Kaspar Hauser
Kaspar Hauser (* angeblich am 30. April 1812; † 17. Dezember 1833) ist als rätselhaftes und berühmtes Findelkind bekannt. Er zieht bis heute Kriminologen und Historiker in seinen Bann: Die Fragen ob er der Sohn eines Reiteroffiziers, ein heimlicher Erbprinz oder doch nur ein nach Aufmerksamkeit gierender Hochstapler war, sind bis heute nicht vollständig geklärt.
Inhaltsverzeichnis
Leben ab 1828
Am 26. Mai 1828 wurde in Nürnberg ein etwa 16 Jahre alter Bursche aufgegriffen. Er war in bäuerlicher Tracht gekleidet, ausgestattet mit Büchlein, einem Rosenkranz und ein wenig Goldsand. Auch einen an den Rittmeister eines Kavalierie-Regiments adressierten Brief hatte er bei sich. In dem Schreiben schilderte der anonyme Verfasser, dass ihm der Bub 1812 vor die Tür „gelegt“ worden sei. Er habe ihn aufgezogen und ihm Lesen und Schreiben beigebracht. Damit niemand erfährt, wo er herkomme, habe er den Jungen seit 1812 nicht mehr vor die Tür gelassen.
In einem zweiten Brief, angeblich von der Mutter stammenden Schreiben, schilderte diese, dass der Junge am 30. April 1812 geboren wurde. Sie schrieb auch, dass der Vater im jetzt von Kaspar gesuchten Regiment war und mittlerweile tot sei. Zwar herrscht in der heutigen Forschung weitgehend Einigkeit, dass Hauser seine Kindheit unmöglich zur Gänze isoliert in einem Kellerloch verbracht haben kann, dennoch lässt die aus seinem eigenen Mund stammende Geschichte bis heute die Gerüchteküche brodeln. Als Obervormund und Gönner Hausers trat der Jurist Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach hervor, der 1832 das Buch Kaspar Hauser. Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen veröffentlichte.
Feuerbach vermutete darin, dass Hauser dem badischen Prinzentum entstamme. Eines der noch weiter gehenden Gerüchte besagte, dass Hauser der Erbprinz von Baden war. Man habe ihn bei der Geburt mit einem sterbenden Kind vertauscht, um so einer Nebenlinie die Herrschaft zu sichern. Nahrung gewann diese Theorie wenige Monate nach Feuerbachs Tod durch die mysteriösen Todesumstände Kaspar Hausers. Am 14. Dezember 1833 kam er mit einer schweren Stichverletzung nach Hause. Ihm zufolge war er von einem Unbekannten in den Ansbacher Hofgarten gerufen worden. Dort habe ihm ein bärtiger Mann einen Beutel überreicht und dann auf ihn eingestochen. Drei Tage nach diesem Vorfall erlag Kaspar Hauser seinen Verletzungen.
Was tatsächlich am 14. Dezember 1833 geschah, ist ungeklärt. Viele Forscher gehen davon aus, dass Hauser sich die Wunde selbst zugefügt hat – um das Interesse an ihm am Leben zu erhalten. Versehentlich soll er zu fest zugestochen haben. Für diese Version spricht ein weiteres angebliches Attentat vier Jahre zuvor. 1829 wurde Hauser im Keller seiner Wohnung mit einer Schnittwunde aufgefunden. Schon damals hatte er angegeben, überfallen worden zu sein. Kriminalwissenschaftler jedoch halten das für äußerst unwahrscheinlich.
Wanghausen-Theorie
Herkunft
Auch Peter Vornehm zweifelt an der Aussage - zumindest was den Fall von 1829 betrifft. In monatelanger Arbeit hat sich der frühere Schulleiter mit dem Thema beschäftigt. Die Ergebnisse sind im aktuellen Band der Heimatkunde-Sammlung „Öttinger Land“ zu finden.
Was Hausers Herkunft angeht, wird oft behauptet, sein „Verließ“ – so es denn überhaupt existierte – habe sich in dem fränkischen Schloss Pilsach befunden. „Niemals“, sagt Vornehm. Schließlich widerspreche ein entscheidender Hinweis dieser Theorie: Als der schwerverletze Hauser am 14. Dezember 1833 nach Hause kam, hatte er einen in Spiegelschrift geschriebenen Zettel dabei. Der Text weist einige Lücken auf: „Ich kome von ___ Der Baierischen Gränze __ Am Fluße ____.“ Allein der Fluss schließt Vornehm zufolge die fränkische Theorie aus, weil bei Pilsach weit und breit kein Fluss zu finden ist.
