Deffernikschwelle

Aus RegioWiki Niederbayern
Wechseln zu: Navigation, Suche
Die Deffernikschwelle 2008. Foto: Marita Haller

Die Deffernikschwelle ist eine Triftschwelle an der Kleinen Deffernik im erweiterten Nationalpark Bayerischer Wald am Hang des Großen Falkensteins auf dem Gebiet der Gemeinde Lindberg im Landkreis Regen.

Vormalige Schwelle

Bereits vor 1840 entstand in rund 880 Meter Höhe am Hang des Großen Falkensteins, unmittelbar unterhalb des Zusammenflusses von Rindlbach und Goldquelle, eine Schwelle als „Steinkastenbau“, damit man das ganze Jahr über Hochwasser für das Abtriften des Holzes fern von Wegen und Straßen zur Verfügung hatte. Die Schwelle, die dem Forstbereich Zwiesel zugeordnet war, konnte zweimal in 24 Stunden gefüllt und gezogen werden. Um sie herum waren Holzziehbahnen zum Lackaberg, die Ziehbahnen südlich des Rindlschachtens und die Goldquellziehbahn angelegt worden.

Etwas oberhalb der Schwelle lebten ganzjährig die Klausenwärter, im finsteren, tosenden Defferniktal, in einem Holzhaus mit einem Raum für die Holzhauer und einem Stall. In ihrem Bericht „Klausen und Schwellen in den Grenzwäldern“, berichtete die Historikerin Ingeborg Seyfert in der Wald-Vereins-Zeitschrift „Der Bayerwald 1/74“, dass der erste Schwellwärter ab 1852 der böhmische Holzhauer Rottmeister Johann Weber war. Er lebte mit seiner Familie und einer Kuh und Ziegen in der Trift-Klause. Die Pacht betrug 1 Gulden und 48 Kreuzer. Als Weber 1875 starb, blieb seine Witwe mit fünf Kindern alleine an der Schwelle zurück. Den langen und beschwerlichen Weg zur Schule in Zwiesel gingen die Kinder täglich. Bei schlechtem Wetter und im Winter sollen sie allerdings zuhause geblieben sein.

Jahre später wurde der älteste Sohn der Schwellwärterin zum österreichischen Militärdienst eingezogen. Die Mutter konnte das schwere Klausentor mit den kleineren Kindern nicht bedienen, denn es waren zwei Erwachsene dazu notwendig. Sie musste ihre Stellung als Klausenzieherin aufgeben. Ihre Nachfolge hat Johann Schnabrich aus Steinwiesen (geboren 1846), ein gebürtiger Kronacher (Franken), angetreten.

Antrag auf neue Schwelle

Im Jahr 1911 stellte die kgl. Forstverwaltung Zwiesel Ost den Antrag auf Bau einer neuen Schwelle. Am 10. August 1912 ging ein Eilbrief an das Bezirksamt Regen mit folgendem Inhalt: „... Der Abbruch der alten Schwelle und der Ersatzbau einer neuen Schwelle ist nach Urteil des königlichen Straßen- und Flussbauamtes Deggendorf, des Regierungsbauassesors zu Landshut, des Vertreters der obersten Baubehörde Bayerns, welche alle die Baustelle an Ort und Stelle besichtigten, aus Gründen der Sicherheit und im öffentlichen Interesse unaufschiebbar geworden.“

Auftragsvergabe

Das Zwieseler Baugeschäft Max Gallinger wurde nach einem Kostenvoranschlag von 25 000 Mark mit ihrer Errichtung beauftragt. Als Vorbild galt die im Jahr 1904 gebaute betonierte Hirschbachschwelle - damals zum Glashüttengut Oberzwieselau gehörend - an der heutigen Nord-Ostseite der Trinkwassertalsperre in der Gemeinde Frauenau. Der damalige königliche Forstmeister Franz Hipoltsteiner und Benedikt von Poschinger korrespondierten darüber ausführlich.

Neuer Bauplatz

Als geeignete Stelle für den Neubau der Deffernikschwelle befand man den Platz 30 Meter unterhalb der baufällig gewordenen alten Schwelle, da dort bereits in geringer Tiefe eine gesunde Felsschicht zu finden war. Das neue Staubecken sollte einen Nutzinhalt von 4000 m³ fassen. Das Wassereinzugsgebiet um den Rindlbach und die Goldquelle umfasste 424 Hektar. Zur Beförderung des Materials wurde ein 50 Meter langes Rollbahngleis eingesetzt. Bis ins Frühjahr hinein zog man das Material mit Schlitten zur Baustelle.

Am 16. August 1912 versicherte Forstmeister Hipoltsteiner dem Bezirksamt Regen: „Wegen der Fischereiverhältnisse gestatte ich mir noch anzufügen, dass durch die Erbauung der neuen Schwelle absolut keine Änderung hervorgerufen wird. Die neue Schwelle bleibt gerade so wie die alte, die nur 30 Meter oberhalb gestanden, stets offen und wird nur dann gesteckt, wenn Schwellwasser zum Triften benötigt wird. Länger als einen Tag darf die Schwelle nie gefüllt bleiben, schon aus Rücksicht für die Schwelle selbst“.

Fertigstellung

Im August 1913 war die neue Schwelle aus Beton (Mischungsverhältnis 1:5) mit einbetonierten Bruchsteinen fertig gestellt und gehörte zum Eigentum des königlichen Forstärars. Die Kronenlänge zählte 41,60 Meter, ihre Höhe 7,95 Meter. Die Mauer erhielt auf einer Seite ein Schutzgeländer. Ein Eichpfahl wurde nicht gesetzt. Mit dieser Anlage konnte man einen höchstmöglichen Wasserstand von 8,15 Metern erreichen. Die einzelnen Höhenmaße wurden auf zwei eiserne Kugelbolzen eingemessen. Die Schwellanlage durfte nur zu Triftzwecken verwendet werden. Der Unterhalt und die Freihaltung des Wasserablaufs oblag der königlichen Forstverwaltung.

Entnahmekanal und Aufzugshäuschen

Der Entnahmekanal war durch ein hölzernes Schütz verschließbar, welches durch eine Aufzugsvorrichtung mittels Hand zu bedienen war. Aus Kostengründen hatte man den Entnahmekanal nicht mit einem Eisenschütz, sondern mit einem Schütz aus Holz verschlossen. Die Drehkurbel auf der Dammkrone überdachte man mit einem „Aufzugshäuschen“ aus Holz. Im August 1999 fand man das Häuschen, das sicherlich mehrmals erneuert wurde, zusammengebrochen vor. Die Holzteile waren von der Mauer gestürzt und zum Teil weggeschwemmt worden.

Historisches Bewußtsein

Bis etwa 1969 war auf dem Gelände noch die Grundmauer und der gemauerte Kamin des Schwellwärterhäuschens zu sehen. Heute lässt nur noch eine aus Bruchsteinen aufgerichtete Mauer und eine ebene Fläche im Wald von 8 x 4 Metern das Schwellwärterhaus erahnen. Wünschenswert wären Führungen vor Ort, um das Denkmalbewußtsein innerhalb der Bevölkerung zu sensibilisieren. Bis 2008 fanden keine Führungen statt, entsprechende Überlegungen sind nicht offiziell.

Literatur

  • Akte 97 / III / 65 Deffernikschwelle 1912, Landratsamt Regen
  • Artikel im „Der Bayerwald 1/74“ von Ingeborg Seyfert