Biermeier Lacke

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Der große Teil der Biermeier Lacke mit einem teilweise versunkenen Baumstamm, den schon etliche Blinker zieren. Foto: Meisenberger
Der kleine, nierenförmige Tümpel zwischen Biermeier Lacke und Salzach in der Zeit der Algenblüte. Foto: Günter Geiß
Durch die starke Algenblüte stehen Polster mit Seggengräsern wie in Watte eingebettet. Foto: Günter Geiß

Die Biermeier Lacke ist ein ehemaliges Nebengerinne der Salzach. Wandert man zu Fuß oder mit dem Fahrrad am Beginn des Hochwasserdammes bei Neuhofen Richtung Haiming, so führt auf der rechten Seite nach etwa 1,5 km ein Wirtschaftsweg direkt in die Au. Von dort erreicht man auf einem ausgetretenen Wanderpfad Richtung Salzach nach etwa 100 m die im Auwald gelegene Lacke.

Geschichte

Würmeiszeitliche Schmelzwässer schufen am Ende der letzten Eiszeit den Burghauser Durchbruch, wobei auch gebankte, harte Schotter aus Konglomeraten der Risseiszeit durch die Urgewalt des grabenden Wassers in dicken Nagelfluhplatten in die Tiefe stürzten. Nach dem Abtransport der eiszeitlichen Gerölle und Geschiebe grub sich der Fluss durch darunterliegende, Jahrmillionen alte braunkohlenzeitliche Süßwasserablagerungen, Flinzsande und eingelagerte tonige Bänder. Nach dieser etwa 60 m hohen Schlucht treten die Ufer endgültig auseinander, so dass die Salzach in dieser Niederterrassenlandschaft aufgegabelte Strecken bilden konnte. Eine alte Landkarte zeigt, dass zwischen Piesing und der österreichischen Seite im Fluss zwei große Kiesbänke als Inseln aufgeschüttet waren, die von Fluten umflossen und ständig umgelagert wurden. Um Grenzstreitig-keiten zu vermeiden und große Wassermassen schneller abzuleiten, wurde von Österreich und Bayern Anfang des 19. Jahrhunderts die Begradigung der Salzach beschlossen.

Im Landkreis Altötting begannen diese Arbeiten anno 1860. Es wurden die Auffächerungen und Nebengerinne beseitigt und der Fluss in ein steinernes Korsett gelegt. Im Zuge der Begradigung und dem nun beschleunigten Abfluss tiefte sich das Flussbett der Salzach immer mehr ein. Unterhalb der Ortschaft Piesing blieb, vom Fluss getrennt, ein ehemaliges Seitengerinne zurück, das größtenteils noch mit Wasser befüllt war .Die Biermeierlacke war geboren.

Diese Lacke hieß früher Badellacke, da der Au-Badel, wie der frühere Flusszillenbauer genannt wurde, am nächsten zur Lacke hin wohnte. Erst später, als das Wohngebäude des Biermeier aus Hub abbrannte, baute dieser unterhalb des Reitergestüts noch näher ans Wasser. Seitdem wurde nur noch von der Biermeier Lacke gesprochen. Die Lacke besteht aus drei Gewässerabschnitten, wobei die große und die flussaufwärts liegende, etwas kleinere Lacke durch einen Anfang der 50er Jahre erbauten Steindamm voneinander getrennt wurden. Beide Lacken, die noch mit einem Betonrohr verbunden sind, weisen eine Gesamtlänge von etwa 550 m und eine größte Breite von ca. 50 m auf und sind am unteren Ende mit einem Durchstich mit dem offenen Fluss vernetzt. Somit können hier Fische und andere kiemenatmende Tiere wechseln und die Durchgängigkeit ist gewährleistet.

Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde zum Schutz der Au ein Leitdamm errichtet. Vorher reichten die Fluten bei starkem Hochwasser bis an die Hangleite unterhalb der Verbindungsstraße Neuhofen-Haiming. Von Au/Hub kommend führt eine Auffahrt bei Flkm 5,2 den Leitdamm hoch, auf der ein alter Grenzstein mit der eingemeißelten Aufschrift K.B.Q. No.49 und darunter die Jahreszahl 1820 steht. Dieser alte Grenzstein dürfte aus nostalgischen Gründen hier als Erinnerung an frühere Zeiten nachträglich versetzt worden sein. Ein Rad- und Wanderweg von Burghausen kommend führt auf diesem Leitdamm nach Niedergottsau und dort über die Innbrücke und am linken Flussufer weiter in Richtung Passau.