Vielmehr zielt Vornehm analog zu früheren Hauser-Forschern, auf den Burghauser Raum. Er ergänzt die Auslassung folgendermaßen: „ich kome von ACH der Baierischen Gränze NA(H) am Fluße SALZA.“ Konkret ist es das in Sichtweite der Burghauser Burg gelegene Schloss Ach, heute Wanghausen, das laut Vornehm als Hausers Heimatstätte in Frage kommt. Für die Wanghausen-Theorie sprechen zum einen die Mitbringsel, die Hauser in Nürnberg dabei hatte: Ein Rosenkrankz, wie er nur in Altötting gefertigt wurde, und mehrere Büchlein und Zettel, die in Altötting und Burghausen gedruckt wurden. Hinzu kommen seine eigenen Erinngerungen, Zwar konnte oder wollte er zeitlebens keinen direkten Ort benennen, allerdings decken sich seine Erinnerungen mit dem Schloss Ach, etwa die Art und Weise der Räumlichkeiten oder der Anzahl und Art der damals vorhandenen Pferde.
Auch gab Hauser an, täglich über die Grenze zur Schule gegangen zu sein - ein Hinweis, der auf Burghausen deuten würde. Dass sein Dialekt nachweislich altbairisch-innviertlerisch war, bekräftigt die Wanghausen-Theorie.
Verbindung mit Napoleon
Jedoch bleibt die Frage nach dem Grund für die Geheimnistuerei und das Versteckspiel um Kaspar Hauser. Peter Vornehm ist sich sicher, dass Napoleon Bonaparte hinter der Sache steckt. Wie schon von anderen Forschern gemutmaßt, glaubt auch er, dass Hauser ein illegitimer Sohn des Franzosenkaisers war. Mutter soll die spätere Großherzogin Stéphanie de Beauharnais gewesen sein – jene Frau, die auch in der Erbprinztheorie als Mutter Hausers genannt wird.
Um ihre Rolle in der Sache zu klären, waren rund um die Jahrtausenwende mehrfache Gentests durchgeführt worden. Eindeutige Ergebnisse brachten sie nicht. Letztlich konnte eine Verwandtschaft Hausers mit der Fürstin weder bestätigt noch vollständig ausgeschlossen werden.
Weil Stéphanie eine entfernte Verwandte von Napoleons Ehefrau Josephine war, der Kaiser mit ihr in so engem Kontakt stand, dass ihm einige ein Verhältnis mit ihr nachsagen, und die Großherzogin zudem persönliches Interesse an Kaspar Hauser zeigte, kam das Gerücht auf, dass das Findelkind von Napoleon selbst stammte. Auffällig findet Peter Vornehm, dass Hauser und Bonaparte durchaus Ähnlichkeiten aufweisen, die auch zu Stéphanie de Beauharnais’ anderen Kindern bestehen.
Für eine Vaterschaft Napoleons würde auch sprechen, dass einige Forscher Hausers Geburtsjahr auf 1810 und nicht auf 1812 datieren. Zeitlich passt das mit Napoleons Aufenthalt in der Region zusammen. Auf seinem Marsch nach Wien zog der Kaiser 1809 durch Burghausen.
Weideneck-Theorie
Eine neue Theorie über Kaspar Hausers Herkunft legte im Jahr 2016 der Eggenfeldener pensionierte Polizeibeamte Josef Heindl in seinem Buch Der Erbprinz vom Unschlittplatz vor. Demnach waren Hausers Eltern der katholische Priester Joseph Hausner (1778-1833), damals Hauskaplan von Karl Freiherr von Hackledt zu Oberhöcking bei Landau an der Isar und die von ihrem Ehemann enttäuschte Maria Margaretha Freifrau von Hackledt. Der Priester habe seinen Sohn dann einem Verwandten, dem Schneider Joseph Hausner und dessen Ehefrau Corona in Weideneck bei Tiefenbach übergeben. Dort sei Kaspar Hauser auch aufgewachsen und 1827 ins Arbeitshaus nach Niederhaus in Passau gekommen, bevor er sich mit einem Viehzug auf den Weg nach Nürnberg gemacht habe.
Literatur
- Christoph Kleiner: Wuchs Kaspar Hauser nahe Burghausen auf? In: Passauer Neue Presse vom 12. Januar 2013 (S. 3)
- Stefan Rammer: Kaspar Hauser: Pfarrerssohn aus Niederbayern? In: Passauer Neue Presse vom 22. März 2016 (S. 3)