Menschenkette Bayerisch Eisenstein

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Die Menschenkette brachte über 70.000 Teilnehmer ins Eisensteiner Tag (Foto: Rakusan)

Am 3. Februar 1990 bildeten über 70.000 Teilnehmer eine Menschenkette zwischen dem Böhmerwald-Grenzort Železná Ruda und dem bayerischen Nachbarort Bayerisch Eisenstein .

Nach der "Samtenen Revolution" in der Tschechoslowakei im Spätherbst 1989 und der damit verbundenen Entmachtung der kommunistischen Führung hatte auch der unmenschliche "Eiserne Vorhang", der auch mitten durch das Eisensteiner Tal ging, seinen Sinn verloren. Am 3. Februar 1990 öffneten sich erstmals nach 55 Jahren die Schlagbäume - zwar vorerst nur für einen Tag. Aber es war abzusehen, dass die Grenze sehr bald endgültig offen sein sollte.

Über die sonst mit Stacheldrahtzaun und Panzersperren abgeriegelte Grenze strömten an diesem frühlingshaften Samstag mehr als 70.000 Staatsbürger beider Länder - ohne Visum, ohne Reisepass, ohne Kontrollen. Mit einer drei Kilometer langen Menschenkette zwischen den Kirchen der beiden Grenzorte wollten Tschechen und Deutsche ein Zeichen setzten: "Wir gehören zusammen!"

Initiator

Initiator dieses epochalen Ereignisses war das tschecische Bürgerforum Železná Ruda unter Leitung von Dipl.-Ing. Ivan Kalina. Für den damals 47jährigen war die Organisation eine unvorstellbare Arbeit. Er musste sowohl mit dem tschechischen Außen-, dem Innen- und dem Verteidigungsministerium verhandeln, um für einen Tag die Visumspflicht außer Kraft zu setzen. Das Problem waren aber die "unteren" Ebenen. "Da saßen noch alte Kommunisten, die sich gegen die Anweisungen von oben wehrten", erinnert sich Kalina.

Schon vor dem offiziellen Beginn füllten Tausende die Straßen. Die Bahn setzte Sonderzüge ein und aus vielen Teilen Bayerns und der Tschechoslowakei kamen Busse, die auf zehn Kilometern Länge an den Straßen parkten. Die Stimmung war ausgelassen: Menschen fielen sich um den Hals und feierten die "Rückkehr der Tschechoslowakei nach Europa". Man hatte hervorragend vorgesorgt: Entlang der Straßen boten zahlreiche Stände Speisen und Getränke an.

Politische Prominenz

Offizieller Auftakt war ein Festakt vor dem Bayerischen Zollamt in Bayerisch Eisenstein. Als Vertreter der tschechischen Regierung war Außenminister Jiři Dienstbier gekommen, die Bayerische Staatsregierung vertrat Umweltminister Alfred Dick. Ein bewegendes Ereignis war, als die tschechische Militärkapelle aus Klatovy neben der tschechischen auch die deutsche Nationalhymne intonierte.

Am Nachmittag feierten tschechische und bayerische Priester gemeinsam mit zahlreichen Gläubigen, die längst nicht alle in das Gotteshaus passten, einen feierlichen Gottesdienst in der markanten Zwiebelturmkirche von Železná Ruda. Als Hauptzelebrant stand der tschechische Ortspfarrer Dr. Miloslav Vlk am Altar, der heute Kardinal und Erzbischof von Prag ist.

Abends war noch lange nicht Schluss. Zu böhmischer Blasmusik wurde getanzt und gefeiert. Niemanden interessierte es, dass die Visumspflicht eigentlich um Mitternacht wieder aufgehoben war und auch die Grenzpolizisten drückten beide Augen zu.

Der 3. Februar 1990 war wahrhaft ein bedeutsames historisches Ereignis. Hier war der gewaltige politische Umbruch für die von allen Brennpunkten weit entfernten Orte des bayerisch-böhmischen Grenzlandes real begreifbar geworden.

Literatur

  • Isabel Meixner: Der Tag, an dem sich der Eiserne Vorhang hob. In: Der Bayerwald Bote vom 03.02.2010 (S. 26)
  • Katharina Eisch: Grenze. Eine Ethnographie des bayerisch-böhmischen Grenzraums. München 1996.
  • Katharina Eisch-Angus: Revisiting Eisenstein: Die tschechisch-bayerische Grenze als Forschungsobjektiv. In: Tschechien. Jahrbuch für Europäische Ethnologie 4 (2009), S. 219-240.