Beschaffenheit und Artenvielfalt

Zwischen der Biermeier Lacke und dem Fluss liegt ein nierenförmiger kleiner Tümpel, dessen Seitenlänge je nach Wasserstand zwischen 15 und 25 m variiert. Dieser Tümpel ist ein Überbleibsel einer trockengefallenen, ehemaligen Flussrinne, die jetzt von Schilf und niederen Auwaldsträuchern erobert wurde. Im Sommer ist dieses kleine Gewässer mit Unterwasserpflanzen, insbesondere mit langen grünen Fadenalgen zugewachsen, wobei diese oft watteartig bis über die Wasseroberfläche wuchern. Olivgrüne Seefrösche, die die enorme Größe von 10 bis 17 cm erreichen können, sonnen sich auf dieser watteweichen Liegewiese und zerreißen mit ihrem plötzlich einsetzenden Gequake die Stille. Dabei treten zwei dunkelgraue Schallblasen hinter ihren Mundwinkeln aus.

Zur Salzach hin haben Biber ihre Rutschen, auf denen sie bäuchlings in den Fluss gleiten, angelegt. Hier fällen sie mit ihren scharfen Nagezähnen Weichhölzer und schaffen so durch ihre ausdünnende Tätigkeit einen aufgelockerten und lichtdurchfluteten Auwald mit einer vielfältigen Flora. Der Biber ist ein Urbayer und lebte schon vor 15 Millionen Jahren hier, was fossile Funde beweisen.

Der Auwald um die Biermeier Lacke besteht aus Eschen- und Ahorngehölzen, Haselnusssträuchern, Weiß- und Grauerlen, Weiden, Espen, vereinzelt Eichen und hohe Pappeln, deren Baumkronen oft dicht mit den immergrünen, schmarotzenden Misteln befallen sind. In diesem Auwaldbereich stehen auch vergreiste Bäume, deren von Spechten bearbeitete Stämme als „Hotel Baumruine“ Vögeln und Insekten Unterschlupf und Wohnraum bieten. So konnte ich in einer Höhle in einer Astgabel ein mit lehmigem Schlamm gemauertes Nest eines Kleibers, Sitta europaea, entdecken. Der kleine Vogel, der zur Familie der Baumläufer gehört, verklebt das Einschlupfloch vom Rand her so weit, dass er gerade noch hindurch schlüpfen kann und polstert sein Nest mit Baumrinde und Schuppen aus. Er ist ein wahrer Kletterkünstler und läuft auch kopfüber den Stamm hinab. Auch hört man oft das lachendschallende „glück glück glück“ des Grünspechtes Picus viridis, der eine rote Kopfkappe von der Stirn bis zum Nacken trägt, während ihm seine olivgrüne Oberseite seinen Namen gibt. Auch das heisere „rärärä“ des kontrastreich gefiederten Buntspechtes mit auffallend rotem Plättchen am Hinterkopf ist zur Brutzeit nicht zu überhören. Er klettert meist in Spiralen ruckweise stammaufwärts. Sein Trommelwirbel soll sein Brutrevier abgrenzen und Partner anlocken. Da er jedes Jahr eine neue Höhle baut, schafft er so für andere Höhlenbewohner immer wieder Nistgelegenheiten.

Ein Eisvogel schwirrt wie ein funkelnder Edelstein über die Wasseroberfläche, setzt sich lauernd auf einen kleinen Weidenstock am Ufer, von wo aus er plötzlich in einen Kleinfischschwarm stößt und mit einem zappelnden Fischlein an die Wasseroberfläche zurückkehrt. Während Schilf und Seggengräser das Ufer der großen Lacke säumen, wuchern zwischen Salzach und der kleinen Biermeier Lacke ausgedehnte Schachtelhalmflächen. Ausgetretene Wildwechsel erinnern an die Anwesenheit von Rehwild.

Während im Frühjahr im Unterbewuchs der Hochstauden der Aue Schneeglöckchen und Frühlingsknotenblumen massenhaft blühen, ist die Hangseite des Leitdammes übersät mit Blausternchen und Gelbsternchen, Buschwindröschen und Gelben Windröschen. Auch findet man in der Aue im Frühjahr Speisemorcheln, die in der Pfanne geröstet ein schmackhaftes Pilzgericht abgeben. Die kleine Biermeier Lacke ist im Sommer oft wolkenartig bis an die Wasseroberfläche mit Hornkraut und Ährigem Tausendblattkraut bewachsen. Die Reinigungskraft dieser Pflanzen und kleinere Quellen, die aus der Tiefe des Untergrundes die Lacke speisen, bewirken, dass das Wasser hier fast ganzjährig einigermaßen klar bleibt, während die große Lacke durch ihre Trübung keinen größeren Unterwasserbewuchs aufkommen läßt. Hier wühlen Karpfen, Schleien und Brachsen, die im Frühjahr zum Laichen aus der Salzach einwandern und das Wasser im Bereich der Seggengräser am Ufer regelrecht zum Kochen bringen.

