 1764 sollte das „Amortisationsgesetz“ das Einbringen der Erbteile von neuen Mitgliedern verhindern, 1765 forderte der Kurfürst von den Klöstern die „Stifterbriefe“ ein. Zudem wurde verboten, daß ein „Ausländer“ (Nichtbayer) zum Abt gewählt wurde. Der nächste Schritt zur Säkularisation erfolgte 1769 mit einer kurfürstlichen Verordnung, wonach kein Novize unter 21 Jahren aufgenommen werden durfte. 1772 wurden eine große Zahl von Feiertagen verboten, 1782 das Wetterläuten, 1784 die geistlichen Schauspiele, 1788 Wallfahrten außer Landes. 1803 wurde schließlich der Abbruch sämtlicher Wegkreuze, Feldkapellen und Bildstöcke verordnet.

Gewaltige Stöße von Akten dokumentieren ein langjähriges Ringen: Anzeigen übereifriger Beamter, entschuldigende Berichte von Landgeistlichen und unbeholfene Bittschreiben von Wortführern des Volkes wechseln einander ab.

Die Säkularisation

Der Ausdruck „Säkularisation“ fiel zum ersten Mal bereits 1648, bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, vom französischen Gesandten Herzog Henri de Longeville. Die Säkularisation von 1802/03 bildete den tiefsten Einschnitt in der Geschichte des Katholizismus in Bayern.

In großem Maße geschehen ist dies vor allem in Folge des sogenannten „Reichsdeputationshauptschlusses“ vom 25. Februar 1803: Er stellte die gesetzliche Absicherung der Fürsten zur einer weitreichenden und schon vorher beschlossenen Säkularisation dar, durch die beinahe alle geistlichen Reichsstände aufgelöst worden sind. Dadurch wechselten mindestens 3 Millionen Menschen auf annähernd 95.000 km² Grundfläche ihren Besitzer. Grund dafür war, dass Napoleon die deutschen Fürsten für den Verlust ihrer linksrheinischen Gebiete an das napoleonische Frankreich entschädigen und zu einem Bündnis mit ihm bewegen wollte, was 1806 mit der Gründung des Rheinbundes auch geschah.

Am 25. Februar 1803 wurde schließlich die „Reichsdeputationshauptschluss-Akte“ in Regensburg verabschiedet. Dem Geist der christlichen Religion widersprechendes „Sinnfällige“ sollte unterdrückt werden. Die Anzahl der kirchlichen Feiertage und der geistlichen Spiele wurden reduziert, die geistlichen Stiftungen mit einer Abgabe von 15 Millionen Gulden belegt. Der Papst gab seine Zustimmung, da er meinte, die Summe sei nur ein Siebtel des Vermögens der bayerischen Kirche.

Die Säkularisation war ein Rechtsbruch ohnegleichen, sie hat der Kirche einen gewaltigen Schaden zugefügt, die der aufklärerischen Kirchenfeindschaft und der Habgier des absolutistischen Staates entsprang. Die Säkularisation führte aber auch zur geistigen Rückbesinnung auf Religion und alte Werte.

Säkularisation in Niederbayern

Klöster

Die Benediktinerabtei Niederaltaich galt noch am Vorabend der Säkularisation als das reichste Kloster des Kurfürstentums Bayern. Es hatte von allen bayerischen Klöstern den höchsten Steuerbetrag aufzubringen (3.241 Gulden). Kloster Tegernsee zahlte nur 3.000 Gulden, Kloster Oberalteich 724 Gulden und Kloster Metten gar nur 637 Gulden.

Hochstift Passau

Von dieser großen Säkularisation im Jahr 1803 war auch Passau in großem Maße betroffen, denn durch den eben genannten Reichsdeputationshauptschluss wurde auch das bisherige Hochstift Passau säkularisiert. Um den Beschluss letztendlich durchzusetzen, wurde Passau bereits drei Tage vor dessen Verabschiedung von bayerischen Truppen besetzt. Damit erklärte Fürstbischof Leopold Leonhard Raymund Graf von Thun-Hohenstein seinen Rücktritt als Landesherr. Gleichzeitig verließ er Passau in Richtung Prag und kehrte bis zu seinem Tod nicht mehr zurück.

Durch die Säkularisation gingen sowohl die Veste Oberhaus als auch die Stadt Passau, samt des westlichen Territoriums des Hochstifts, in den Besitz von Kurfürst Max IV. Joseph von Bayern über. Der größere, östliche Teil des Hochstifts kam vorerst an Erzherzog Ferdinand, den bisherigen Großherzog der Toskana und nunmehrigen Kurfürsten von Salzburg, wurde aber nach dem Frieden von Pressburg 1805 ebenfalls Bayern einverleibt.

Die Säkularisation beendete damit im Jahre 1803 die weltliche Herrschaft der Passauer Fürstbischöfe, die sich fortan nur mehr Bischöfe nennen dürfen. Zum Zeitpunkt der Säkularisation umfasste das Hochstift in etwa 52.000 Einwohner auf einem Gebiet von ca. 991 km².

Widerstand

In einem Liedbuch, das ein Bauer aus Stubenberg um 1800 aufzeichnete, findet sich der Gesang wie man die Feyertäg abbracht hat. Die erste Strophe lautet:

Heiliger Penno Lands Patron
Wir rueffen Dich um hilfe an,
Vürs Payerland bit im himmelreich
das es nicht wird dem Luther gleich.

In den folgenden Strophen wird ein Heiliger nach dem anderen angerufen, gegen diese Entwicklung einzuschreiten. Die 23. und letzte Strophe lautet:

Gott der alles guet belohnet
dennen gewißlich nicht verschonet
die ohne Ursach obn hin
nehmen uns die Feyertäg hin.

Literatur

  • Josef Pfennigmann: „Wie viel wunderthätige Kirchfahrten…“. Volksfrömmigkeit und Aufklärung in Altbayern, in: Herbert Schindler (Hg.): Bayern im Rokoko. Aspekte einer Epoche im Umbruch, Süddeutscher Verlag, München 1989, ISBN 3-7991-6434-0

Weiterführende Publikationen

  • Alois Furtner: Der fürstbischöfliche Hof zu Passau am Vorabend der Säkularisation. In: Ostbairische Grenzmarken XIV, Passau 1972 (S. 49-59)