Wallfahrt Altötting

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Einzug der Wallfahrer in die Basilika St. Anna bei der Jugendfußwallfahrt im Jahr 2009.

Die Wallfahrt Altötting ist eine bedeutende und traditionsreiche Wallfahrt zur Stadt Altötting im Bistum Passau.

Geschichte

Entstehung

Die Wallfahrt nach Altötting begann spontan im Jahr 1489. Nach einer auf alte Quellen zurückgehenden Darstellung des Dechanten Johannes Scheitenberger vom damals bereits vorhandenen Kollegiatstift Altötting war ein dreijähriges Knäblein in den durch Altötting fließenden Mörnbach gefallen und nach einer halben Stunde leblos herausgezogen worden. Die Mutter trug das Kind zur Kapelle St. Maria und bat auf den Knien um die Wiedererlangung des Lebens ihres Kindes. Alsbald wurde das Kind wieder lebendig. Kurz darauf ereignete sich ein zweites Wunder: Als ein Altöttinger Bauer ein Fuder Hafer nach Hause fuhr, setzte er sein sechsjähriges Söhnlein auf das Pferd. Es fiel herab unter den Wagen und wurde erdrückt. Auf die Anrufung der Gottesmutter war das Kind am folgenden Tag völlig gesund.

Auf diese Nachrichten hin kamen zahlreiche Hilfesuchende zu der Kapelle, die damals nur aus dem Oktogon bestand. Die älteste Rechnung aus dem Jahr 1492 verzeichnet Geld- und Naturalabgaben in außerordentlicher Höhe. Außer enormen Geldmengen wurden auch reichlich Kleider, Schleier, Pelze, Flachs, Getreide, Schmalz, Käse, Eier und nicht weniger als 3698 Hühner sowie 13 Stück Kleinvieh und 64 Stück Großvieh, darunter 24 Pferde geopfert. Insgesamt ergaben sich in diesem einen Jahr Opfergaben im Wert von 12375 Pfennigen, was dem Wert von etwa 400 Pferden oder 660 Kühen entsprach. Flugblätter vermeldeten, bereits der heilige Rupert, der Bekehrer der Baiern, habe in der Kapelle einen Baiernherzog getauft. Da die Kapelle auch die Ungarnstürme unversehrt überstanden habe, sei es offensichtlich, dass Gott in der Kapelle seine Mutter geehrt wissen wollte.

Frühe Blütezeit und Reformation

Schon 1497 war das Langhaus mit seinem Pilgerumgang und Türmchen vollendet. Das in diesem Jahr gedruckte Mirakelbuch des Jakob Issickemer berichtete unter anderem, Hans Geyer von Einsingen sei mit Krücken in die Kapelle getreten, habe sie dann abgenommen und nach vorne getragen. Bereits 1498 war die Kapellenstiftung in der Lage, Herzog Georg dem Reichen den enormen Betrag von 57 000 Gulden zu leihen.

1499 wurde die zu klein gewordene romanische Basilika niedergerissen, auf Kosten der Kapellenstiftung neu gebaut und 1511 durch den Bischof von Chiemsee geweiht. Der berühmte Humanist Konrad Celtis dichtete für die Heilung von schwerer Krankheit der Muttergottes von Altötting ein 18-zeiliges Epigramm, und Johannes Aventinus verfasste 1518 eine Chronik von Altötting. Für die abgelieferten Opfergaben wurde eine eigene Schatzkammer erbaut, und jedes Wunder trug man in die Mirakelbücher ein. Darin finden sich neben Erweckungen von Toten vor allem Heilungen von allen möglichen Krankheiten, aber auch Bekehrungen vom Unglauben. Äußerst vielfältig sind die Opfergaben. Neben Geld und Waren der verschiedensten Art wurden häufig Votivmessen und ewige Gottesdienste gestiftet sowie letztwillige Verfügungen zugunsten der Heiligen Kapelle getroffen. Viele Gläubige verpflichteten sich zu einer dauernden Leistung gegenüber der Muttergottes oder schufen Votivtafeln aus Dankbarkeit für die Rettung von einem Ungemach.