Der schlammige, von Fischen bei der Nahrungssuche aufgewühlte Grund und das Sediment führende trübe Salzachwasser, das bei erhöhtem Wasserstand in die Lacke strömt, verhindern in den Sommermonaten ein Aufklären. Während über die Vernetzung mit der Salzach Flussfische wie Hechte, Brachsen, Aitel, Barsche, Aale und andere Fische in die Lacke einwandern können, ist in beiden Lacken ein ursprünglicher Eigenbestand an Rotfedern, Rotaugen, Lauben, um nur einige zu nennen, vorhanden. Karpfen und Schleien werden, wenn nötig, vom Fischereiverein Burghausen nachbesetzt. Nach Einbruch der Dämmerung fängt man direkt am Auslauf in die Salzach prächtige Stachelritter, wie der Zander von unseren Fischerkollegen genannt wird. Auch tagsüber verschmäht dort so manch guter Schied das am Einzelhaken auf Grund angebotene tote Fischchen nicht. Besonders in der großen Lacke, in der vom Sturm ins Wasser gekippte Bäume ihre dürren Äste wie Fangarme von sich strecken, muss der Spinnfischer schon einen ruhigen, zielsicheren Wurf setzen können, um nicht den künstlichen Köder zu verlieren. Im Frühling laichen hier massenhaft die Erdkröten, die zwischen versunkenem Geäst bündelweise im Flachwasser ihre schwarzen Laichschnüre spannen. Die Grasfrösche dagegen legen ihre gallertigen Laichklumpen in einem kleinen, sumpfigen, mit niederen Seggengräsern und Wasserpest zugewachsenen Tümpel zwischen Lacke und Leitdamm ab.

In der großen Lacke konnte ich in Ufernähe von Bisamratten angelegte Muschelfriedhöfe entdecken, in denen sich die aufgeknackten Schalen der Malermuschel, der Schwanenmuschel und der Entenmuschel nachweisen ließen. Auch auf der Schale einer Schwanenmuschel konnte ich eine mit Byssusfäden angeheftete Wandermuschel entdecken. Größere Wasserschnecken wie die Spitzschlamm- und die Posthornschnecke kann man in fischfreien Nebentümpeln entdecken. In der großen Lacke sorgen Schleien und Wildenten dafür, dass ein stärkeres Aufkommen nicht möglich ist. Hier tummeln sich auch Blesshühner, Stockenten und Reiherenten und andere, wie sie auch in der großen Wasserlandschaft am Innspitz vorkommen. Kormorane, die nach einem Tauchgang plötzlich die Wasseroberfläche durchstoßen und erschreckt davonfliegen, sind als Nahrungskonkurrenten der Raubfische an der Kleinwüchsigkeit und Unterernährung so manchen Hechtes nicht unerheblich schuld, da der Beutefischbestand trotz gutem Nahrungsangebot stark ausgedünnt ist.

Wasseranalyse

Die Wasserproben, die Analytiker des Fischereivereins Burghausen zweimal im Jahr durchführen, werden in beiden Lacken gezogen. Während der Wasserchemismus in der kleinen Lacke abhängig ist von der Jahreszeit, Quellwasserzufuhr , Sonneneinstrahlung und Unterwasserpflanzenbewuchs, kommt in der großen Lacke noch der Mischeffekt mit Sauerstoff zehrenden, organischen Schwebeteilchen beladenen Salzachwassers bei erhöhtem Wasserstand hinzu. So lagen die Sauerstoffschwankungen der letzten 3 Jahre zwischen 85% und 116%, wobei unter der geschlossenen Eisdecke die Sauerstoffsättigung schon mal unter die 50 % sinkt. Die pH-Werte lagen zwischen 7,2 und 8,3, Ammoniumgehalte kleiner 0,2 bis 0,2 mg/l, Nitratwerte kleiner 1 bis 2 mg/l, Nitritwerte ganzjährig kleiner 0,05 mg/l. Die Phosphatwerte lagen ganzjährig kleiner 1 mg/l und die Karbonat-Härte schwankt je nach Abbau durch die Wasserpflanzen und Mischwasser aus der Salzach zwischen 6,2 und 7,9 Grad deutsche Karbonat-Härte.

Naturschutzgebiet

Die Biermeier Lacke ist ein artenreiches und vogelkundlich interessantes Gebiet und wurde deshalb in das NSG miteinbezogen. Aus diesem Grund darf hier auch an bestimmten Stellen nur außerhalb der Vogelbrutzeit gefischt werden. Kapitale Fische kann man hier allerdings nicht erwarten, aber der Erholung suchende Angler findet in dieser ungestörten Naturlandschaft innere Ruhe und Ausgeglichenheit.

Literatur

  • Günter Geiß: Wasserlandschaften- zwischen Inn und Salzach. Druckerei Schwarzfischer, aktualisierte Auflage, S. 44-48


Gewässer zwischen Inn und Salzach

Wasserlandschaft: InnspitzFlüsse: Salzach, Inn, AlzBäche: TürkenbachSeen: Wöhrsee, Marktler Badesee

Lacken: Peracher Lacke, Gunschlacke, Seibersdorfer Lacke, Engelmannlacke, Biermeier Lacke, Haunreiter Lacke, Deindorfer Lacke