Schon im 16. Jahrhundert gab es mehr als 100 Pfarreien und Vikariate, die mindestens einmal im Jahr eine Wallfahrt nach Altötting unternahmen. Die Residenzstadt Landshut führte bereits seit 1493 solche Wallfahrten durch. Nicht nur aus Bayern, auch aus Böhmen, Österreich und sogar Italien kamen die Wallfahrer. Schon damals kam es zu den ersten Fürstenbesuchen in Altötting.

Die folgende Reformationszeit bedeutete für die Wallfahrt jedoch zunächst eine schwere Krise. Abgefallene ehemalige Priester belästigten die verunsicherten Wallfahrer. 1529 betrugen die Opfergefälle nur noch etwa zehn Prozent der früheren Jahre. 1560 hatten Kirchfahrten und Weihespenden so gut wie aufgehört.

Im Zeichen der Gegenreformation

1567 jedoch schickte Herzog Albrecht V. den gelehrten Theologen Martin Eisengrein als Stiftspropst nach Altötting, und 1570 führte Petrus Canisius, der zweite Apostel der Deutschen, in der Heiligen Kapelle eine spektakuläre Teufelsaustreibung bei einem Kammerfräulein der Gräfin Sybilla Fugger durch. Eisengrein schilderte den Vorgang 1571 ausführlich in seinem Buch Vnser liebe Fraw zu Alten Oetting. 1571 erschien Herzog Albrecht V. mit seiner Ehefrau Anna in Altötting und schenkte der Kapelle und dem Chorherrnstift reichen Altar- und Kirchenschmuck. Sein Nachfolger Wilhelm V., der Fromme, unternahm wenigstens einmal im Jahr eine Fußwallfahrt nach Altötting. Von 1593 bis 1596 erbaute er den Jesuiten Kirche und Kloster. Lag die Zahl der Kommunionen 1592 noch bei 400, war sie 1600 auf 7600 und 1700 auf 100 000 angestiegen.

Während des Dreißigjährigen Krieges musste die Kapellenstiftung viermal dem Kurfürsten Maximilian I. Geld leihen. Der bayerische Heerführer Johann t’Serclaes von Tilly führte in seinem Leibregiment eine Fahne mit dem Bild der Altöttinger Muttergottes und der Gnadenkapelle von Altötting. Erst 1632 ging die Fahne verloren und befindet sich heute in der Ritterholmkirche in Stockholm. Tillys Leib ruht in einer Gruft im Kreuzgang der Altöttinger Stiftspfarrkirche, sein Herz im Inneren der Gnadenkapelle. Das Gnadenbild wurde 1632 kurze Zeit in den Dom von Salzburg und 1648 vorübergehend auf die Burg zu Burghausen gebracht.

1654 bis 1656 errichtete Stiftspropst Kardinal Graf von Wartenberg ein Franziskanerkloster mit Kirche. Kurfürst Ferdinand Maria beauftragte 1673 seinen Hofbaumeister Enrico Zucalli, die Kapelle mit einer monumentalen Votivkirche zu überwölben, wobei das Langhaus der Kapelle abgerissen werden sollte. 1674 wurden die Fundamente der Kirche gelegt, doch nach dem Tod des Kurfürsten 1679 kam das Projekt zum Erliegen.

Adelige Wallfahrer

Seit Albrecht V. zeigten sich die Wittelsbacher mit unzähligen Wallfahrten und unermesslichen Geschenken als große Förderer der Altöttinger Wallfahrt. Vor ihren Eheschließungen wallfahrteten sie stets zum Gnadenbild. Im Tabernakel des Gnadenbildes, den Kurfürst Maximilian I. 1644 oder 1645 der Gnadenkapelle schenkte, hinterließ er einen mit seinem eigenen Blut geschriebenen Brief, in dem er sich ganz der Jungfrau Maria zu eigen gab. Alle folgenden regierenden Wittelsbacher bis Max III. Joseph wiederholten diese Weihe. Zahlreiche Wittelsbacher und Wittelsbacherinnen ließen hier ihr Herz im Boden oder in Urnen bestatten.

Nach den Wittelsbachern waren unter den Fürstenhäusern die Habsburger die größten Verehrer der Muttergottes von Altötting. 1630 besuchte Kaiser Ferdinand II. mit seiner Familie den Wallfahrtsort und machte außerordentliche Geschenke. Seit Ferdinand II. besuchte jeder Kaiser ein- oder mehrmals Altötting. Kaiser Leopold I. zog 1658 vor der Übernahme der Regierung mit einem Gefolge von 1.500 Personen im Wallfahrtsort ein, betete vor dem Gnadenbild und beschenkte die Kapelle mit zwei diamant- und perlenbesetzten Goldkreuzen. 1681 war Leopold erneut in Altötting und schloss hier das Bündnis mit Kurfürst Max Emanuel, der seine Teilnahme am bevorstehenden Türkenkrieg versprach. Die Gemahlinnen der Häuser Wittelsbach und Habsburg schenkten der Muttergottes ihre Brautkleider, stickten eigenhändig Paramente und fertigten für das Gnadenbild das „Gnadenröckl“.

Im 16. und 17. Jahrhundert ließen die bayerischen Fürsten ihre lebensgroßen Wachsfiguren in der Kapelle aufstellen, später wurden Darstellungen in Edelmetall aufgeopfert. Erhalten blieb allein der „Silberprinz“, die Figur des jugendlichen Kurfürsten Max III. Joseph.

Aufklärung und Säkularisation

Der Geist der Aufklärung brachte gegen Ende des 18. Jahrhundersts einen starken Rückgang der Wallfahrt. Die Jesuiten wurden 1773 nach der Auflösung des Ordens aus Altötting vertrieben. Selbst der kurfürstlich angestellte Stiftsprediger Hartmann predigte jahrelang gegen Aberglaube, Magie und Schwindel. Lag 1770 noch eine Liste von etwa 230 wallfahrenden Pfarreien auf, so zählte sie 1786 nur noch 160 Züge. Der tief besorgte Papst Pius VI. kam nach seinem Treffen in Wien mit Kaiser Josef II. am 25./26. April 1782 nach Altötting.

Die Säkularisation brachte 1802 das Ende des Franziskanerklosters, das von Kapuzinern übernommen wurde und 1803 die Aufhebung des Kollegiatstiftes. Der weitaus größte Teil der reichen Opfergaben ging verloren.

Das 19. und 20. Jahrhundert

Erst am 1. Mai 1827 rief König Ludwig I. ein neues Wallfahrtspriesterinstitut ins Leben. Mit nur 27 Pilgerzügen wurden in diesem Jahr wieder die Wallfahrerzüge gezählt. Bis 1866 war deren Zahl auf über 200 angestiegen.

Von 1841 bis 1873 wirkten die Redemptoristen in Altötting. Sie mussten aufgrund der Jesuitengesetze des deutschen Reichstages als den Jesuiten verwandter Orden Deutschland verlassen. Von ihnen übernahmen die Kapuziner die Wallfahrtskustodie. Von 1852 bis zu seinem Tod 1894 saß der heilige Konrad von Parzham an der Pforte des Sankt-Anna-Klosters.

Die Kapuziner schufen ab 1901 die großen Pilgerzüge der Bahn aus ganz Deutschland und Österreich, die der Wallfahrt ein neues Gepräge gaben. Da Altötting zunächst noch keinen Bahnhof hatte, wurde 1906 eigens die Dampfstraßenbahn Altötting-Neuötting eröffnet. Die meisten organisierten Sonderzüge mit 107 Zügen und 81 000 Pilgern erreichten Altötting im Bruder-Konrad-Jahr 1963.

Von 1910 bis 1912 wurde nach den Plänen von Johann Baptist Schott die gewaltige Basilika St. Anna erbaut, allerdings ohne die ursprünglich geplanten Türme. 1946 wurde das Altöttinger Marienwerk zur Förderung der Wallfahrt gegründet. Nach 200 Jahren besuchte am 18. und 19. November 1980 mit Johannes Paul II. im Rahmen seiner Pilgerreise durch Deutschland wieder ein Papst Altötting. 50.000 bis 60.000 Beter waren dabei auf dem Kapellplatz versammelt. Der Durchgangsverkehr über den Kapellplatz wurde nach dem Bau einer Tiefgarage unter dem Platz 1985 eingestellt.

Der Charakter des Wallfahrtsbetriebes änderte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, indem nicht mehr örtliche Gruppen, sondern durch Stammeszugehörigkeit und gemeinsame Ideale verbundene Gruppen den Hauptanteil der Wallfahrer bildeten.

Am 11. September 2006 war Papst Benedikt XVI. zu Besuch in Altötting.

Formen der Wallfahrt

Eine Zugwallfahrt wird am Bahnhof feierlich empfangen. Unter Gebet, Gesang und Geläute geht der Zug über den Kapellplatz in die Basilika zum Gottesdienst mit der Begrüßungsansprache. Zur Mittagszeit kehrt man in die Quartiere ein, am Nachmittag besucht man die Beichtstühle, die Gnadenkapelle und die verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Auch das Herumtragen der Kreuze im gedeckten Umgang der Gnadenkapelle, gehend oder kniend, wird noch ausgeübt. Es folgen die Abschiedsansprache und der Auszug zum Bahnhof.

Fußwallfahrer marschieren oft von weit her, zum Beispiel aus München, Passau, Deggendorf oder Regensburg. Seit 1946 findet jährlich die Jugendfußwallfahrt Altötting statt, 2009 wurde die Bauernwallfahrt Altötting wieder ins Leben gerufen. Zahlreiche andere Organisationen veranstalten ebenfalls Großwallfahrten nach Altötting.

Ein besonders nachhaltiges Erlebnis ist die feierliche nächtliche Lichterprozession. Nach einer Predigt in der Basilika ziehen die Pilger singend und betend in immer enger werdenden Spiralen um die Gnadenkapelle.

Devotionalienhandel

Seinen festen Platz hat in Altötting seit über 500 Jahren auch der Handel mit Devotionalien: 1503 wird der erste Devotionalienladen urkundlich erwähnt. Er war direkt an die Kapelle angebaut und gehörte auch lange Zeit der Kapellverwaltung. Ab 1853 wurde er verpachtet, 1937 wurde er aufgegeben. Der Anbau ist heute noch zu erkennen. Direkt neben dem Südeingang der Gnadenkapelle wird eine Tür – der ehemalige Eingang zum Laden – von Votiv-Tafeln verdeckt.

Bis heute nehmen viele Wallfahrer Devotionalien als Andenken mit nach Hause. Andere lassen sie gleich als Gabe in der Gnadenkapelle. Die beliebtesten Artikel sind Kerzen und Rosenkränze. Die meisten Devotionalienhändler finden sich heute direkt am Altöttinger Kapellplatz.

Siehe auch

Literatur

  • Josef Pfennigmann: Die Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau in Altötting. In: Unbekanntes Bayern. Wallfahrtskirchen und Gnadenstätten. München 1959, Nachdruck 1975, ISBN 3-7991-5839-1
  • Robert Bauer: Die Wallfahrt Altötting heute. In: Diener in Eurer Mitte. Festschrift für Dr. Antonius Hofmann, Passau 1984, ISBN 3-922016-41-3
  • Robert Bauer: Bayerische Wallfahrt Altötting. Geschichte, Kunst, Volksbrauch. Verlag Schnell & Steiner, München/Zürich 1970, 2. neubearbeitete Aufl. 1980, ISBN 3-7954-0322-7
  • PNP: Ein Stück Altötting mitnehmen. In: Passauer Neue Presse vom 31. Aufust 2011 (S. 19)